21. August 2009
Obamas fehlerhafte Terrorbekämpfung
20.08.2009 - 10.57 Uhr
Die Umsetzung der untauglichen Politik, wie sie jüngst von Obamas Assistent für Terrorbekämpfung, John O. Brennan, skizziert wurde, bedeutet Gefahr für Amerika, amerikanische Interessen und die Verbündeten Amerikas.
Barack Obamas Assistent für Heimatschutz und Terrorbekämpfung, John O. Brennan, skizzierte am 6. August in seiner Rede "Ein neuer Ansatz für den Schutz der Amerikaner" praktischerweise die derzeitigen und zukünftigen politischen Fehler der Administration.
Erst einmal hat seine Rede beim Center for Strategic and International Studies in Washington einen ungewöhnlichen Ton. "Kriecherisch" fällt als Vokabel ein, da Brennan in fünftausend Worten sich neunzig Mal entweder auf "Präsident Obama", "ihn", "seine" oder "der Präsident" beruft. Es beunruhigt, dass Brennan praktisch jeden Gedanken, jede politische Idee in seiner Rede der Weisheit von "The One" zuschreibt. Dieser Vortrag lässt einen schaudernd zusammenzucken, so sehr erinnert er an einen nordkoreanischen Funktionär, der dem Geliebten Führer seine Ehrerbietung erweist.
Appeasement gegenüber Terroristen
Die genaueren Angaben sind nicht besser. Als grundlegendstes Element fordert Brennan, dass den Terroristen gegenüber Appeasement geübt wird: "Auch wenn wir die illegitimen Taktiken der Terroristen verurteilen und uns dagegen stellen, müssen wir die legitimen Bedürfnisse und Klagen der normalen Menschen anerkennen, die diese Terroristen zu repräsentieren behaupten." Welche legitimen Bedürfnisse und Klagen, fragt man sich, glaubt er repräsentiert die Al-Qaida?
Brennan schildert sorgfältig eine doppelte Bedrohung; die eine ist "Al-Qaida und ihre Verbündeten", die andere "gewalttätiger Extremismus". Doch die erste ist offensichtlich eine Teilmenge der zweiten. Dieser elementare Fehler untergräbt seine gesamte Analyse.
Er leugnet jegliche Verbindung zwischen Islam und Terrorismus
Er lehnte auch jede Verbindung zwischen "gewalttätigem Extremismus" und dem Islam ab: "Den legitimen Begriff des Jihad zu benutzen, der sich selbst zu reinigen oder eine heilige Anstrengung für ein moralisches Ziel bedeutet, birgt das Risiko, dass diese Mörder die religiöse Legitimität bekommen, die sie so verzweifelt suchen, aber keineswegs verdienen. Schlimmer noch: Man riskiert, dass die Vorstellung bestätigt wird, die USA befänden sich irgendwie mit dem Islam selbst im Krieg."
Dieser Abschnitt würgt eine Theorie des radikalen Islam hoch, die nach Angaben von Lt. Colonel Joseph C. Myers vom U.S. Air Command and Staff College "Teil einer strategischen Kampagne der Desinformation, Leugnung und Irreführung" ist, die von der Muslimbruderschaft entwickelt wurde. Die 2007 von Robert Spencer diskreditierte Theorie unterscheidet zwischen gutem Jihad und schlechtem Jihad und leugnet jegliche Verbindung zwischen Islam und Terrorismus.
Signale von Unfähigkeit
Das ist eine zutiefst irreführende Interpretation, die Nichtmuslime verwirren und den Islamisten Zeit verschaffen soll. Bei all ihren Fehlern fiel die Administration von George W. Bush auf diesen Trick nicht herein. Brennan aber informiert uns, dass sein Boss jetzt seine politischen Entscheidungen darauf gründet.
In der Rede finden sich beunruhigende Signale von Unfähigkeit. Wir erfahren, dass Obama Atomwaffen in den Händen von Terroristen als "unmittelbarste und extremste Bedrohung der globalen Sicherheit" betrachtet. Gut. Aber wie antwortet er darauf? Mit drei kläglichen und fast irrelevanten Schritten: "die Anstrengungen zu einer stärkeren globalen Nichtverbreitungskontrolle anzuführen, internationale Anstrengungen zur Sicherung des ungeschützten Nuklearmaterials der Welt zu starten... und zu einem Globalen Atomgipfel einzuladen."
Brennan kann auch nicht geradeaus denken. Als Beispiel ein längeres Zitat:
"Armut verursacht keine Gewalt und Terrorismus. Fehlende Bildung verursacht keinen Terrorismus. Aber so, wie es keine Entschuldigung für das mutwillige Abschlachten von Unschuldigen gibt, kann nicht geleugnet werden, wenn Kinder keine Hoffnung auf eine Ausbildung haben, wenn junge Menschen keine Hoffnung auf Arbeit haben und sich von der modernen Welt abgeschnitten fühlen, wenn Regierungen darin versagen für die Grundbedürfnisse ihres Volkes zu sorgen, dann werden die Menschen anfällig für Ideologien von Gewalt und Tod."
Zusammenfassung: Armut und fehlende Bildung verursachen Terrorismus nicht, aber fehlende Bildung und keinen Job zu haben, macht die Menschen anfälliger für die Ideen, die zum Terrorismus führen. Wo ist der Unterschied? Wehe uns, wenn das Weiße Haus Unlogik als Analyse anerkennt.
Zwei atemberaubende Fehler
Konzentrieren wir uns weiter auf diese Äußerung: "Wenn Regierungen darin versagen für die Grundbedürfnisse ihres Volkes zu sorgen, dann werden Menschen anfällig für Ideologien von Gewalt und Tod." Diese enthält zwei atemberaubende Fehler. Zuerst findet die sozialistische Erfindung Annahme, dass Regierungen Grundbedürfnisse befriedigen. Nein. Anders als in ein paar wenigen rohstoffreichen Staaten sorgen Regierungen für rechtliche Strukturen und schützen diese, während der Markt die Grundbedürfnisse abdeckt.
Zweitens stellt jede Studie zum Thema fest, dass es keine Beziehung zwischen persönlichem Stress (Armut, fehlende Bildung, Arbeitslosigkeit) und der Attraktivität des radikalen Islam gibt. Wenn überhaupt, dann hat seit 1970 der massive Wohlstandstransfer in den Nahen Osten zum Aufstieg des radikalen Islam beigetragen. Die Administration gründet ihre Politik auf Unwahrheiten.
Wo ist, wie man so schön sagt, die erwachsene Kontrolle? Die Umsetzung der untauglichen Politik, wie sie von Brennan skizziert wurde, bedeutet Gefahr für Amerika, amerikanische Interessen und die Verbündeten Amerikas. Die bitteren Folgen dieser Fehler werden schon bald offenkundig sein.
Quelle: Welt
Die jungen Wähler sind Karsai und die Taliban leid
Wer sich auf den Aufbau einer neuen Nation einlässt, muss wissen, dass das lange dauert. Fast acht Jahre nach dem US-Einmarsch beginnt die Saat aufzugehen, die die internationale Gemeinschaft gesät hat. Vor allem die Jungen fordern Teilhabe ein und wollen Amtsinhaber Karsai und die Warlords loswerden.
Nach der Vertreibung der Taliban hat das westliche Verhältnis zu Afghanistan drei Phasen durchlaufen. In der ersten neigte man zum optimistischen Überschwang. Gerade in Europa wollten die Regierungen ihr militärisches Engagement nicht allein als Eigeninteresse verstanden wissen. Ein idealistischer Ansatz musste her. Deshalb war in den ersten Nach-Taliban-Jahren viel von Frauenrechten und Demokratie die Rede.
Solch hohe Erwartungen mussten zwangsläufig enttäuscht werden. Phase zwei war deshalb eine der Ernüchterung. Alles schien irgendwie beim Alten zu bleiben, die Amerikaner konzentrierten sich notgedrungen auf den Irak, und die Taliban erstarkten. Nur Korruption und Mohn sprossen fröhlich aus der kargen afghanischen Erde. Afghanistan war vom Hoffnungs- wieder zum Problemfall geworden. Gerade in Europa stiegen die Aktien der Schwarzmaler, die gerne die Erfahrungen früherer Besatzer – der Briten und Russen – anführen, um deutlich zu machen, dass man am Hindukusch nur scheitern kann und sich die Nato besser früher als später zurückziehen sollte.
In Phase drei wurden die Erwartungen dann merklich heruntergesetzt. Barack Obamas neue Strategie will von Frauenrechten und Demokratie nicht mehr viel wissen – Hauptsache, das Land wird leidlich stabil und nicht erneut zum Trainingslager von al-Qaida. Die Enttäuschung im Westen sagt etwas aus über den Zustand Afghanistans und die immer prekärer werdende Sicherheitslage im Land. Noch viel mehr verrät sie allerdings über unsere Ungeduld.
Wer sich aber auf „nation building“ einlässt wie in Afghanistan, muss wissen, dass es sich um ein langfristiges Projekt handelt. Das konnte man schon auf dem Balkan beobachten, wo auch kein Ende der internationalen Präsenz absehbar ist. Im Vergleich dazu ist die gesellschaftliche Struktur Afghanistans noch viel weiter zerstört gewesen und war viel weniger „Humankapital“ vorhanden, auf dem man aufbauen konnte. Dabei setzt der Westen aber pro Kopf der Bevölkerung nur einen Bruchteil der Mittel ein, die er für den Balkan zur Verfügung stellte. Es ist also kein Wunder, dass Afghanistan ein gemischtes Bild abgibt.
Einerseits gelingt es den Taliban wie seit Jahren nicht, immer größere Teile des Landes unsicher zu machen. Andererseits zeigt gerade der nun zu Ende gehende Wahlkampf, dass der Reifungs- und Modernisierungsprozess des Landes durchaus vorankommt. Vor fünf Jahren waren die Präsidentschaftswahlen kaum mehr als die Akklamation des zuvor eingesetzten Präsidenten Hamid Karsai, der die Unterstützung des Westens genoss. Heute hingegen gibt es ein spannendes Rennen zwischen verschiedenen Kandidaten – mit offenem Ausgang. Kaum ein Tag vergeht, an dem Kandidaten sich nicht kritischen Fragen in Fernsehen und Radio stellen müssen. Nicht nur in den Städten des Landes wird lebhaft über die Zukunft Afghanistans diskutiert. Und die Jungen fordern mehr Teilhabe und Demokratie und wollen Karsai und die ganzen Warlords lieber früher als später loswerden.
Es wächst also mehr als Mohn und Korruption in diesem Afghanistan. Fast acht Jahre nach dem Einmarsch der Amerikaner beginnt die Saat aufzugehen, die die internationale Gemeinschaft gesät hat. Das sind noch zarte Pflänzchen, die weiter des Schutzes, auch militärischen, gegen die Taliban bedürfen. Aber diese Jugend, der es oft gelungen ist, die Bildungschancen zu ergreifen, die sich nach der Vertreibung der Taliban eröffnet haben, fordert nun energisch ihren Anteil an Afghanistans Zukunft ein. Sie wissen, was draußen in der Welt alles möglich ist an Lebensentwürfen. Und sie wollen sich nicht mit dem zufriedengeben, was die Karsais ihnen an Politik nach altem Muster bieten.
Man wird sehen, wie viel altes und wie viel neues Afghanistan aus dieser Wahl hervorgeht. Eins aber kann man sagen: Dieser Wahlkampf hat das Bewusstsein vieler junger Afghanen verändert. Sie stellen Forderungen und wollen Rechenschaft von ihren Politikern und Programme für die Entwicklung des Landes. Und sie glauben nicht, dass alles so bleiben muss, wie es immer war. Letztlich ist das der Grund, warum die Bundeswehr in diesem Land ist und wohl noch lange bleiben muss: Damit nicht wieder eine junge afghanische Generation um die eigene Zukunft betrogen wird. Das ist immer noch das beste Konzept auch für unsere Sicherheit.
Quelle: Welt
20. August 2009
13. August 2009
Die Ikone des Iran
Der Tod von Neda Agha-Soltani schockte die Welt – und gab gleichzeitig den Demonstranten im Iran neue Kraft, gegen das Regime aufzubegehren. Wie aus einer 26-jährigen Studentin die Ikone des Aufstands wurde.
Seit Samstag, den 20.Juni 2009, 19:00 Uhr Teheraner Ortszeit hat die Islamische Republik Iran den Feind, den sie sich seit ihrem Bestehen alle Mühe gegeben hat zu schaffen: eine zierliche junge Frau in Jeans, die im Land der Mullahs zwar nicht erlaubt sind, aber geduldet werden so wie regimekritische Artikel oder Wahlen. Ihr obligates Kopftuch hatte Neda Agha-Soltani so fest gebunden, dass es nicht einmal im Moment ihres Todes verrutschte. Auf den wackligen Handy-Aufnahmen, die sie blutüberströmt auf der Kreuzung zwischen der Khosravi- und Salehi-Straße zeigen, ist, ganz züchtig, gerade der Haaransatz zu sehen. Ein Mann im weißen Hemd – wie sich später herausstellen wird der Arzt Arash Hejazi, ein Freund des brasilianischen Erfolgsschriftstellers Paulo Coelho – versucht verzweifelt, die sprudelnde Blutung ihrer Brustwunde zu stillen. Zu hören sind die entsetzten Schreie der Passanten. Rund einen Kilometer entfernt, auf dem Boulevard zwischen dem „Platz der Freiheit“ und dem „Platz der Revolution“ gehen die Demonstrationen weiter. Zwei Minuten nach dem Schuss ist Neda tot. Eine Stunde später gelangen die Aufnahmen per Internet zunächst nach Holland und von dort in die ganze Welt. Das Regime mag Zeitungen und Fernsehen zensieren. Die Bilder kann es nicht unterdrücken, schon gar nicht in einem Land mit 24 Millionen Internetnutzern – einem Drittel der Bevölkerung; damit ist Iran das am besten vernetzte Land in der Region.
Bereits am nächsten Morgen, als sich die Nachricht vom Tod der 26-jährigen Studentin, die so gerne reiste und iranische Popmusik hörte, auch in Teheran wie ein Lauffeuer verbreitet hat, ist klar: Der Tod Nedas ist eine Zäsur, ein irreparabler Schaden für die Machthaber. Fast drei Jahrzehnte seit der islamischen Revolution hatten Oppositionelle immer wieder vergeblich gegen das Regime protestiert. Eine nur kurze Filmaufnahme bewirkte nun mehr als alle Proteste. Die einzige islamische Republik der Welt gerierte sich nicht anders als jede Militärdiktatur: Sie zögerte nicht, auf ihre Bürger zu schießen. Sie brachte ihre eigenen Töchter um. An ihren Händen klebt Blut.
In der Stunde von Nedas Tod befand ich mich nicht weit von der Kreuzung entfernt. Doch von dem tödlichen Zwischenfall erfuhr ich erst nach meiner Rückkehr ins Hotel durch das Internet. Zuvor hatte ich an diesem stickig heißen Samstagabend – die Hitze hatte Neda veranlasst, wie Augenzeugen berichten, aus dem Auto auszusteigen, weil die Klimaanlage nicht funktionierte – zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten festgesteckt. Rechts von mir brannte es. Links prügelte eine Sondereinheit der Revolutionsgarden erbarmungslos auf Jugendliche ein, Frauen und Männer gleichermaßen. Der ätzende Geruch von Tränengas stieg auf. An der nächsten Straßenecke, halb versteckt in einer Seitengasse, warteten Horden der gefürchteten Bassidschi-Milizen auf Motorrädern, bereit, zuzuschlagen und, erstmals seit Beginn der Proteste, auch zu töten. Bassidschi, was übersetzt die „Mobilisierten“ bedeutet, sind so alt wie die Islamische Republik. Zu ihnen gehören Kinder von Kriegsveteranen aus dem iranisch-irakischen Krieg (1980 bis 1988) genauso wie Arbeitslose. Die Ehrgeizigsten kommen im Sommer heimlich in den Trainingsstätten der Revolutionsgarden zusammen, um für den Ernstfall zu üben, sprich eine amerikanische Invasion. In Friedenzeiten sind die Bassidschi mit Helmen und Schlagstöcken unterwegs, um gegen „innere Feinde“ wie Oppositionelle und Studenten vorzugehen.
An jenem Samstag, an dem die Philosophiestudentin, deren Name passenderweise „Stimme“ oder „Ruf“ bedeutet, sterben musste, blieb kein einziger Bassidschi untätig. Anders als bei den bisherigen Protesten gegen die vermeintlichen Wahlmanipulationen wurden sie bewaffnet und wie Revolutionsgarden und Geheimdienstler nicht nur in den Straßen, sondern auch auf den Flachdächern der Städte positioniert. Und obwohl die Bassidschi keine Uniformen tragen, waren sie leicht zu erkennen, wie sie hoch über der Menge standen und ihre Waffen schussbereit gegen den Himmel streckten.
Gegen 19:00 Uhr peitschten erste Schüsse durch die Straßenschluchten. Nicht nur an der Kreuzung, an der Neda ahnungslos mit ihren Bekannten stand. An vielen Orten, in Hauseingängen, in Sackgassen, zwischen parkenden Autos starben an jenem Abend Menschen – nur, dass ihnen kein Arzt beistand und niemand mit dem Handy ihren Tod filmte. Ihre Mörder handelten nach dem kaltblütigen Prinzip des Großen Vorsitzenden Mao Zedong: „Töte einen und du wirst hundert einschüchtern.“
Später verkündete die Regierung, nicht die Sicherheitskräfte, sondern die Demonstranten hätten geschossen. Nachdem diese verwegene Verschwörungstheorie in verschiedenen Versionen verbreitet wurde, hieß es, man hätte auch Nedas Mörder gefunden: Der BBC-Reporter John Leyne, der inzwischen des Landes verwiesen worden war, sei für den Tod der Studentin verantwortlich. Nedas Tod habe als Höhepunkt einer anti-iranischen Reportage dienen sollen.
Unterdessen beobachtete die Korrespondentin der französischen Tageszeitung Le Figaro, dass an Nedas Todestag und an den darauf folgenden Tagen zahlreiche Tote und Schwerverletzte in Teherans Krankenhäuser eingeliefert wurden. Ärzte wurden gezwungen, die Namen der Verletzten zu registrieren, die dann noch auf dem Krankenbett verhaftet wurden. Wer sich diesen Anweisungen widersetzte, wurde bedroht oder ebenfalls vorübergehend in Haft genommen. Das Regime ließ die Todesurkunden der Verstorbenen fälschen und Obduktionen verbieten, um zu vertuschen, dass viele mit Schüssen im Hinterkopf eingeliefert und offensichtlich gezielt getötet, ja geradezu exekutiert worden waren. Leichen wurden in das Militärkrankenhaus überführt, wo nach der operativen Entnahme von Organen die sterblichen Überreste verbrannt wurden. Laut Figaro und anderen Quellen sind bis zu hundert Menschen bei den Protesten umgekommen und nicht etwa „nur“ siebzehn, wie die offiziellen Stellen verlautbaren ließen. Tausende Verhaftete sitzen im berüchtigten Evin-Gefängnis, in dem die Anzahl der Hinrichtungen von angeblichen „Drogenhändlern“ während der vergangenen Tage auffällig stieg.
Gleichzeitig begannen Regierungsstellen eine wilde Propagandaschlacht. Nach der strikten Zensur der nationalen Medien richtete sich der Zorn gegen die ausländischen Reporter. Ursprünglich waren sie großzügig mit Visa versorgt worden, um über die Präsidentschaftswahl am 12.Juni zu berichten. Jetzt verbot man ihnen, sich den Protesten zu nähern, geschweige denn darüber zu berichten. Pech für alle, die sich daran hielten und von da an aus sicheren Hotelzimmern die Erzählungen ihrer Übersetzer verbreiteten, bis sie wie alle unfolgsamen Berichterstatter das Land verlassen mussten. Schließlich gingen die Unterstützer Mahmud Ahmadinedschads auch über Twitter – dem Kommunikationsmedium der Aufständischen – zur Offensive über. Plötzlich meldete sich kaum ein Regimegegner mehr zu Wort. Stattdessen wurden Kurznachrichten über den „Wahlsieg“ Ahmadinedschads und Lobeshymnen auf den Präsidenten im Minutentakt gesendet. Gleichzeitig hat der iranische Geheimdienst begonnen, die Postings der Regimegegner auf Facebook und Youtube auszuwerten. Nacht für Nacht werden seither Menschen verhaftet, die auf den Videoclips identifiziert werden konnten. Die Filtersoftware zur Kontrolle des Internets haben übrigens die Firmen Siemens und Nokia geliefert. Es sei schließlich darum gegangen, beteuern Firmensprecher, „Daten zu kontrollieren, die Terrorismus, Pädophilie, Drogenhandel und andere kriminelle Tätigkeiten betreffen“.
Das Bild der sterbenden Neda aber kann das Regime nicht aus dem Gedächtnis der Millionen Iraner – und der Millionen Menschen weltweit – verbannen. Eine „Tochter des Iran“ nannte sie Reza Pahlavi, exilierter Sohn des ehemaligen Schahs (Siehe auch das Interview auf Seite 24). Sie wurde zur Ikone der Opposition. Gerade weil sie keine bekannte Oppositionelle war, sondern nur eine von Tausenden Frauen im Iran, die die Unterdrückung der Frauen durch das islamische Regime nicht länger ertragen wollen. Deren Eltern nicht in den Nord-Teheraner Luxusvierteln der gebildeten Elite leben, sondern in einem der zahlreichen gigantischen Wohnblocks der Millionenmetropole. So wie auch Nedas Eltern und beiden Brüder, die in Teheran-Pars, einem Mittelklasse-Viertel im Osten der Stadt wohnten. Die Familie, der Vater ist Beamter, die Mutter Hausfrau, wird als gläubig, aber nicht überaus fromm beschrieben. Als ob der gewaltsame Tod ihres Kindes nicht schlimm genug gewesen wäre, durften sie ihrer Tochter nicht einmal eine angemessene Trauerfeier ausrichten. Es gab weder eine Predigt oder Ansprache noch hielt ein Imam einen Gottesdienst ab. Die Behörden hatten den Leichnam Nedas nur unter der Bedingung freigegeben, dass er noch am selben Tag und ohne jegliche öffentliche Feierlichkeit auf dem Friedhof Behescht-Zahra beigesetzt würde.
Aber die vom Regime ersehnte Ruhe hat sich damit nicht eingestellt. Mahmud Ahmadinedschad mag von seinem Schutzherrn, dem geistlichen Führer Ali Chamenei, als Wahlsieger bestätigt worden sein. Aber bedeutende Religionsgelehrte in der heiligen Stadt Qom haben dem Urteil der amtlich höchsten Autorität im Iran widersprochen. Und was immer auch die Teheraner Propagandamaschine aushecken wird – Spionagevorwürfe, Schauprozesse –, dem Regime wurde ausgerechnet mit dem Tod einer jungen Frau ein Kainsmal eingebrannt.
Neda ist unauslöschlich verbunden mit der Geschichte dieser Republik, die seit über dreißig Jahren erfolgreich um ihr Überleben kämpft. Seit dem tragischen Tod der Studentin will niemand mehr dieser Republik ein leichtes Leben prophezeien, geschweige denn ein langes.
Quelle: Cicero
Wenn zwei sich streiten, hat Israel Schuld
Und sie dreht sich doch. Ja, ja, natürlich die Erde. Das ist schließlich ein Naturgesetz. Aber noch etwas rotiert: die „Gewaltspirale in Nahost“. Angesichts der Beharrlichkeit mit der sie bemüht wird, könnte man glauben, auch sie sei ein Naturgesetz, das nach folgendem Prinzip funktioniert: Die Palästinenser sind für nichts verantwortlich, und Israel hat sie durch „unverhältnismäßige Gewaltanwendung“ in Gang gesetzt.
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon schwadronierte ebenso wie EU-Außenminister Javier Solana und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy von der „Unverhältnismäßigkeit Israels“. Derselbe Sarkozy übrigens, der als Innenminister im Herbst 2005 die gewaltsamen Proteste jugendlicher Migranten vor allem mit moslemischen Hintergrund in Frankreichs Vorstädten mit aller Härte der Staatsgewalt niederknüppeln ließ. Ein Schelm, der angesichts der Verurteilung Israels durch Sarkozy Böses dabei denkt, dass in Frankreich rund fünf Millionen Muslime leben. Während eine handvoll türkische Demonstranten gegen das israelische Vorgehen lautstark protestierte und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die israelischen Angriffe im Gazastreifen als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnete, griff die türkische Luftwaffe kurdisches Gebiet an -, und die Weltgemeinschaft erklärt: nichts (!). Natürlich hat sich auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu Wort gemeldet und versichert, dass Israel das legitime Recht zur Selbstverteidigung habe (Sagt er das eigentlich auch der spanischen Regierung, wenn sie gegen die Baskenorganisation ETA vorgeht?), um dieses Recht schnell wieder einzuschränken und einen Waffenstillstand zu fordern, denn sonst – ja genau – drohe der „Gazastreifen erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken“.
Israels Krieg gegen die Hamas ist einer ganz simplen Ursache zuzuschreiben: Anstatt nach dem Abzug der Israelis 2005 eine ordentliche Infrastruktur aufzubauen, Schulen angemessen auszustatten und eine funktionierende Wirtschaft auf die Beine zu stellen, entschieden sich die radikalen Islamisten, einen Krieg gegen Israel zu führen, lieber Raketenteile zu schmuggeln als die Versorgung ihrer Bevölkerung sicher zu stellen und die Waffenruhe – während der sie täglich Raketen auf israelische Zivilisten abschossen – trotz aller Warnungen von Ägypten, dem palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas und Israels Premier Ehud Olmert aufzukündigen. Hamas hat eine Entscheidung getroffen und trägt jetzt die Verantwortung dafür. Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice sieht das ganz richtig, wenn sie erklärt, dass Hamas die Schuld am Bruch des Waffenstillstands trägt. Auch Machmud Abbas war eindeutig in der Verurteilung der Hamas. Er verhandelt seit Monaten mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung, die die Islamisten mit dem von ihnen provozierten Krieg zu unterbinden versuchen. Auch Angela Merkel hat verstanden, worum es geht. Die Verantwortung für die jüngste Entwicklung liege „eindeutig und ausschließlich“ bei der Hamas, bei der Beurteilung der Situation im Nahen Osten dürften „Ursache und Wirkung nicht vertauscht werden oder Ursache und Wirkung nicht in Vergessenheit geraten", ließ die Bundeskanzlerin mitteilen. Wozu braucht die Hamas diesen Krieg? Weil sie nur durch Zerstörung funktioniert. Sie kann und wird sich nicht mit Israel arrangieren.
Die Palästinenser müssen als ewige Opfer dargestellt werden, die Israelis als Mörder, die „Massaker“ an unschuldigen Zivilisten begehen, deren Leben mit Bedacht von der Hamas geopfert wird. Deshalb erlaubt Hamas-Premier Ismail Haniya nicht, dass Verletzte, wie von der ägyptischen Regierung angeboten, ins Nachbarland gebracht und dort kostenlos behandelt werden dürfen. Menschenverachtender geht es nicht mehr. Den radikalen Islamisten geht es nicht um das Wohl der Palästinenser, sondern nur um die Manipulation der öffentlichen Meinung. Zu lange war von Gaza nichts zu hören. Zu lange gab es keine Schlagzeilen. Hamas musste wieder in die Medien – koste es, was es wolle und sei es das Leben der eigenen Kinder, Frauen und Männer. Und in der Mobilisierung der Weltmeinung ist die Hamas weltmeisterlich. Das Rezept ist auch zu einfach: Man schmuggle illegal Waffen in den Gazastreifen, beschieße täglich mehrfach israelisches Gebiet, lege Waffenlager, Abschussanlagen und Operationszentralen in Wohnhäuser.
Irgendwann wird der „zionistische Feind“ schon etwas unternehmen. Vergessen die Zeit, da selbst während der sechsmonatigen Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel kein Tag verging, an dem nicht Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden und zivile Ziele im israelischen Kernland trafen. Da gab es kein Wort von Unverhältnismäßigkeit, nichts war zu hören von Gewaltspirale, keine Dringlichkeitssitzung des UN-Weltsicherheitsrates. Getreu dem Motto: Wenn zwei sich streiten, wird schon Israel schuld sein.
Man stelle sich vor, Dänemark würde täglich Raketen auf Schleswig- Holstein abfeuern oder Frankreich auf das Saarland oder Tschechien auf den Bayrischen Wald und dabei Kindergärten, Spielplätze und Reihenhäuser zerstören, Menschen verletzen oder töten. Wie lange würde es dauern, bis das Volk nach Schutz durch die Bundeswehr verlangen würde? Wie lange würde ein deutscher Regierungschef zögern, den Gegenschlag zu befehlen?
Quelle: Cicero
3. Juli 2009
Nokia/Siemens lieferte Iran Abhörtechnologie
Seit 2005 hat Siemens mit der US-Regierung mehr als $ 900 Millionen umgesetzt und beschäftigt etwa 70.000 Personen in den Staaten. Nokia ist einer der führenden Anbieter von Mobiltelefonen in den USA. Das Siemens nichts davon wusste, wie der Iran diese Technologie einsetzen würde, kann ausgeschlossen werden. Wie lange wird die US-Regierung noch Geschäfte mit einem Unternehmen machen, das ein Regime unterstützt, daß für den Tod von US-Soldaten im Irak verantwortlich ist ?
Der Handel zwischen Deutschland und Iran boomt. Nach offiziellen Zahlen nahmen die Exporte in 2008 um etwa 10 % zu. Deutschland hält damit seine Position als Irans (nach den Vereinigten Arabischen Emiraten) zweigrößter und in Hinblick auf qualitative Produkte wichtigster Handelspartner. Vertreter der deutschen Unternehmen scheinen mit der delikaten Tatsache, daß das Land, das für die industrielle Judenvernichtung im 2. Weltkrieg verantwortlich war, jetzt der wohl wichtigste Handelspartner des Landes ist, das die nächste Judenvernichtung plant, keine Probleme zu haben. Besonders unappetitlich geriert sich hier Helene Rang, geschäftsführender Vorstand des Nah- und MittelOst-Verein e.V., die in einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk mit erbarmungswürdigen Interpretationen die genozidalen Pläne der Islamofaschisten leugnete, die man im übrigen im Kontext sehen müsse. Nämlich: Israels Aktionen in Gaza machten es schließlich verständlich, dass Iran hier vielleicht einmal „unakzeptabel“ formuliere. Mir wird speiübel, wenn ich Frau Rang höre. Colorandi Causa: Ehrenvorsitzender dieser feinen Gesellschaft ist einer von Putins bezahlten Lakaien, der sich kürzlich zu einem als „privat“ bezeichneten Besuch in Teheran aufhielt.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009
1. Juli 2009
30. Juni 2009
Erleuchtung trifft Commerz
Der Buddhismus erinnert ein wenig an Coca Cola. Keiner kennt die Zusammensetzung, aber trotzdem finden ihn alle irgendwie gut. Besonders in Manager-Seminaren gilt es als unglaublich schick, sich einen Zen-Meister ins Haus zu holen, der dann der deutschen Wirtschaftselite in gebrochenem Englisch für einen Tagessatz von 10.000 Euro etwas über Verzicht, Askese und inneren Frieden erzählt. Immer mehr gestandene 50jährige Vorstandsvorsitzende gehen für zwei Wochen ins tibetanische Schweigekloster, in der Hoffnung zu ihrem Allerinnersten vorzudringen. Ohne jedoch zu bedenken, dass sie dort eventuell auch absolut nichts vorfinden könnten. Ein grausamer Gedanke.
Ende dieses Monats wird nun mal wieder der Dalai Lama drei Tage lang die Frankfurter Commerzbank-Arena mit seiner Anwesenheit beglücken. Der tibetanische Gottkönig könnte aus dem Wuppertaler Telefonbuch vorlesen und das gesamte christliche Abendland verdreht verzückt die Augen. Zugegeben, wenn der selbsternannte „Ozean des Wissens“ Lebensweisheiten unter’s Volk wirft, wie zum Beispiel: „Eine liebevolle Atmosphäre in Deinem Haus ist das Fundament für Dein Leben.“ oder auch „Nur wer Leid erträgt, wird Glück erfahren!“ dann kann man schon mal auf komische Gedanken kommen. Hat die „Große Leuchte der Weisheit“ vielleicht doch nur eine Energiesparbirne? Der Kaiser ist nackt und keiner traut es sich zu sagen.
Worum genau geht’s eigentlich im Buddhismus? Begonnen hat alles im Mai 509 vor unserer Zeitrechnung. Da ist ein gewisser Siddhartha Gautama sitzend unter einem Feigenbaum zum Buddah geworden. Und zwar durch die immense Erkenntnis, man solle sich von Extremen fern halten und stets den goldenen Mittelweg anstreben. Punkt. Das war’s. Viel mehr kommt nicht. Ich persönlich glaube, wenn das die Erleuchtung ist, wird sie eindeutig überschätzt.
Nichtsdestotrotz ist der Buddhismus vielen Menschen sympathisch, weil er eine Lehre ohne Gottheit ist und zu selbstständigem Handeln und Eigenverantwortung aufruft. Doch auch das ist bei näherer Betrachtung nicht so ganz richtig. Salopp gesagt, besagt der tibetische Buddhismus: Wenn Du dich in Deinem Leben gut verhalten hast, wirst Du als Delphin, Günter Jauch oder Schweizer wiedergeboren, wenn nicht, dann als Flughörnchen 9LiveModerator oder Ostdeutscher. Dieses Weltbild ist jedoch alles andere als human. Denn es besagt, dass Menschen in sozialem Elend selbst an ihrem Schicksal schuld sind, da sie offensichtlich in einem früheren Leben ein schlechtes Karma erworben haben. Umgekehrt sind sozial hochstehende Menschen zurecht auf dieser Position, da sie im früheren Leben ein gutes Karma angehäuft haben. Da ein Auf- bzw. Abstieg im aktuellen Leben nicht möglich ist, ist es eine perfekte Ideologie, um Vorurteile und Rassenunterschiede zu zementieren.
Was im Übrigen auch lange Zeit in Tibet üblich war. Jahrhundertelang waren die Lamas brutale Gewaltherrscher, die ihr eigenes Volk als Sklaven und Leibeigene gehalten haben und den Rest davon faktisch verhungern ließen. Noch in den Fünfzigern hatten die Lamas die uneingeschränkte Macht, jeder beliebigen tibetanischen Familie willkürlich ihre drei bis vierjährigen Söhne zu entreißen, um sie als Klosterschüler auszubilden. Erst die Chinesen setzen durch, dass das Eintrittsalter auf 16 Jahre hochgesetzt wurde. Eine Maßnahme, die der Dalai Lama fortan als „kulturellen Völkermord“ bezeichnet.
Es ist eine Farce, ausgerechnet das Oberhaupt eines solchen Systems, zu einem Verteidiger der Menschenrechte zu stilisieren. Ironischerweise hat der Dalai Lama, der sich selbst als den Fürsprecher für Freiheit und Demokratie bezeichnet, sich nie selbst von seinem eigenen Volk demokratisch legitimieren lassen. Er wurde von einer kleinen, elitären Minderheit zum geistigen Oberhaupt erklärt. Dass er sich selbst zum Repräsentanten von Tibet ausgerufen hat, ist in etwa genauso, als würde sich Kardinal Meissner als deutscher Regierungschef bezeichnen.
Wenn interessiert schon, dass der Ozeangleiche Lehrer eine enge Freundschaft zum Gründer der für die Giftgas-Anschläge in Tokio verantwortlichen Aum-Sekte pflegte? Oder dass er bis in die 90ger mit ehemaligen hohen SS-Offizieren befreundet war? Aber wer so nett grinst, kann irgendwie kein schlechter Mensch sein. Und außerdem stört uns dieses Bild bei der Dämonisierung Chinas.
Ob der Einmarsch der Chinesen 1950 berechtigt war oder nicht, ist sicherlich eine schwierige Frage. Der Ostasienkundler Thomas Heberer sagt dazu: „Klar ist, dass die chinesische Regierung ihr vermeintliches Recht mit Gewalt durchgesetzt hat. Vom westlichen Standpunkt her mag es sich um eine Invasion gehandelt haben. Vom chinesischen handelte es sich um eine Wiederherstellung eindeutiger Rechte.“
In Wirklichkeit ist unser infantile Getue um den grinsenden Phrasendrescher mit dem lustigen Kassengestell der Ausdruck einer fundamentalen Orientierungslosigkeit. Die verzweifelte Sinnsuche einer Gesellschaft, die keine wirklichen existenziellen Probleme mehr hat. Ein arrogantes Rumgejammere, nicht etwa weil wir berechtigten Grund dazu haben, sondern eben gerade weil unser Leben so gut funktioniert. Denn wenn wir uns nur ordentlich Sorgen machen, machen wir uns wichtig. Gehen Sie die Straße pfeifend entlang und die Menschen werden sie einen bekloppten Irren nennen. Beugen Sie sich jedoch in der U-Bahn zu einem glücklichen Menschen und sagen: Wie können sie es wagen zu lächeln, während in Tibet unschuldige Menschen sterben? Dann gelten sie als verantwortungsvoller, kritischer Mensch.
Und so kommt es vor, dass modern denkende Zeitgenossen, die den Vatikan als überkommen, verstaubt und voraufklärerisch ablehnen, sich umso vehementer in die zweifelhaften Arme der tibetanischen Mystik werfen. Ohne sich freilich dafür zu interessieren, dass viele Free-Tibet Organisationen von den USA großzügig mit Millionenspenden unterstützt werden, weil die Propagandamaschine Dalai Lama ein probates Mittel ist, um der aufstrebenden Wirtschaftsmacht in China zu schaden. Um Menschenrechte oder gar die Einführung demokratischer Strukturen geht es dabei nicht. Und um Freiheit schon gar nicht.
Quelle: Achse des Guten
29. Juni 2009
Apokalypse und Äquidistanz
von Henryk M. Broder
Erich Follath, ein erfahrener und weit gereister Reporter, hat in der vorletzten Ausgabe des SPIEGEL ein Doppelporträt des iranischen Präsidenten Ahmadineschad und des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu veröffentlicht. Wie schon der Titel - „Das Duell der Auserwählten“ - verspricht, geht es in dem Essay um den Kampf zweier männlicher Alphatiere, die aufeinander zurasen wie Lokomotiven auf einer eingleisigen Strecke.
Natürlich ist es verführerisch, einen Konflikt auf den Clash zweier Egomanen zu reduzieren. Schon Ulrich Wickert hat Osama Bin Laden als ein Spiegelbild von George Bush zu zeichnen versucht, andere Hobbymoralisten wollten den amerikanischen Präsidenten und den Al-Kaida-Führer auf eine unbewohnte Insel bringen, um sie dort gegeneinander kämpfen zu lassen und so der Welt einen Krieg zu ersparen.
Der Charme solcher Ideen liegt in ihrer Entrücktheit. Wenn sie zu etwas nutze sind, dann vor allem dazu, ihren Verbreitern das Gefühl zu geben, über den Dingen zu stehen, eine Äquidistanz zu den Objekten ihres Interesses zu wahren. Weder der iranische Präsident noch der israelische Ministerpräsident sind „Auserwählte“. Ahmadineschad ist die Marionette eines Systems, dessen Machthaber in den Kulissen agieren, Netanjahu hat nach einer Wahl eine Koalition zusammengefügt, die über eine Mehrheit in der Knesset verfügt. Man muss ihn nicht mögen. Aber man kann sich nicht um die Erkenntnis drücken, dass er im Gegensatz zu dem iranischen Präsidenten demokratisch legitimiert ist. Dass beide auf die gleiche Weise atmen, essen und verdauen, reicht nicht aus, um sie auf eine Stufe zu stellen und ihre politische Performance wie einen Auftritt von Karl und Franz Mohr aus dem Parkett heraus zu rezensieren.
Genau das aber tut Follath. Seine scheinbare Äquidistanz beruht auf einem Kunstgriff. Er zitiert, er stellt gegenüber. Auf der einen Seite die Verteidiger des iranischen Präsidenten; sie sagen, man müsse sich dessen Wunsch nach einem Verschwinden Israels von der Landkarte „eher metaphysisch“ vorstellen. Auf der anderen Seite Israel, das vor lauter Kraft kaum noch laufen kann, von Metaphysik keine Ahnung hat und sich nicht einmal bedroht fühlt, sondern nur „bedroht zu fühlen scheint“. Mit solchen sprachlichen Feinheiten unterlegt, werden Follaths eigene Spekulationen zu Fakten aufgemotzt. Er zitiert eine „stets gut informierte israelische Tageszeitung“, die sich ihrerseits auf Politiker beruft, „die in Verbindung mit Netanjahu stehen“ und deswegen sagen, „er habe seinen Entschluss zur militärischen Zerstörung der iranischen Nuklearanlagen schon gefasst“. Das ist Hörensagen vom Hörensagen, nur einen Atemzug vom Kaffeesatzlesen entfernt. Aber es insinuiert, dass Israel den Iran bedroht, während der Iran sich mit metaphysischen Übungen fit hält.
Und während der iranische Präsident die Rückkehr des im 9. Jahrhundert verschwundenen 12. Imam durch einen „reinigenden Umsturz“ beschleunigen möchte, gibt sich der israelische Ministerpräsident einer noch skurrileren Marotte hin. „Bibi“ ist überzeugt, dass er „Amalek“ daran hindern muss, Israel zu überfallen, so wie der „Krieger aus Kanaan“ die Hebräer auf dem Weg ins Heilige Land schon einmal überfallen hat. Woher weiß Follath das? Er hat es bei Jeffrey Goldberg, einem „Israel-Kenner“, gelesen, der sich seinerseits „bei einem Netanjahu-Vertrauten“ schlau gemacht hat. Diskretion ist auch im Journalismus die halbe Miete.
Außerdem will „Bibi“ aus dem Heldenschatten seines Bruders „Joni“ treten, der bei der Befreiung der Geiseln von Entebbe ums Leben gekommen ist. Das wiederum ist Follath klar, seit er die Familie Netanjahu vor über 30 Jahren, nur ein paar Tage nach dem Tode von „Joni“, in Jerusalem besucht hat. Diese Erinnerung, angereichert mit ein paar Sätzen aus dem Fünften Buch Mose, reicht Follath, um das gegenwärtige „apokalyptische jüdische Gedankengebäude“ zu begreifen. Es basiert auf der Idee, „nach einem möglichen iranischen Nuklear-Erstschlag...“ werde es „einen Judenstaat nicht mehr geben“.
Damit schiebt Follath den Psycho-Peter Israel zu, das sich „bedroht zu fühlen scheint“, statt in aller Ruhe abzuwarten, was nach einem möglichen iranischen Nuklear-Erstschlag vom Judenstaat übrig bleiben könnte. Würde ein Nachbar von Follath immer wieder erklären, er sei ein Störenfried, er solle sein Haus räumen und dahin verschwinden, woher er gekommen ist, käme der Kollege nicht auch auf die Idee, die Forderung könnte ernst gemeint sein? Würde er sie „eher metaphysisch“ verstehen und sich die Vorfreude auf das nächste Gartenfest nicht vermiesen lassen?
Für das Bagatellisieren und Banalisieren der iranischen Drohgebärden gegenüber Israel gibt es zwei mögliche Erklärungen: „Wir sind ja nicht gemeint.“ Oder: „Es trifft keine Unschuldigen.“
Es gibt eine Unzahl von Statements von Ahmadineschad und aus seinem Umfeld, die sich nicht wegdebattieren lassen. Israel sei ein Geschwür, das aus der Mitte der moslemisch-arabischen Welt entfernt werden müsse, ein Fremdkörper im Fleisch der „Umma“, die Ursache aller Übel. Ahmadinejads Wunsch nach einer „World without Zionism“ ist keine abstrakte Utopie, sondern ein Euphemismus für den nächsten Anlauf zur Entjudung der Welt. Er ist klug genug, sein Ziel zu beschreiben, ohne zu sagen, wer den Job erledigen soll. Nicht zum ersten Mal fehlt das letzte Glied in einer Beweiskette. Auch nach dem Führerbefehl zur letzten Endlösung der Judenfrage wird noch immer gesucht.
26. Juni 2009
18. Juni 2009
Obamas Unfähigkeit wird offenbar
Reden kann er, richtig gut (und mit guten, wenn auch bildungsmäßig eher unterbelichteten Schreibern). Schaun wir uns die Kairorede an: Er kriecht der islamischen Welt in den Hintern und macht sich zum Hampelmann: och bitte, seit uns doch wieder gut. Er schwätzt was von "USA größtes islamisches Land".. hat er überhaupt eine Ahnung was er damit sagt? Faselt was von "muslimisch-amerkikanischen Nobelpreisträgern" btw es gibt keinen einzigen" Verdreht historische Tatsachen und schmiert den islamischen Gewaltapologeten Honig ums Maul, so fett wies nur irgendwie geht. In Kairo, in dem Kairo wo christliche Minderheiten verfolgt und eingesperrt werden. In dem Kairo wo Menschenrechte, wenn überhaupt nur für Moslems gelten.
Vorher: Politik der ausgestreckten Hand gegenüber dem Iran. Im besten Chamberlainstil. Ich sage nur "Peace for our times!" Wohin das geführt hat, sehen wir ja. Der durchgeknallte nordkoreanische Diktaktor macht einen auf nukleraer Superstar, Der iranische Möchtegernführer bastelt munter an seinen Atomwaffen und fühlt sich sicher genug, die Iraner und die ganze Welt verarschen zu können. Mal schnell einen kleinen Wahlbetrug machen. Und die Amis reagieren genauso, wie erwartet: Dummgelaber, Rausreden, Weicheigeplabber. Schade, daß das eigene Volk sich nicht so vorführen lässt wie der amerikanische Präsident.
Man kann über Busch sagen was man will, aber der hat wenigsten Cochones. Obama ist einfach nur ein Hollywoodpüpchen in der Politik. Sein "Change" ist ein Wechsel zum schlechteren.
Das werden noch harte Jahre für Amerika und den Rest der Welt. Wenn Obama diesen Kurs beibehält dann gute Nacht freie Welt. Schöne Reden halten und sonst die Hände in den Schoß legen. Ja das wird echt lustig. Na dann....
Nachtrag:
Präsident Obama hat sich nun doch entschlossen in schärfster Form zu reagieren:
Die Einladung iranischer Diplomaten zu den Feierlichkeiten zum 4. Juli wurden wiederrufen. Oha... das ist natürlich ein schwerer Schlag, richtiges Muskelspiel. Wär hätte gedacht daß "Habt mich doch alle Lieb" - Obama zu so trastischen Maßnahmen fähig wäre. Da zittert natürlich die Welt vor Angst, daß es ihr genauso ergehen könnte.
Wow. Iran wird beeindruckt sein und unverzüglich neue Wahlen ansetzten....
4. Januar 2009
von Lisas Blog geklaut
4.1.09
Solidarität mit Israel!

Ari Shavit hat völlig Recht: „Die Operation ‚Gegossenes Blei’ ist eine intelligente, eindrucksvolle Operation“, schrieb er in der israelischen Tageszeitung Haaretz. „Das Überraschungsmoment war komplett, die Aufklärung der Geheimdienste war präzise, und das Timing war brillant. Die Tatsache, dass die Operation nach einer von der Hamas gebrochenen sechsmonatigen Waffenruhe gestartet wurde, gibt ihr politische Legitimität und moralische Rechtfertigung. Die Tatsache, dass sie sorgfältig geplant und ausgeführt wurde, hat ein Maß an Vertrauen in Israels Fähigkeiten wiederhergestellt.“ Seit dem Beginn von Gegossenes Blei vor acht Tagen wurden Hunderte von Terroristen getötet – darunter mehrere hochrangige Hamas-Führer –, Dutzende von Hauptquartieren und Munitionslagern zerstört sowie Tunnel gesprengt, durch die die Hamas Waffen und Munition geschmuggelt hatte. Am gestrigen Samstagabend haben die Verteidigungsstreitkräfte des jüdischen Staates ihre militärischen Aktivitäten intensiviert: Sie sind, unterstützt von der Marine, mit Panzerverbänden und Bodentruppen in den Gazastreifen vorgedrungen, um das Ziel der Operation – „einen direkten und harten Schlag gegen die Hamas auszuüben und die abschreckende Stärke der IDF zu erhöhen, um langfristig eine verbesserte und stabilere Sicherheitssituation für die Bewohner des südlichen Israels zu schaffen“ – besser und schneller zu erreichen.
Zugleich unternimmt Israel alles, um der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht mehr Leid zuzufügen, als es in einer solchen Situation unvermeidlich ist: Etwa 400 Lastwagenladungen mit rund 10.000 Tonnen medizinischen Versorgungsgütern und Nahrungsmitteln wurden bislang auf Anfrage von internationalen Organisationen, den palästinensischen Behörden und verschiedenen Regierungen in den Gazastreifen geliefert. In israelischen Krankenhäusern werden verletzte Palästinenser behandelt. Mit Flugblättern, Anrufen und Textnachrichten auf Mobiltelefone warnt die israelische Armee Bewohner und Nachbarn von Gebäuden, gegen die Luftangriffe geflogen werden sollen. Und die Hamas? Sie beschießt Israel weiterhin mit Raketen und droht mit suicide attacks. Sie richtet angebliche „Kollaborateure“ hin, teilweise sogar in Krankenhäusern. Sie deponiert Waffen- und Munitionsvorräte in Kellern von Wohnhäusern und Moscheen. Sie platziert Raketenwerfer auf den Dächern von Schulen und Krankenhäusern. Sie bombardiert also die israelische Zivilbevölkerung, sie nimmt die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschild und Geisel, und sie macht daraus auch gar keinen Hehl. Den sechsmonatigen „Waffenstillstand“, der nie einer war, hat sie vor allem dazu genutzt, ihr Waffenarsenal aufzufüllen und – mit tatkräftiger iranischer Unterstützung – Raketen zu entwickeln, die auch weiter entfernt liegende israelische Städte wie Ashdod und Beer Sheva erreichen können. Mittlerweile sind eine Million Israelis der Bedrohung durch Kassam- und Grad-Geschosse sowie Mörsergranaten ausgesetzt. Mehr als 4.000 davon wurden seit April 2001 aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert, die weitaus meisten nach dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen im August 2005.
Dass diese Tatsachen von den üblichen Verdächtigen ignoriert oder verdreht werden, war ebenso abzusehen wie der hemmungslose antisemitische Furor, der sich nun wieder auf zahllosen Demonstrationen, im Internet und in den Medien Bahn bricht. Der Wiener Politikwissenschaftler Stephan Grigat brachte es auf den Punkt: „Was auch immer Israel tut, es ist und bleibt in den Augen großer Teile der Weltöffentlichkeit Schuld an Elend und Zerstörung in der Region. Halten sich die israelische Armee und jüdisch-israelische Siedler im Gaza-Streifen auf, gelten sie als Besatzungsmacht. Ziehen sie sich zurück, errichten sie ‚das größte Gefängnis der Welt’. Reagiert Israel auf die permanenten Angriffe aus dem Gaza-Streifen mit Sanktionen oder wie jetzt mit Gegenschlägen, dreht es an der ‚Gewaltspirale’, reagiert ‚unverhältnismäßig’ oder setzt seine ‚Auslöschungspolitik’ fort. Nimmt es den andauernden Raketenbeschuss tatenlos hin, wird das ‚zionistische Regime’ in arabischen und iranischen Zeitungen als ‚zahnloser Papiertiger’ verhöhnt, der nicht mal seine eigene Bevölkerung schützen könne.“ Würde Israel nun jedoch keine konsequenten Schritte gegen die Hamas unternehmen, so Grigat, „wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die palästinensischen Moslembrüder über ein ähnliches Waffenarsenal verfügen würde wie der iranische Verbündete im Norden Israels: die Hizbollah“. Und noch einmal: „Die Hamas ist keine Organisation, die einen wie auch immer gearteten Kompromiss oder Ausgleich mit Israel anstrebt. Sie kämpft nicht für einen palästinensischen Staat an der Seite, sondern an der Stelle Israels. Und sie propagiert ganz offenen Antisemitismus.“
Sogar einige wenige europäische Politiker haben das inzwischen verstanden und positionieren sich auf der Seite des jüdischen Staates. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa sagte kürzlich, die Verantwortung für die jüngste Entwicklung liege „eindeutig und ausschließlich“ bei der Hamas. Und der tschechische Regierungschef Mirek Topolanek, seit wenigen Tagen EU-Ratspräsident, nannte den Vorstoß der israelischen Armee in den Gazastreifen „eher defensiv“, weil der Verteidigung dienend. Doch so wohltuend sich diese pro-israelischen Äußerungen von den geradezu obszönen, nur der Hamas dienlichen Rufen nach einem „sofortigen Waffenstillstand“ abheben, wie sie beispielsweise von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und aus verschiedenen europäischen Regierungen zu vernehmen sind: Sie sind bislang folgenlos geblieben. Ihre wirkliche Substanz muss aber an Taten gemessen werden, wie sie beispielsweise durch eine erhebliche finanzielle Unterstützung Israels oder durch kostenlose Waffenlieferungen an den jüdischen Staat gegeben wären. Das jedoch zieht offenbar auch Merkel nicht in Erwägung, die sich zudem mit heftigen Angriffen aus dem eigenen Regierungslager konfrontiert sieht.
Die israelische Regierung lässt sich jedoch weder von der antisemitischen Raserei noch vom Ausbleiben echter Unterstützung aus Europa das Handeln diktieren. Noch-Premierminister Ehud Olmert, Außenministerin Tzipi Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak haben deutlich gemacht, dass der israelische Staat das Leben seiner Bürger mit den erforderlichen Mitteln schützen und Kritik an seinen Maßnahmen in Kauf nehmen wird. Sie haben darüber hinaus wiederholt betont, dass kein politischer Souverän auf Dauer den Beschuss seines Staatsgebietes tatenlos hinnehmen kann. „Dass dies Israel aber zum Vorwurf gemacht wird“, analysierte Stephan Grigat treffend, „liegt daran, dass dieser Souverän als eine Art Jude unter den Staaten fungiert, auf den die anderen Souveräne ihre eigene gewaltsame Konstitution projizieren, während keineswegs nur deklarierte Antizionisten an ihm ihre antizivilisatorischen Ressentiments ausagieren“. Israels alternativloser Verteidigungskrieg gegen die Hamas ist auch ein Krieg gegen diese Ressentiments – und einer für zivilisatorische Mindeststandards, die mit der Hamas schlicht und ergreifend niemals zu haben sein werden.
http://www.lizaswelt.net/2009/01/solidaritt-mit-israel.html
Krisenregion Nahost
Die zwölf wichtigsten Antworten zum Gaza-Krieg
Die Kämpfe in Gaza sind die blutigsten in der Geschichte der autonomen Palästinensergebiete. Nach Palästinenser-Angaben wurden mindestens 520 Menschen getötet. Israel meldete seinen ersten toten Soldaten. Trotz der Flut der Bilder und Nachrichten bleiben viele Fragen offen. WELT ONLINE erklärt die Lage in der Region.

Am Nachmittag ruhen sich Soldaten auf der israelischen Seite der Grenze aus, behalten ihre Positionen aber bei.
1. Handelt es sich um einen Verteidigungskrieg Israels?
Luftangriffe und Bodeneinsatz der Israelis sind ausgelöst durch den andauernden Beschuss des Südens Israels durch Raketen der Hamas mit steigender Reichweite, die für die Menschen im Süden Israels das Leben zum alltäglich-tödlichen Würfelspiel machen. Was immer die historischen Ursachen in der langen Konfliktgeschichte des Nahen Ostens sind: Keine Regierung kann zulassen, dass die eigene Bevölkerung ohne Gegenwehr Tag und Nacht Tod und Bedrohung ausgesetzt ist. Israel handelt, rechtlich gedeckt durch Artikel 51 der Charta der UN, in Notwehr.
3. Welche Ziele verfolgt die Hamas?
Wer den Wolf nicht töten könne, solle ihn auch nicht am Schwanz ziehen, schrieb die ägyptische Zeitung „al-Ahram“ zum Verhalten der Hamas. Die Analogie ist deutlich: Mit ihrem andauernden Raketenbeschuss israelischer Städte hatte die Hamas jegliche Zurückhaltung aufgegeben und die Geduld und Kampfesunlust des israelischen Wolfes vollkommen falsch eingeschätzt. In der Führungsriege der Hamas hatte man wohl eher gehofft, durch die Raketenangriffe auf das israelische Grenzgebiet Härte der israelischen Angriffe den Druck erhöhen zu können, den Mitte Dezember ausgelaufenen Waffenstillstand zu besseren Bedingungen zu erneuern. Von der Härte der israelischen Reaktion war die Hamas Führung dann auch vollkommen überrascht. Nun will die Hamas der überlegenen Armee bei der Bodenoffensive heftige Verluste beibringen, um sich zum Sieger zu stilisieren und so ihre Versagen als Ordnungsmacht in Gaza vergessen zu machen. International geht es der Hamas darum, die Friedensverhandlungen Israels mit Syrien zu stoppen.
4. Ist der Krieg der Bilder zu gewinnen?
Wahrscheinlich nicht für Israel, obwohl gegenüber früheren Kriegen die Web-Präsenz sehr viel stärker wurde. Hamas will durch das Leiden moralische Überlegenheit beweisen. Bilder toter Kinder und Frauen sollen beweisen, Israel führe Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Deshalb richten die religiösen Fanatiker ihre Depots und Feuerstellungen , in Wohnhäusern, Schulen, Krankenhäusern, ja sogar Moscheen ein. Hier Angriffe zu fliegen und erfolgreich Hamas zu schwächen, bedeutet zu gleich moralische Kosten einzugehen. Um dies zu verhindern, warnt die israelische Luftwaffe per SMS oder Flugblatt die Bevölkerung vor Angriffen. Die Hamas manövriert durch diese Strategie auch die Regierungen der sunnitisch-konservativen Staaten in eine Zwangslage. Denn sie fürchten die überstaatliche Muslim-Bruderschaft in ihrer Doppelgestalt als Wohltätigkeitsorganisation und religiös-soziale Revolutionsbewegung. Unvergessen ist, dass der Vorgänger des ägyptischen Präsidenten, Anwar al-Sadat, dem Attentat eines jungen Offiziers, der Muslim-Bruder war, zum Opfer fiel. Es herrscht abgründiges Misstrauen.
5. Warum reagiert die arabische Welt so verhalten?
Die Zerstrittenheit der Palästinenser untereinander gehört zu den Gründen, warum die Regierungen in Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien in ihren Erklärungen zu den israelischen Luftangriffen zunächst sehr zurückhaltend reagierten. Als sie dann allerdings fürchteten, der Zorn der arabischen Straße würde der Geheimpolizei außer Kontrolle geraten, wurden die öffentlichen Erklärungen und die Kritik an Israel schärfer. Ähnlich verhielt sich Mahmud Abbas, Präsident der „Palästinensischen Administration“ in der Westbank. Er hat das Massaker der Hamas an seinen Fatah-Leuten vor zwei Jahren nicht vergessen. Zunächst hatte er mit kaum verhohlener Schadenfreude angedeutet, die Hamas bekäme nun von Israel, was sie verdiene. Dann musste er unter dem Druck der Straße Sympathie heucheln. Für ihn ist die Lage besonders schwierig, weil seine Amtszeit als Präsident aus Hamas-Sicht am 9.?Januar endet, aus Sicht der Fatah ein Jahr später.
6. Warum ist Gaza ein gescheiterter Staat?
Alle Welt – einschließlich der EU, die viele Millionen Euro an Hilfsgeldern bereitgestellt haben – stellt sich die Frage, warum sich die Lebensbedingungen in Gaza nicht verbessert haben in den vergangenen zwei Jahren. Nach dem vollständigen Abzug der Israelis im August 2005 hatte die Koalition, die anfangs noch Hamas und Fatah verband, jede Chance, mit Hilfe der gesamten Welt einen arabischen Musterstaat aufzubauen. Stattdessen wurde die Fatah des früheren Führers Arafat ausgeschaltet, ein Schreckensregime errichtet, der Kampf bis zur Vernichtung gegen Israel erklärt. Mit der Machtergreifung der Hamas im Sommer 2007 verhängte Israel eine Warenblockade. Die Tunnelverbindungen an der Südgrenze zu Ägypten erlaubten Schmuggel von Waffen wie Lebensmitteln und Medikamenten. Elektrizität und Wasser lieferte Israel, wie auch gegenwärtig weiterhin eine humanitäre Notversorgung. Es war der israelische Außenminister Aba Eban, der einmal sagte, die Palästinenser verfehlten selten eine Chance, eine Chance zu verfehlen.
7. Hält die Gesellschaft Israels dem Druck stand?
Israelis teilen die Geschichte ihres Lebens ein nach den Kriegen, die sie überlebten, den Freunden, die sie verloren, und den Ängsten, die sie überstanden. Israel ist so klein, dass kein Tod anonyme Ziffer bleibt: Jeder kennt einen oder eine, die gefallen ist. Die Gefangennahme des Soldaten Gilad Schalit durch Hamas hat vor zwei Jahren die Nation aufgestört und solidarisiert. Die Heimführung der sterblichen Überreste Gefallener ist nationale und religiöse Selbstverständlichkeit. Die Kriege verbinden, und zugleich trennen sie: Es gehört zur politischen Kultur Israels, dass noch in jedem der jüngsten Kriege große Demonstrationen dagegen stattfanden. Die Gefahr verbindet, wie das Trauma alter Verfolgung. Aber zugleich gibt es die Frage der kleinen Jungen, ob auch sie im Krieg sterben müssen, und die Antwort der Eltern, die Rückversicherung in einer zweiten Staatsangehörigkeit, in Besitz im Ausland, in ferner Verwandtschaft suchen.
8. Ist Gaza durchweg radikalisiert oder Geisel der Hamas?
Es klingt unwahrscheinlich, aber beides ist gleichermaßen wahr. Die Hamas hat in den vergangenen zwei Jahren nicht nur die Fatah-Anhänger ausgeschaltet, sondern auch mächtige Familien entmachtet und gedemütigt und einzelne junge Männer mitunter öffentlich hingerichtet. Kritische Meinungsäußerungen sind kaum geduldet. Der Vorwurf, es mit dem israelischen Feind zu halten, führt ins Gefängnis, das in der Vergangenheit oftmals der einzig sichere Ort war, der die Beschuldigten vor der sofortigen Massakrierung rettete. Armut und Arbeitslosigkeit, Fanatismus und Abenteuerlust treiben die jungen Männer – und neuerdings oft auch junge Frauen – als Lebenszweck dem Tod zu.
9. Ist Frieden im Nahen Osten möglich?
Möglich schon, aber nicht wahrscheinlich. Denn jeder sucht seinen eigenen Frieden, und die Landkarte, die Religion, die Lebensform schließen einander aus. Stabilität wäre schon viel, Verzicht auf die Vernichtungsdrohung. Die Mehrheit der Israelis würde, nicht anders als die Mehrheit der befragten Palästinenser, auf Krieg und Leid und Heldentum verzichten.
10. Besteht Hoffnung auf eine Zweistaaten-Lösung?
Für die Palästinenser gilt, dass die arabische Welt ihren Konflikt bis heute ausnutzt, um Tyranneien zu rechtfertigen, und die Flüchtlinge von 1948 und 1967 zumeist nicht integriert. Die Forderung nach Rückkehrrecht aller Flüchtlinge einschließlich ihrer Nachfahren – die Zahlen gehen an die 4,5 Millionen – würde Israel als jüdischen Staat zerstören, es wäre der Anfang vom Ende. In Israel wusste jede Regierung in den vergangenen 30 Jahren, dass die Siedlungen jenseits der Grenzen von 1949/67 ein wachsendes Hindernis sein würden auf dem Weg zum Kompromiss. Zwei Nationen in einem Land: Das ist für Israelis und Araber mit israelischem Pass schwer genug. Für Israelis und Palästinenser ist es nur denkbar in zwei Staaten – eine politische Scheidung. Das wäre die nächste Annäherung an Frieden, die denkbar ist.
11. Welche Rolle spielen UN, USA, EU und Russland?
Das Gute am Nahost-Quartett ist, dass es überhaupt existiert und ein Forum schafft, in dem USA und Russland, die UN und die EU Kollisionen untereinander verhindern können. Dass sie am grünen Tisch eine Lösung ausarbeiten, nachdem schon die „Roadmap“ – Ende der palästinensischen Terrors, Einfrieren der Siedlungen, und dann weiter – so offenkundig gescheitert ist, ist schwer denkbar, obwohl angesichts der Gaza-Krise dringend geboten. Obamas Nahost-Team ist kompetent, und er hat nicht den Ehrgeiz Bill Clintons, durch Mikromanagement die Probleme zu lösen, noch die Nonchalance des Nachfolgers George W. Bush, den Konflikt lange sich selbst überließ.
12. Sind die Palästinenser ein tragisches Volk?
Nicht von Geburt an, aber auch nicht ohne eigene Schuld. Seit dem Jahr 1948, dem Ende des britischen Mandats Palästina, haben die Palästinenser auf ihre Mit-Araber gesetzt, auf Widerstand und Gewalt, dann auf Intifada und Selbstopfer und auf den listenreichen Arafat, den sie zuerst in den Zeiten des Terrors für ihren Retter hielten und dann, in den Zeiten des Oslo-Prozesses, für ihren Erlöser. Die Israelis fanden für den Frieden mit Ägypten Sadat, für den mit Jordanien König Hussein. Aber für den Frieden mit den Palästinensern fehlte es an ihresgleichen, als Itzhak Rabin, General und Regierungschef, die Kraft aufbrachte zum Verzicht. So ist die Tragik der Palästinenser auch die Tragik der Israelis.
http://www.welt.de/politik/article2970000/Die-zwoelf-wichtigsten-Antworten-zum-Gaza-Krieg.html
Operation Gegossenes Blei
Verhältnismäßigkeiten
Eigentlich wollte ich ein dezidiert unpolitisches Reisetagebuch schreiben, doch die Realität des Krieges holt einen dann doch wieder ein. Gestern begann Israel mit dem zweiten Teil der Operation "Cast Lead", mit dem Einsatz von Bodentruppen gegen Einrichtungen der Hamas im Gazastreifen. Die Armee hat mehrere Tausend Reservisten eingezogen, darunter Leute, die ich kenne, Freunde von Freunden. Doch eigentlich sollte das für die Beurteilung des Konflikts keine Rolle spielen. Ich verstehe die Leute nicht, die darüber jammern, wie unübersichtlich die Lage sei und wie schwer es sei, sich ein Urteil zu bilden. So schwer ist es nämlich nicht, sich ein Urteil zu bilden, wenn man denn wirklich bereit ist, sich um ein Verständnis der Situation zu bemühen. Auch von einem rein objektiven Standpunkt aus, sollte es den geben, müßte es eigentlich vollkommen klar sein, wer in diesem Krieg der Aggressor ist.
Denn der gesunde Menschenverstand müßte einem sagen: Wenn die Hamas nicht in den letzten acht Jahren Tag für Tag Raketen auf Israel abgefeuert hätte, wenn sie nicht ständig neue Waffen zu eben diesem Zweck aus dem Iran, aus Rußland und aus China in den Gazastreifen geschmuggelt hätte, wenn sie die Reichweite ihrer Raketen nicht Jahr um Jahr weiterentwickelt hätte, so daß sie heute ein Gebiet bedroht, in dem eine Million Israelis leben, dann hätte Israel auch keinen Grund, sich zur Wehr zu setzen.
Daher habe ich auch kein Verständnis für manche meiner Journalistenkollegen, die objektive Berichterstattung mit moralischer Neutralität verwechseln und sorgsam bemüht sind, für keine Seite Partei zu ergreifen. (Meist kommt unterm Strich dann doch heraus, daß die Israelis die Bösen sind.) Haben nicht beide Seiten den Waffenstillstand verletzt? Sind die Israelis nicht viel stärker? Was ist mit der Besatzung? Ist Israels Reaktion nicht unverhältnismäßig?
Den seit Juni herrschenden "Waffenstillstand", den die Hamas keinen Tag lang eingehalten hat, hat die israelische Seite mit einer Engelsgeduld ausgesessen, die kein anderes Land der Erde in einer vergleichbaren Situation an den Tag gelegt hätte. Wenn die eine Seite - die Hamas - den Waffenstillstand bricht, könnte man der anderen nicht vorwerfen, wenn sie sich ebenfalls nicht mehr daran gebunden fühlte. Und dennoch hat Israel während des Waffenstillstands, der am 19. Dezember auslief, stillgehalten.
Und wogegen kämpft die Hamas eigentlich? Israel hat sich 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen, hat sämtliche israelischen Siedler evakuiert. Es gibt keine israelische Besatzung im Gazastreifen mehr. An der miserablen Situation der Palästinenser in Gaza sind die Israelis nicht schuld - wohl aber die Hamas, die die immensen internationalen Hilfsgelder, die sie erhält, nicht etwa für den Ausbau der Infrastruktur, für das Bildungssystem oder die medizinische Versorgung der Bevölkerung verwendet, sondern ausschließlich für Waffen, Waffen und noch mehr Waffen. Und dennoch genießt die Hamas irrsinnigerweise weiterhin Rückhalt in der Bevölkerung. Auch eine Folge der - selbstverursachten - Bildungsmisere in den Palästinensergebieten. Wogegen also kämpft die Hamas? Was ist ihr Anliegen? Was sind ihre Ziele? Was wirft sie Israel vor? Liegt der Gedanke wirklich so fern, daß es ihr ausschließlich um das Töten von Israelis, von Juden geht, ganz unabhängig von deren Verhalten?
Und immer wieder hört man den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit. Sind doch durch die Operation "Cast Lead" mehr Palästinenser gestorben als Israelis durch die Raketen der Hamas. In einem brillanten Artikel für die Jerusalem Post (31. Dezember 2008) hat der frühere israelische UN-Botschafter Dore Gold dieses Argument zerpflückt. Verhältnismäßigkeit bedeute im Internationalen Recht, schreibt Gold, nämlich keineswegs, daß die angegriffene Seite nur mit den gleichen Waffen zurückschlagen darf. "Nach Internationalem Recht ist Israel nicht verpflichtet, exakt die gleiche Waffenkraft einzusetzen, die der Gegner verwendet. Israel ist nicht verpflichtet, Kassamraketen zu bauen und sie in den Gazastreifen zu schießen." Der Angegriffene hat das Recht, die Aggression zu beenden - mit den Mitteln, die dazu notwendig sind. Zivilisten dürfen nicht absichtlich ins Visier genommen werden. Aber genau das, betont Gold, hat Israel auch nicht getan. Es hat Einrichtungen der Hamas - Hauptquartiere, militärische Trainingslager, Tunnel für den Waffenschmuggel - bombardiert und eben nicht gezielt Wohngebiete.
Wenn die Hamas derartige Einrichtungen absichtlich in Wohngebiete verlegt, um die dort lebenden Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu mißbrauchen, wenn sich Hamas-Führer feige in Krankenhäusern verstecken, weil sie auf die Skrupel der Israelis vertrauen, die ihnen selbst fremd sind - dann sind sie es, die sich völkerrechtswidrig verhalten, denn laut Genfer Konvention, Art. 58 a-c, sind die Konfliktparteien verpflichtet, Zivilpersonen im Kriegsfall von militärischen Einrichtungen fernzuhalten, solche Einrichtungen gar nicht erst in der Nähe von dicht bevölkerten Wohngebieten zu errichten und auch sonst alle erdenklichen Maßnahmen zu unternehmen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. All dies hat die Hamas nicht nur nicht getan, sondern von all dem das völlige Gegenteil. Sie versteckt sich in Wohngebieten und benutzt Kinder als menschliche Schutzschilde.
Und so erklären sich dann auch die unterschiedlichen Todeszahlen auf beiden Seiten. Während Israel alles tut, um seine Bürger zu schützen, indem es Bunker baut und Frühwarnsysteme errichtet, ist der Hamas daran gelegen, möglichst viele Märtyrer zu produzieren und der weltweiten Medienöffentlichkeit Bilder getöteter Kinder zu präsentieren. Was treibt den um, der diesen Unterschied Israel zum Vorwurf macht?
Der Philosoph Michael Walzer schrieb 2006: "Wenn palästinensische Terroristen Raketen aus Wohngebieten abfeuern, dann sind sie es, die für getötete Zivilisten durch israelische Gegenschläge verantwortlich sind - und niemand sonst."
An dieser Stelle gehe ich mittlerweile direkt zur Offensive über. Wenn mir jemand entgegenhält, daß man die Unverhältnismäßigkeit doch schon daran erkenne, daß viel mehr Palästinenser als Israelis getötet wurden, begegne ich ihm mit der Frage, wie viele tote Juden er sich denn wünsche, damit Verhältnismäßigkeit hergestellt sei.
30. November 2008
19. November 2008
18. September 2008
:-D
Fragt der Sachse:
"Aus was isn där?"
Antwortet der Schwabe:
"Aus Guscheise." -
"Wie, und das hält?"
16. September 2008
the gentle giant
http://de.wikipedia.org/wiki/Israel_Kamakawiwo%27ole
26. August 2008
Warum Busch die Welt sicherer gemacht hat:
URL: http://www.welt.de/politik/arti2366611/Warum_Bush_die_Welt_sicherer_gemacht_hat.html
15. August 2008, 12:15 Uhr
Von Edward Luttwak
Gast-Kommentar
Warum Bush die Welt sicherer gemacht hat
"Entweder ihr seid für uns oder für den Terrorismus" – über diese Haltung von George W. Bush machten sich viele lustig. Zu Unrecht, findet der Ex-Berater des US-Verteidigungsministers, Edward Luttwak. Er erklärt, warum der US-Präsident mit seiner Außenpolitik keinesfalls gescheitert ist.
Dass George W. Bush mit seiner Außenpolitik gescheitert ist, ist für viele mittlerweile so selbstverständlich, dass man darüber nicht mehr diskutieren muss.So etwas geschieht nicht zum ersten Mal in der Geschichte der USA. Als Präsident Harry S. Truman im März 1952 ankündigte, dass er nicht noch einmal kandidieren würde, waren sich die meisten Amerikaner in einem einig: dass seine Außenpolitik katastrophal gescheitert war. Seine Unentschiedenheit hatte in Korea den Krieg mit ausgelöst. Anschließend kostete seine Inkompetenz in nur zwei Jahren militärischer Auseinandersetzung rund 54 000 Amerikaner sowie Millionen koreanischer Zivilisten das Leben - das sind mehr als zehn Mal so viele Tote wie im Irak.Die Rechtskonservativen schmähten Truman, weil er China den Kommunisten überlassen hatte und weil er den großen General Douglas MacArthur entließ, der China hatte zurückgewinnen wollen - mit Atomraketen, wenn nötig. Die Liberalen verachteten Truman, weil er, der gescheiterte Kaufmann, das Weiße Haus des Patriziers Franklin Roosevelt an sich gerissen hatte. Die Liberalen waren schon immer die Snobs der US-Politik.
Auch im Ausland war Truman verhasst. Viele glaubten den Kommunisten, die ihm vorwarfen, er habe "bakteriologische Kriegsführung" betrieben, um koreanische Kinder zu töten und die chinesische Ernte zu vernichten. Ein 669-seitiger Bericht, der von einer Kommission unter dem Vorsitz des angesehenen britischen Biochemikers Joseph Needham verfasst wurde, bestärkte sie noch darin. Und noch mehr Menschen waren der Ansicht, Truman habe den Kalten Krieg ausgelöst, als er versuchte, unseren mutigen sowjetischen Verbündeten einzuschüchtern.Wie aber konnte es dazu kommen, dass derselbe Harry Truman als bedeutender Präsident in Erinnerung geblieben ist - und das gerade wegen seiner Außenpolitik? Es ist alles eine Frage der zeitlichen Perspektive: Der Koreakrieg ist fast in Vergessenheit geraten, aber Trumans Containment-Politik gilt bis heute als erfolgreich und endete mit dem nahezu unblutigen Umbruch in der Sowjetunion.Damit George W. Bush nach dem trumanschen Muster als bedeutender Präsident in Erinnerung bleibt, muss also erst der Irak-Krieg in Vergessenheit geraten. Auf den schnellen Sturz Saddam Husseins folgten im Irak Jahre der Gewalt statt der versprochenen Demokratisierung. Es war ein unverzeihlicher Fehler zu glauben, die von Imamen gegängelten Iraker würden sofort demokratische Verhältnisse einführen: Bevor er in ein Land einmarschieren lässt, sollte ein US-Präsident schon wissen, ob dies im Mittleren Osten oder in Skandinavien liegt.Doch der kostspielige Irak-Krieg muss als ein Nebenkriegsschauplatz in der globalen Offensive Bushs gegen militante Islamisten verstanden werden - genauso, wie der kostspielige Korea-Krieg ein Nebenkriegsschauplatz der globalen Containment-Politik des Kalten Krieges war.Denn die Antwort Bushs auf den 11. September war nichts anderes als ein weltweiter Angriff auf die Ideologie der militanten Islamisten. Zwar waren die Antiterroroperationen nur bedingt erfolgreich, und auch die Zukunft Afghanistans liegt weiter im Dunkeln - im Krieg der Ideologien allerdings hat Präsident Bush einen spektakulären Sieg errungen. Einen dazu, der noch gar nicht als solcher erkannt worden ist - obwohl wir alle Zeugen waren.
Militante Islamisten und die arabische Welt
Bis zum 11. September erfreuten sich militante Islamisten, gewalttätige Dschihadisten jeglicher Couleur, von al-Qaida bis zu gänzlich unabhängigen Gruppen, großer offener oder stillschweigender Unterstützung in der muslimischen Welt. Von Marokko bis Indonesien beschwichtigten Regierungen die militanten Islamisten durch Zugeständnisse und ermutigten sie gleichzeitig, ihre gewalttätigen Aktivitäten im Ausland zu konzentrieren. Manche, wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), bezahlten militante Prediger und bewaffnete Dschihadisten. Die Saudis finanzierten zudem extremistische Schulungszentren in einer ganzen Reihe von Ländern, darunter auch den USA und Großbritannien. Sie zahlten die Gehälter Tausender militanter Prediger und stellten den Dschihadisten im Kaukasus, in Pakistan und einem Dutzend weiterer Regionen Schecks aus (bloß nicht Osama Bin Laden, der war ihr erklärter Feind).Wie wir heute aus verlässlicher Quelle wissen, haben die Führer der Emirate, die mittlerweile nur noch über ihre Airlines und Banken reden, das Geld gleich säckeweise an Osama persönlich ausgehändigt. Sie trafen ihn auf dem Flugfeld von Kandahar, wohin sie geflogen waren, um bedrohte Tierarten zu jagen. Saudi-Arabien und die Emirate waren auch die einzigen Länder gewesen, die neben Pakistan die Taliban als rechtmäßige Herrscher Afghanistans anerkannt hatten. Andere muslimische Regierungen, hauptsächlich die sudanesische, die syrische und die jemenitische, unterstützten Dschihadisten, indem sie ihnen Pässe ausstellten und Zuflucht gewährten.
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Andere Länder, darunter auch Indonesien, ignorierten über lange Zeit islamistische Indoktrinationen und die Rekrutierungsbemühungen der Dschihadisten. Mit der Ausnahme von Algerien und Ägypten zogen es alle muslimischen Staaten vor, ihren Frieden zu machen mit militanten Predigern und Dschihadisten. Pakistan tat noch viel mehr als das: Sein Geheimdienst ISI bewaffnete und trainierte sowohl die Taliban in Afghanistan als auch Tausende "Heiliger Krieger", die indischen Zivilisten, Polizisten und Soldaten in Kaschmir und andernorts nach dem Leben trachteten.All diese Entwicklungen kamen nach dem 11. September zu einem abrupten Stillstand.Allerorten machte sich die intellektuelle Schickeria über die kompromisslose Haltung Bushs – "Entweder ihr seid für uns oder für den Terrorismus" – lustig. Aber dieser "Cowboytrick", wie viele das nannten, zeigte Wirkung. Muslimische Regierungen änderten rasch ihren Umgang mit den Islamisten.Manche verboten einheimische Dschihadistengruppen, die sie zuvor lange toleriert hatten, sie brachten extremistische Prediger zum Schweigen und ließen keine ausländischen Dschihadisten mehr ins Land. Andere leugneten zunächst alles ab. Der saudische Innenminister Prinz Nayef bin Abdul Asis bestritt erst einmal, dass die Terroristen des 11. September Araber oder gar Saudis gewesen seien, während die Prinzen der Emirate vorgaben, noch nie von Osama Bin Laden gehört zu haben.Aber das Leugnen hielt nicht lange an. Als sie sahen, wie US-Spezialeinheiten und Langstreckenbomber die Taliban-Truppen zerschlugen, übernahmen die Saudis Verantwortung für die von ihnen finanzierte Verbreitung des Extremismus. Eine qualvolle Neubewertung der wahabitischen Form des Islam ist bis heute nicht abgeschlossen. Der saudische König hat eine interreligiöse Konferenz mit Muslimen, Christen und Juden zusammengerufen - ein gewagter Schritt, ist Wahabiten doch jegliche Freundschaft mit Nichtmuslimen steng verboten.Mit Bin Laden waren die Saudis zwar schon lange verfeindet, aber erst jetzt fingen sie an, seine Unterstützer aktiv zu verfolgen und reiche Saudis davon abzuhalten, Dschihadisten im Ausland zu finanzieren. Mehr als 1000 Saudis wurden verhaftet, Dutzende kamen zu Tode, als sie sich ihrer Festnahme widersetzten. Saudische Banken sind heute angehalten zu prüfen, ob Auslandsüberweisungen an muslimische Organisationen gehen, die auf der Liste terroristischer Vereinigungen stehen.
Viele muslimische Länder stellten sich auf die Seite der USA
Andere Regierungen muslimischer Länder bis hin zu Indonesien stellten sich auf die Seite Bushs und der USA und bezogen Position gegen die Dschihadisten - obwohl der Heilige Krieg gegen die Ungläubigen vielerorts als muslimische Pflicht verstanden wird. Islamisten und Dschihadisten erlitten quasi über Nacht einen katastrophalen Ansehensverlust. Anstatt bewundert, respektiert oder wenigstens geduldet zu werden, mussten sie sich auf einmal verstecken, mussten fliehen oder aufgeben. Die Zahl ihrer Unterstützer begann zu schrumpfen. Die Zahl terroristischer Anschläge außerhalb der Kriegszonen von Afghanistan und Irak sinkt beständig. Extremistische Koranschulen haben es nahezu überall vorgezogen, ihre Lehren abzumildern, um eine Schließung zu verhindern. In Indonesien, dem größten muslimischen Land, verurteilt die führende Imamvereinigung alle Gewalt, ohne jede Ausnahme.
In Pakistan allerdings erzwang George W. Bush die dramatischste politische Wende. Er sagte: "Mit uns oder gegen uns", und er meinte es ernst. Präsident Musharraf stand vor einer schwierigen Entscheidung: an der Seite der USA die Taliban zu bekämpfen, die Pakistan selbst geschaffen hatte, oder selbst zerstört werden. Musharraf traf die richtige Entscheidung, indem er die Waffenlieferungen an die Taliban unterband, das Flugfeld von Shahbaz für US-Flugzeuge öffnete und dem US-Militär uneingeschränkte Überflugrechte gewährte.Musharraf setzte auch die bärtigen Extremisten, die lange Zeit den pakistanischen Geheimdienst ISI gelenkt hatten, ab. Er begann mit dem Chef, Mahmud Ahmed, der kurz nach dem 11. September seinen Dienst quittieren musste und durch den moderaten Ehsanul Halqas ersetzt wurde.Weniger leicht hingegen war es für Musharraf und seine Gefolgsleute, die versteckten, glatt rasierten Extremisten im ISI auszumachen und zu entlassen, die immer noch die Taliban unterstützen.Was sich in den 24 Stunden nach dem 11. September in Pakistan ereignete, war etwas, was die Welt noch nicht gesehen hatte: die Umkehrung der wichtigsten politischen Agenda des Landes – die Unterstützung des Dschihad –, die aus dem Nationalmythos Pakistans als muslimischem Staat par excellence abgeleitet worden war. Es war, als ob Präsident George W. Bush einen Gesandten nach Italien geschickt hätte, um Spaghetti mit Tomatensoße verbieten zu lassen – und damit Erfolg gehabt hätte.
Trotzdem hört man heute gewöhnlich gut informierte Menschen beiläufig bemerken, dass Bushs Krieg gegen den Terror gänzlich gescheitert sei. Dies ist mehr als nur ein politisches Vorurteil. Dabei ist es doch inzwischen offensichtlich, dass der 11. September bloß der Auftakt zu einem lang andauernden, weltweiten "Heiligen Krieg" sein sollte.Das hätte al-Qaida allein nie bewerkstelligen können. Aber die Zerstörung der Zwillingstürme inspirierte Tausende junger Muslime, islamistische Moscheen zu besuchen und den Dschihadisten ihre Dienste anzubieten. Denn der Koran verheißt zwar den Gläubigen ausdrücklich den Sieg auf allen Fronten, in der Realität aber fühlten sich die Muslime vom Westen unterdrückt. Daraus wuchsen quälende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Islam selbst. Die Fernsehbilder vom 11. September wurden zum Symbol der Überwindung dieser Zweifel, brachten nicht nur die glücklosen Palästinenser, sondern auch die verwestlichten, wohlhabenden, Wein trinkenden Tunesier dazu, mit Freudentränen in den Augen zu feiern, und machten Bin Laden zum ersten panislamischen Helden seit Saladin. Die Zerstörung der Zwillingstürme war daher der denkbar lauteste Ruf zu den Waffen. Doch die globale Mobilmachung der Dschihadisten wurde gestoppt, bevor sie überhaupt wirksam werden konnte - durch alles, was Bush in Gang setzte: durch die Zerstörung der Al-Qaida-Trainingslager in Afghanistan, die Tötung oder Gefangennahme der meisten ihrer Akteure und vor allem durch den Kurswechsel der muslimischen Regierungen.Der Einfluss des Dschihadismus beschränkt sich seitdem im Großen und Ganzen auf den Irak und die Grenzregionen Pakistans.Anschläge gegen westliche ("christliche") Ziele sind seit dem 11. September rar geworden. Kein einziger Anschlag fand in den USA selbst statt, und nur eine Handvoll in Europa. Es wäre anders gekommen, hätte ein weniger entschlossener, ein weniger selbstbewusster Präsident im Weißen Haus regiert. "Ihr seid für uns oder für den Terrorismus" war der richtige Slogan und die richtige Strategie. Das Chaos, das nach dem Sieg im Irak ausgebrochen war, kann man im Vergleich damit vernachlässigen.
Bush hat auch zur atomaren Abrüstung beigetragen
Bushs Kritiker müssen darüber hinaus auch noch mit einem anderen großen Erfolg fertig werden - der atomaren Abrüstung. Sie begann 2003 mit Libyen, das, aus Angst vor dem, was Bush hätte tun können, seine gesamte Ausrüstung aufgab, die es gekauft hatte, um Atomwaffen herzustellen. Syrien verlor seinen geheimen protonuklearen Reaktor durch einen israelischen Luftangriff im vergangenen September - der mit Bushs Einverständnis stattfand. Das Ende des nordkoreanischen Atomprogramms zeichnet sich ebenfalls endlich ab. Diese Entwicklung könnte sich fortsetzen, wenn Bushs Nachfolger den Druck auf Pjöngjang aufrechterhält.
Erst kürzlich haben sich die USA direkt in die Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm eingeschaltet. Wie immer war zuvor die europäische Diplomatie komplett gescheitert. Während die E 3 - Großbritannien, Frankreich und Deutschland - redeten und redeten, baute Iran munter weiter an seinem Programm und brüstete sich später damit, die Europäer ausgetrickst zu haben. Nun aber kommt diese Angelegenheit zu einem Ende. Bush bot den Iranern großzügige Belohnung für den Stopp der Urananreicherung und den Abbau einiger Anlagen an. Das Angebot entspricht zwar exakt dem der Europäer. Der Unterschied liegt darin, dass die unterschwellige Drohung Bushs - "oder wir behalten uns andere Maßnahmen vor" - dem Angebot einen ganz anderen Nachdruck verlieh.
Dank Bush sind Bau und Verbreitung von Atomwaffen entscheidend verringert worden. Nicht zuletzt im Irak. Denn Saddam hatte die Absicht, sein Atomprogramm nach dem Ende des UN-Embargos 2004 fortzusetzen. Ohne den Irak-Krieg hätten wir es heute nicht nur mit einem iranischen, sondern auch einem irakischen Atomprogramm zu tun ...
Doch nicht genug damit, dass George W. Bushs Erfolge in der Außenpolitik (seine Steuerpolitik steht auf einem anderen Blatt) unterschätzt werden. Auch was die Zukunft der USA selbst anbelangt, liegen derzeit viele Intellektuelle falsch. Eine nicht endende Reihe von Büchern prophezeit den Niedergang der Vereinigten Staaten - das jüngste ist Fareed Zakarias "The Post-American World". Bushs vermeintliches Fehlmanagement wird dabei nur allzu gern zur Ursache für den schwindenden Einfluss der USA erklärt. Hier wird absoluter und relativer Wandel verwechselt. Die Volkswirtschaften Chinas und nun auch Indiens sind stark gewachsen, seit ihre Regierungen den selbstzerstörerischen politischen Kurs aufgegeben haben. Brasilien und viele kleinere Länder von Israel bis Singapur tun dasselbe.
Dies hat zu einer Verringerung des relativen Wohlstands der USA und Europas geführt, während es sie gleichzeitig in großem Maße bereichert hat. Es ist bereichernd, neue Märkte zu erschließen, die amerikanische und deutsche Technologien und europäische Luxusgüter importieren. Und es ist ebenfalls bereichernd - wenn auch in anderer Weise - zu wissen, dass Hunderte Millionen Menschen dem Elend und Schmutz entkommen, sozialen Aufstieg erleben, wenn nicht gar echten Wohlstand erlangen. Der relative statistische Niedergang der Einkommen in den USA und in Europa hat substanziell keine negative Bedeutung - es sei denn, die Wirtschaftskraft von heute würde tatsächlich die militärische Kraft von morgen und richtete sich gegen die USA und Europa. Es ist jedoch absurd anzunehmen, dass sich China, Indien, Brasilien und der Rest der schnell wachsenden Volkswirtschaften gegen die USA und Europa verbünden würden. Das Gegenteil ist weitaus wahrscheinlicher.
China ist seit Jahrzehnten ein Verbündeter der USA. Verfeindet waren sie lediglich zwischen 1950 und 1953. Die Beziehungen zwischen Indien und den USA waren 1971, während des indisch-pakistanischen Kriegs, gespannt. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch sind beide Länder wieder enger zusammengerückt.
Die Vorstellung, China sei mit dem wilhelminischen Deutschland zu vergleichen und warte nur darauf, seinen neuen industriellen Wohlstand in militärische Macht zu verwandeln, würde nur Sinn ergeben, wenn die Chinesen Preußen wären, die sich voll und ganz dem Staatsdienst verschrieben hätten und sich danach sehnten, ihre Söhne in den Krieg zu schicken. Doch so sind die Chinesen nicht und waren es auch niemals. Das chinesische Reich war nur in der Yuan- und in der Qing-Dynastie auf äußerst aggressivem Expansionskurs. Aber die eine wurde durch berittene Mongolen begründet, die andere durch berittene Manchus, beide das Produkt ausländischer Kriegerkulturen. Die Han-Chinesen haben andere Interessen.
Aber was auf die Schwellenländer zutrifft, gilt nicht für Öl fördernde Länder wie Russland, Saudi-Arabien, Iran und Venezuela. Deren wachsender Reichtum ist tatsächlich unser Verlust, weil wir alle die luxuriösen Spielereien der Ölpotentaten und Oligarchen finanzieren. Anders als China oder Indien produzieren die Ölstaaten nichts - das Öl, auf dem sie sitzen, wird in der Regel von ausländischen Firmen gefördert, verarbeitet und verschifft. Außerdem sind diese Länder häufig ganz undemokratisch. Würden sich China, Indien, Brasilien und der Rest der hart arbeitenden Welt wie die parasitischen Ölstaaten benehmen, läge die Zukunft der USA tatsächlich im Dunkeln ...
Doch wenn die Finanzsysteme der USA und Europas unter der kolossalen Anhäufung privater Schulden ächzen, wenn der Kurs früher als sicher geltender Bankaktien über Nacht einbricht, wenn die Glaubwürdigkeit und der Wert des US-Dollars ins Wanken geraten, weil das US-Finanzministerium Garantien in bisher ungekanntem Ausmaß übernehmen muss - dann gewinnt die These vom Niedergang der USA eine gewisse Plausibilität.
Es ist offensichtlich, dass der Rest der Welt aufholt und dass in Moskaus Straßen jede Menge Geld ausgegeben wird, während die politische Macht weiterhin im Kreml konzentriert ist.
Es ist ebenfalls offensichtlich, dass die Vorbehalte gegen pragmatische Lösungen für die Schlüsselprobleme des Landes - den Drogenhandel, die fehlenden öffentlichen Verkehrsmittel und das Gesundheitswesen - den immensen Wohlstand der USA gefährden. Das sind die echten Probleme der USA. Und die Niedergangsliteratur trägt dazu wenig Erhellendes bei. Die wirklich interessante Frage ist, ob Amerika gezwungen sein wird, seine nationalen Probleme zu lösen, oder ob die Amerikaner es vorziehen, sie einfach durch Wachstum zu entschärfen. Ersteres wäre wünschenswert, Letzteres ist jedoch wahrscheinlicher. Die Tür für außerordentliches innovatives Wachstum steht nach wie vor weit offen, und es gibt starke Anzeichen dafür, dass ein weiterer Boom gerade seinen Anfang nimmt - im Energiesektor. Nicht, weil die Amerikaner plötzlich die globale Erwärmung fürchten (die meisten sehen das weiterhin skeptisch), sondern weil fossile Brennstoffe immer teurer werden. Mit einem Mal denken Millionen Amerikaner über Energieeinsparung nach. Der Benzinverbrauch ist stark gesunken, die Nachfrage nach SUVs ist eingebrochen, Hauskäufer verlangen nach gut isolierten Immobilien. Das ist eine Nachricht, die Öl exportierende Länder beunruhigen sollte.
George W. Bush ist nicht gescheitert
Die wohlgesonnenen Kommentatoren sind die zwei großen Fragen zum Rang der USA in der Welt komplett verkehrt herum angegangen - sie glauben, dass Bush dort gescheitert ist, wo er am erfolgreichsten war, und dass China Amerikas Probleme vergrößert, während exakt das Gegenteil der Wirklichkeit entspricht. Aber wie ist es mit den Fragen, die sie nicht stellen? Wann zum Beispiel wird Chinas Kommunistische Partei sich auflösen? Oder wird sie den Kollaps vermeiden können, wenn sie demokratische Reformen zulässt?
Das würde einen chinesisch-amerikanischen Schulterschluss massiv beschleunigen, der militärische Rivalitäten noch unwahrscheinlicher machen würde. Wird die korrupte Unfähigkeit der degenerierten indischen Administration den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes abwürgen? Wird Russland auf Putins autoritärem Kurs weiterfahren, oder wird es als einzigartiges Beispiel einer zentral verwalteten Räuberkultur weiterexistieren? Wird die zunehmende Dezentralisierung Europas in Regionen und Quasistaaten wie Katalonien und Schottland die alten Nationalstaaten ausreichend schwächen, um die Entwicklung einer starken paneuropäischen Regierung zu ermöglichen? Das würde die USA schwächen, die derzeit als Europas einzig funktionierender Koordinator in militärischen und diplomatischen Angelegenheiten dienen. Das ist ebenfalls ziemlich unwahrscheinlich.
Friedman, Zakaria und Co. stellen sich solche Fragen nicht. Ihre Methodik ist einfach falsch, weil sie systematische Forschung ersetzen durch kurze Reisen ins Ausland, wo sie sich nur mit denen unterhalten, die Englisch sprechen, und durch den Besuch internationaler Konferenzen wie Davos, auf denen sie dieselben Leute treffen. Dies fördert die Verbreitung von Klischees, die eine ernsthafte Auseinandersetzung behindern.
Nicht einmal Zakaria kann Beweise dafür liefern, dass es mit dem Entdecker- und Erfindergeist, der die USA und den Rest des Westens so mächtig gemacht hat, zu Ende geht. Wenn überhaupt ist das Gegenteil wahr. China zum Beispiel hat sich die zentralen Bauten der Olympischen Spiele von berühmten westlichen Architekten entwerfen lassen. Es ist die westliche Moderne, die in China und anderswo in der hart arbeitenden Welt die Vorherrschaft errungen hat. Die USA werden weiter die wichtigste Quelle westlicher Innovationskraft bleiben, auch weil ihre Bevölkerung jünger und ihre Gesellschaft durchlässiger ist als die Europas. Daher: auf zum nächsten Boom, der die aktuelle Wirtschaftskrise vergessen machen wird - und auch die obligatorischen Bücher, die nach jedem Weltwirtschaftstreffen in Davos veröffentlicht werden.
Edward Luttwak ist Senior Fellow für Präventive Diplomatie am Center of Strategic and International Studies in Washington D. C. und Mitherausgeber von "Geopolitique" und "Washington Quarterly". Er war Berater des US-Verteidigungsministers, des Nationalen Sicherheitsrates, des US-Außenministeriums. Außerdem hat er den japanischen Finanzminister beraten.
Übersetzung: Elmar Krekeler