4. Januar 2009

von Lisas Blog geklaut

ball

4.1.09

Solidarität mit Israel!



Ari Shavit hat völlig Recht: „Die Operation ‚Gegossenes Blei’ ist eine intelligente, eindrucksvolle Operation“, schrieb er in der israelischen Tageszeitung Haaretz. „Das Überraschungsmoment war komplett, die Aufklärung der Geheimdienste war präzise, und das Timing war brillant. Die Tatsache, dass die Operation nach einer von der Hamas gebrochenen sechsmonatigen Waffenruhe gestartet wurde, gibt ihr politische Legitimität und moralische Rechtfertigung. Die Tatsache, dass sie sorgfältig geplant und ausgeführt wurde, hat ein Maß an Vertrauen in Israels Fähigkeiten wiederhergestellt.“ Seit dem Beginn von Gegossenes Blei vor acht Tagen wurden Hunderte von Terroristen getötet – darunter mehrere hochrangige Hamas-Führer –, Dutzende von Hauptquartieren und Munitionslagern zerstört sowie Tunnel gesprengt, durch die die Hamas Waffen und Munition geschmuggelt hatte. Am gestrigen Samstagabend haben die Verteidigungsstreitkräfte des jüdischen Staates ihre militärischen Aktivitäten intensiviert: Sie sind, unterstützt von der Marine, mit Panzerverbänden und Bodentruppen in den Gazastreifen vorgedrungen, um das Ziel der Operation – „einen direkten und harten Schlag gegen die Hamas auszuüben und die abschreckende Stärke der IDF zu erhöhen, um langfristig eine verbesserte und stabilere Sicherheitssituation für die Bewohner des südlichen Israels zu schaffen“ – besser und schneller zu erreichen.

Zugleich unternimmt Israel alles, um der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht mehr Leid zuzufügen, als es in einer solchen Situation unvermeidlich ist: Etwa 400 Lastwagenladungen mit rund 10.000 Tonnen medizinischen Versorgungsgütern und Nahrungsmitteln wurden bislang auf Anfrage von internationalen Organisationen, den palästinensischen Behörden und verschiedenen Regierungen in den Gazastreifen geliefert. In israelischen Krankenhäusern werden verletzte Palästinenser behandelt. Mit Flugblättern, Anrufen und Textnachrichten auf Mobiltelefone warnt die israelische Armee Bewohner und Nachbarn von Gebäuden, gegen die Luftangriffe geflogen werden sollen. Und die Hamas? Sie beschießt Israel weiterhin mit Raketen und droht mit suicide attacks. Sie richtet angebliche „Kollaborateure“ hin, teilweise sogar in Krankenhäusern. Sie deponiert Waffen- und Munitionsvorräte in Kellern von Wohnhäusern und Moscheen. Sie platziert Raketenwerfer auf den Dächern von Schulen und Krankenhäusern. Sie bombardiert also die israelische Zivilbevölkerung, sie nimmt die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschild und Geisel, und sie macht daraus auch gar keinen Hehl. Den sechsmonatigen „Waffenstillstand“, der nie einer war, hat sie vor allem dazu genutzt, ihr Waffenarsenal aufzufüllen und – mit tatkräftiger iranischer Unterstützung – Raketen zu entwickeln, die auch weiter entfernt liegende israelische Städte wie Ashdod und Beer Sheva erreichen können. Mittlerweile sind eine Million Israelis der Bedrohung durch Kassam- und Grad-Geschosse sowie Mörsergranaten ausgesetzt. Mehr als 4.000 davon wurden seit April 2001 aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert, die weitaus meisten nach dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen im August 2005.

Dass diese Tatsachen von den üblichen Verdächtigen ignoriert oder verdreht werden, war ebenso abzusehen wie der hemmungslose antisemitische Furor, der sich nun wieder auf zahllosen Demonstrationen, im Internet und in den Medien Bahn bricht. Der Wiener Politikwissenschaftler Stephan Grigat brachte es auf den Punkt: „Was auch immer Israel tut, es ist und bleibt in den Augen großer Teile der Weltöffentlichkeit Schuld an Elend und Zerstörung in der Region. Halten sich die israelische Armee und jüdisch-israelische Siedler im Gaza-Streifen auf, gelten sie als Besatzungsmacht. Ziehen sie sich zurück, errichten sie ‚das größte Gefängnis der Welt’. Reagiert Israel auf die permanenten Angriffe aus dem Gaza-Streifen mit Sanktionen oder wie jetzt mit Gegenschlägen, dreht es an der ‚Gewaltspirale’, reagiert ‚unverhältnismäßig’ oder setzt seine ‚Auslöschungspolitik’ fort. Nimmt es den andauernden Raketenbeschuss tatenlos hin, wird das ‚zionistische Regime’ in arabischen und iranischen Zeitungen als ‚zahnloser Papiertiger’ verhöhnt, der nicht mal seine eigene Bevölkerung schützen könne.“ Würde Israel nun jedoch keine konsequenten Schritte gegen die Hamas unternehmen, so Grigat, „wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die palästinensischen Moslembrüder über ein ähnliches Waffenarsenal verfügen würde wie der iranische Verbündete im Norden Israels: die Hizbollah“. Und noch einmal: „Die Hamas ist keine Organisation, die einen wie auch immer gearteten Kompromiss oder Ausgleich mit Israel anstrebt. Sie kämpft nicht für einen palästinensischen Staat an der Seite, sondern an der Stelle Israels. Und sie propagiert ganz offenen Antisemitismus.“

Sogar einige wenige europäische Politiker haben das inzwischen verstanden und positionieren sich auf der Seite des jüdischen Staates. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa sagte kürzlich, die Verantwortung für die jüngste Entwicklung liege „eindeutig und ausschließlich“ bei der Hamas. Und der tschechische Regierungschef Mirek Topolanek, seit wenigen Tagen EU-Ratspräsident, nannte den Vorstoß der israelischen Armee in den Gazastreifen „eher defensiv“, weil der Verteidigung dienend. Doch so wohltuend sich diese pro-israelischen Äußerungen von den geradezu obszönen, nur der Hamas dienlichen Rufen nach einem „sofortigen Waffenstillstand“ abheben, wie sie beispielsweise von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und aus verschiedenen europäischen Regierungen zu vernehmen sind: Sie sind bislang folgenlos geblieben. Ihre wirkliche Substanz muss aber an Taten gemessen werden, wie sie beispielsweise durch eine erhebliche finanzielle Unterstützung Israels oder durch kostenlose Waffenlieferungen an den jüdischen Staat gegeben wären. Das jedoch zieht offenbar auch Merkel nicht in Erwägung, die sich zudem mit heftigen Angriffen aus dem eigenen Regierungslager konfrontiert sieht.

Die israelische Regierung lässt sich jedoch weder von der antisemitischen Raserei noch vom Ausbleiben echter Unterstützung aus Europa das Handeln diktieren. Noch-Premierminister Ehud Olmert, Außenministerin Tzipi Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak haben deutlich gemacht, dass der israelische Staat das Leben seiner Bürger mit den erforderlichen Mitteln schützen und Kritik an seinen Maßnahmen in Kauf nehmen wird. Sie haben darüber hinaus wiederholt betont, dass kein politischer Souverän auf Dauer den Beschuss seines Staatsgebietes tatenlos hinnehmen kann. „Dass dies Israel aber zum Vorwurf gemacht wird“, analysierte Stephan Grigat treffend, „liegt daran, dass dieser Souverän als eine Art Jude unter den Staaten fungiert, auf den die anderen Souveräne ihre eigene gewaltsame Konstitution projizieren, während keineswegs nur deklarierte Antizionisten an ihm ihre antizivilisatorischen Ressentiments ausagieren“. Israels alternativloser Verteidigungskrieg gegen die Hamas ist auch ein Krieg gegen diese Ressentiments – und einer für zivilisatorische Mindeststandards, die mit der Hamas schlicht und ergreifend niemals zu haben sein werden.

http://www.lizaswelt.net/2009/01/solidaritt-mit-israel.html

Krisenregion Nahost

Die zwölf wichtigsten Antworten zum Gaza-Krieg

Von Michael Stürmer und Michael Borgstede 4. Januar 2009, 18:40 Uhr

Die Kämpfe in Gaza sind die blutigsten in der Geschichte der autonomen Palästinensergebiete. Nach Palästinenser-Angaben wurden mindestens 520 Menschen getötet. Israel meldete seinen ersten toten Soldaten. Trotz der Flut der Bilder und Nachrichten bleiben viele Fragen offen. WELT ONLINE erklärt die Lage in der Region.

Am Nachmittag ruhen sich Soldaten auf der israelischen Seite der Grenze aus, behalten ihre Positionen aber bei.

1. Handelt es sich um einen Verteidigungskrieg Israels?

Luftangriffe und Bodeneinsatz der Israelis sind ausgelöst durch den andauernden Beschuss des Südens Israels durch Raketen der Hamas mit steigender Reichweite, die für die Menschen im Süden Israels das Leben zum alltäglich-tödlichen Würfelspiel machen. Was immer die historischen Ursachen in der langen Konfliktgeschichte des Nahen Ostens sind: Keine Regierung kann zulassen, dass die eigene Bevölkerung ohne Gegenwehr Tag und Nacht Tod und Bedrohung ausgesetzt ist. Israel handelt, rechtlich gedeckt durch Artikel 51 der Charta der UN, in Notwehr.


2. Was will Israel erreichen?
In Zielen und Mitteln handelt es sich um einen typisch post-modernen Krieg: Israel will den Beschuss dauerhaft verhindern, die Hamas-Führung ausschalten, künftige Raketen- und Terrorangriffe abschrecken.

3. Welche Ziele verfolgt die Hamas?

Wer den Wolf nicht töten könne, solle ihn auch nicht am Schwanz ziehen, schrieb die ägyptische Zeitung „al-Ahram“ zum Verhalten der Hamas. Die Analogie ist deutlich: Mit ihrem andauernden Raketenbeschuss israelischer Städte hatte die Hamas jegliche Zurückhaltung aufgegeben und die Geduld und Kampfesunlust des israelischen Wolfes vollkommen falsch eingeschätzt. In der Führungsriege der Hamas hatte man wohl eher gehofft, durch die Raketenangriffe auf das israelische Grenzgebiet Härte der israelischen Angriffe den Druck erhöhen zu können, den Mitte Dezember ausgelaufenen Waffenstillstand zu besseren Bedingungen zu erneuern. Von der Härte der israelischen Reaktion war die Hamas Führung dann auch vollkommen überrascht. Nun will die Hamas der überlegenen Armee bei der Bodenoffensive heftige Verluste beibringen, um sich zum Sieger zu stilisieren und so ihre Versagen als Ordnungsmacht in Gaza vergessen zu machen. International geht es der Hamas darum, die Friedensverhandlungen Israels mit Syrien zu stoppen.

4. Ist der Krieg der Bilder zu gewinnen?

Wahrscheinlich nicht für Israel, obwohl gegenüber früheren Kriegen die Web-Präsenz sehr viel stärker wurde. Hamas will durch das Leiden moralische Überlegenheit beweisen. Bilder toter Kinder und Frauen sollen beweisen, Israel führe Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Deshalb richten die religiösen Fanatiker ihre Depots und Feuerstellungen , in Wohnhäusern, Schulen, Krankenhäusern, ja sogar Moscheen ein. Hier Angriffe zu fliegen und erfolgreich Hamas zu schwächen, bedeutet zu gleich moralische Kosten einzugehen. Um dies zu verhindern, warnt die israelische Luftwaffe per SMS oder Flugblatt die Bevölkerung vor Angriffen. Die Hamas manövriert durch diese Strategie auch die Regierungen der sunnitisch-konservativen Staaten in eine Zwangslage. Denn sie fürchten die überstaatliche Muslim-Bruderschaft in ihrer Doppelgestalt als Wohltätigkeitsorganisation und religiös-soziale Revolutionsbewegung. Unvergessen ist, dass der Vorgänger des ägyptischen Präsidenten, Anwar al-Sadat, dem Attentat eines jungen Offiziers, der Muslim-Bruder war, zum Opfer fiel. Es herrscht abgründiges Misstrauen.


Zweite Woche des Kriegs beginnt

5. Warum reagiert die arabische Welt so verhalten?

Die Zerstrittenheit der Palästinenser untereinander gehört zu den Gründen, warum die Regierungen in Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien in ihren Erklärungen zu den israelischen Luftangriffen zunächst sehr zurückhaltend reagierten. Als sie dann allerdings fürchteten, der Zorn der arabischen Straße würde der Geheimpolizei außer Kontrolle geraten, wurden die öffentlichen Erklärungen und die Kritik an Israel schärfer. Ähnlich verhielt sich Mahmud Abbas, Präsident der „Palästinensischen Administration“ in der Westbank. Er hat das Massaker der Hamas an seinen Fatah-Leuten vor zwei Jahren nicht vergessen. Zunächst hatte er mit kaum verhohlener Schadenfreude angedeutet, die Hamas bekäme nun von Israel, was sie verdiene. Dann musste er unter dem Druck der Straße Sympathie heucheln. Für ihn ist die Lage besonders schwierig, weil seine Amtszeit als Präsident aus Hamas-Sicht am 9.?Januar endet, aus Sicht der Fatah ein Jahr später.

6. Warum ist Gaza ein gescheiterter Staat?

Alle Welt – einschließlich der EU, die viele Millionen Euro an Hilfsgeldern bereitgestellt haben – stellt sich die Frage, warum sich die Lebensbedingungen in Gaza nicht verbessert haben in den vergangenen zwei Jahren. Nach dem vollständigen Abzug der Israelis im August 2005 hatte die Koalition, die anfangs noch Hamas und Fatah verband, jede Chance, mit Hilfe der gesamten Welt einen arabischen Musterstaat aufzubauen. Stattdessen wurde die Fatah des früheren Führers Arafat ausgeschaltet, ein Schreckensregime errichtet, der Kampf bis zur Vernichtung gegen Israel erklärt. Mit der Machtergreifung der Hamas im Sommer 2007 verhängte Israel eine Warenblockade. Die Tunnelverbindungen an der Südgrenze zu Ägypten erlaubten Schmuggel von Waffen wie Lebensmitteln und Medikamenten. Elektrizität und Wasser lieferte Israel, wie auch gegenwärtig weiterhin eine humanitäre Notversorgung. Es war der israelische Außenminister Aba Eban, der einmal sagte, die Palästinenser verfehlten selten eine Chance, eine Chance zu verfehlen.

7. Hält die Gesellschaft Israels dem Druck stand?

Israelis teilen die Geschichte ihres Lebens ein nach den Kriegen, die sie überlebten, den Freunden, die sie verloren, und den Ängsten, die sie überstanden. Israel ist so klein, dass kein Tod anonyme Ziffer bleibt: Jeder kennt einen oder eine, die gefallen ist. Die Gefangennahme des Soldaten Gilad Schalit durch Hamas hat vor zwei Jahren die Nation aufgestört und solidarisiert. Die Heimführung der sterblichen Überreste Gefallener ist nationale und religiöse Selbstverständlichkeit. Die Kriege verbinden, und zugleich trennen sie: Es gehört zur politischen Kultur Israels, dass noch in jedem der jüngsten Kriege große Demonstrationen dagegen stattfanden. Die Gefahr verbindet, wie das Trauma alter Verfolgung. Aber zugleich gibt es die Frage der kleinen Jungen, ob auch sie im Krieg sterben müssen, und die Antwort der Eltern, die Rückversicherung in einer zweiten Staatsangehörigkeit, in Besitz im Ausland, in ferner Verwandtschaft suchen.


8. Ist Gaza durchweg radikalisiert oder Geisel der Hamas?

Es klingt unwahrscheinlich, aber beides ist gleichermaßen wahr. Die Hamas hat in den vergangenen zwei Jahren nicht nur die Fatah-Anhänger ausgeschaltet, sondern auch mächtige Familien entmachtet und gedemütigt und einzelne junge Männer mitunter öffentlich hingerichtet. Kritische Meinungsäußerungen sind kaum geduldet. Der Vorwurf, es mit dem israelischen Feind zu halten, führt ins Gefängnis, das in der Vergangenheit oftmals der einzig sichere Ort war, der die Beschuldigten vor der sofortigen Massakrierung rettete. Armut und Arbeitslosigkeit, Fanatismus und Abenteuerlust treiben die jungen Männer – und neuerdings oft auch junge Frauen – als Lebenszweck dem Tod zu.

9. Ist Frieden im Nahen Osten möglich?

Möglich schon, aber nicht wahrscheinlich. Denn jeder sucht seinen eigenen Frieden, und die Landkarte, die Religion, die Lebensform schließen einander aus. Stabilität wäre schon viel, Verzicht auf die Vernichtungsdrohung. Die Mehrheit der Israelis würde, nicht anders als die Mehrheit der befragten Palästinenser, auf Krieg und Leid und Heldentum verzichten.

10. Besteht Hoffnung auf eine Zweistaaten-Lösung?

Für die Palästinenser gilt, dass die arabische Welt ihren Konflikt bis heute ausnutzt, um Tyranneien zu rechtfertigen, und die Flüchtlinge von 1948 und 1967 zumeist nicht integriert. Die Forderung nach Rückkehrrecht aller Flüchtlinge einschließlich ihrer Nachfahren – die Zahlen gehen an die 4,5 Millionen – würde Israel als jüdischen Staat zerstören, es wäre der Anfang vom Ende. In Israel wusste jede Regierung in den vergangenen 30 Jahren, dass die Siedlungen jenseits der Grenzen von 1949/67 ein wachsendes Hindernis sein würden auf dem Weg zum Kompromiss. Zwei Nationen in einem Land: Das ist für Israelis und Araber mit israelischem Pass schwer genug. Für Israelis und Palästinenser ist es nur denkbar in zwei Staaten – eine politische Scheidung. Das wäre die nächste Annäherung an Frieden, die denkbar ist.

11. Welche Rolle spielen UN, USA, EU und Russland?

Das Gute am Nahost-Quartett ist, dass es überhaupt existiert und ein Forum schafft, in dem USA und Russland, die UN und die EU Kollisionen untereinander verhindern können. Dass sie am grünen Tisch eine Lösung ausarbeiten, nachdem schon die „Roadmap“ – Ende der palästinensischen Terrors, Einfrieren der Siedlungen, und dann weiter – so offenkundig gescheitert ist, ist schwer denkbar, obwohl angesichts der Gaza-Krise dringend geboten. Obamas Nahost-Team ist kompetent, und er hat nicht den Ehrgeiz Bill Clintons, durch Mikromanagement die Probleme zu lösen, noch die Nonchalance des Nachfolgers George W. Bush, den Konflikt lange sich selbst überließ.

12. Sind die Palästinenser ein tragisches Volk?


Nicht von Geburt an, aber auch nicht ohne eigene Schuld. Seit dem Jahr 1948, dem Ende des britischen Mandats Palästina, haben die Palästinenser auf ihre Mit-Araber gesetzt, auf Widerstand und Gewalt, dann auf Intifada und Selbstopfer und auf den listenreichen Arafat, den sie zuerst in den Zeiten des Terrors für ihren Retter hielten und dann, in den Zeiten des Oslo-Prozesses, für ihren Erlöser. Die Israelis fanden für den Frieden mit Ägypten Sadat, für den mit Jordanien König Hussein. Aber für den Frieden mit den Palästinensern fehlte es an ihresgleichen, als Itzhak Rabin, General und Regierungschef, die Kraft aufbrachte zum Verzicht. So ist die Tragik der Palästinenser auch die Tragik der Israelis.

http://www.welt.de/politik/article2970000/Die-zwoelf-wichtigsten-Antworten-zum-Gaza-Krieg.html

Operation Gegossenes Blei

Verhältnismäßigkeiten

Ingo Way
von Ingo Way, Journalist
04.01.2009 - 00.52 Uhr

Eigentlich wollte ich ein dezidiert unpolitisches Reisetagebuch schreiben, doch die Realität des Krieges holt einen dann doch wieder ein. Gestern begann Israel mit dem zweiten Teil der Operation "Cast Lead", mit dem Einsatz von Bodentruppen gegen Einrichtungen der Hamas im Gazastreifen. Die Armee hat mehrere Tausend Reservisten eingezogen, darunter Leute, die ich kenne, Freunde von Freunden. Doch eigentlich sollte das für die Beurteilung des Konflikts keine Rolle spielen. Ich verstehe die Leute nicht, die darüber jammern, wie unübersichtlich die Lage sei und wie schwer es sei, sich ein Urteil zu bilden. So schwer ist es nämlich nicht, sich ein Urteil zu bilden, wenn man denn wirklich bereit ist, sich um ein Verständnis der Situation zu bemühen. Auch von einem rein objektiven Standpunkt aus, sollte es den geben, müßte es eigentlich vollkommen klar sein, wer in diesem Krieg der Aggressor ist.

Denn der gesunde Menschenverstand müßte einem sagen: Wenn die Hamas nicht in den letzten acht Jahren Tag für Tag Raketen auf Israel abgefeuert hätte, wenn sie nicht ständig neue Waffen zu eben diesem Zweck aus dem Iran, aus Rußland und aus China in den Gazastreifen geschmuggelt hätte, wenn sie die Reichweite ihrer Raketen nicht Jahr um Jahr weiterentwickelt hätte, so daß sie heute ein Gebiet bedroht, in dem eine Million Israelis leben, dann hätte Israel auch keinen Grund, sich zur Wehr zu setzen.

Daher habe ich auch kein Verständnis für manche meiner Journalistenkollegen, die objektive Berichterstattung mit moralischer Neutralität verwechseln und sorgsam bemüht sind, für keine Seite Partei zu ergreifen. (Meist kommt unterm Strich dann doch heraus, daß die Israelis die Bösen sind.) Haben nicht beide Seiten den Waffenstillstand verletzt? Sind die Israelis nicht viel stärker? Was ist mit der Besatzung? Ist Israels Reaktion nicht unverhältnismäßig?

Den seit Juni herrschenden "Waffenstillstand", den die Hamas keinen Tag lang eingehalten hat, hat die israelische Seite mit einer Engelsgeduld ausgesessen, die kein anderes Land der Erde in einer vergleichbaren Situation an den Tag gelegt hätte. Wenn die eine Seite - die Hamas - den Waffenstillstand bricht, könnte man der anderen nicht vorwerfen, wenn sie sich ebenfalls nicht mehr daran gebunden fühlte. Und dennoch hat Israel während des Waffenstillstands, der am 19. Dezember auslief, stillgehalten.

Und wogegen kämpft die Hamas eigentlich? Israel hat sich 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen, hat sämtliche israelischen Siedler evakuiert. Es gibt keine israelische Besatzung im Gazastreifen mehr. An der miserablen Situation der Palästinenser in Gaza sind die Israelis nicht schuld - wohl aber die Hamas, die die immensen internationalen Hilfsgelder, die sie erhält, nicht etwa für den Ausbau der Infrastruktur, für das Bildungssystem oder die medizinische Versorgung der Bevölkerung verwendet, sondern ausschließlich für Waffen, Waffen und noch mehr Waffen. Und dennoch genießt die Hamas irrsinnigerweise weiterhin Rückhalt in der Bevölkerung. Auch eine Folge der - selbstverursachten - Bildungsmisere in den Palästinensergebieten. Wogegen also kämpft die Hamas? Was ist ihr Anliegen? Was sind ihre Ziele? Was wirft sie Israel vor? Liegt der Gedanke wirklich so fern, daß es ihr ausschließlich um das Töten von Israelis, von Juden geht, ganz unabhängig von deren Verhalten?

Und immer wieder hört man den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit. Sind doch durch die Operation "Cast Lead" mehr Palästinenser gestorben als Israelis durch die Raketen der Hamas. In einem brillanten Artikel für die Jerusalem Post (31. Dezember 2008) hat der frühere israelische UN-Botschafter Dore Gold dieses Argument zerpflückt. Verhältnismäßigkeit bedeute im Internationalen Recht, schreibt Gold, nämlich keineswegs, daß die angegriffene Seite nur mit den gleichen Waffen zurückschlagen darf. "Nach Internationalem Recht ist Israel nicht verpflichtet, exakt die gleiche Waffenkraft einzusetzen, die der Gegner verwendet. Israel ist nicht verpflichtet, Kassamraketen zu bauen und sie in den Gazastreifen zu schießen." Der Angegriffene hat das Recht, die Aggression zu beenden - mit den Mitteln, die dazu notwendig sind. Zivilisten dürfen nicht absichtlich ins Visier genommen werden. Aber genau das, betont Gold, hat Israel auch nicht getan. Es hat Einrichtungen der Hamas - Hauptquartiere, militärische Trainingslager, Tunnel für den Waffenschmuggel - bombardiert und eben nicht gezielt Wohngebiete.

Wenn die Hamas derartige Einrichtungen absichtlich in Wohngebiete verlegt, um die dort lebenden Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu mißbrauchen, wenn sich Hamas-Führer feige in Krankenhäusern verstecken, weil sie auf die Skrupel der Israelis vertrauen, die ihnen selbst fremd sind - dann sind sie es, die sich völkerrechtswidrig verhalten, denn laut Genfer Konvention, Art. 58 a-c, sind die Konfliktparteien verpflichtet, Zivilpersonen im Kriegsfall von militärischen Einrichtungen fernzuhalten, solche Einrichtungen gar nicht erst in der Nähe von dicht bevölkerten Wohngebieten zu errichten und auch sonst alle erdenklichen Maßnahmen zu unternehmen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. All dies hat die Hamas nicht nur nicht getan, sondern von all dem das völlige Gegenteil. Sie versteckt sich in Wohngebieten und benutzt Kinder als menschliche Schutzschilde.

Und so erklären sich dann auch die unterschiedlichen Todeszahlen auf beiden Seiten. Während Israel alles tut, um seine Bürger zu schützen, indem es Bunker baut und Frühwarnsysteme errichtet, ist der Hamas daran gelegen, möglichst viele Märtyrer zu produzieren und der weltweiten Medienöffentlichkeit Bilder getöteter Kinder zu präsentieren. Was treibt den um, der diesen Unterschied Israel zum Vorwurf macht?

Der Philosoph Michael Walzer schrieb 2006: "Wenn palästinensische Terroristen Raketen aus Wohngebieten abfeuern, dann sind sie es, die für getötete Zivilisten durch israelische Gegenschläge verantwortlich sind - und niemand sonst."

An dieser Stelle gehe ich mittlerweile direkt zur Offensive über. Wenn mir jemand entgegenhält, daß man die Unverhältnismäßigkeit doch schon daran erkenne, daß viel mehr Palästinenser als Israelis getötet wurden, begegne ich ihm mit der Frage, wie viele tote Juden er sich denn wünsche, damit Verhältnismäßigkeit hergestellt sei.


http://www.debatte.welt.de/weblogs/2576/dieses+jahr+in+jerusalem/105608/verhaeltnismaessigkeiten