25. August 2009

Das etwas andere Lebensgefühl

Die Achse des Guten

Henryk M. Broder25.08.2009 00:50

Das etwas andere Lebensgefühl

Waren das Zeiten! Die Sowjetunion war die Heimat aller Proletarier, der antifaschistische Schutzwall hielt die Reaktionäre davon ab, in der DDR einzufallen, im ganzen Ostblock siegte sich der Sozialismus langsam zu Tode, feierte aber immer neue Triumphe. Wir saßen in einem Konferenzzimmer des WDR und diskutierten über den Inhalt eines progressiven Radiomagazins, das einmal im Monat gesendet wurde. Irgendjemand schlug vor, einen Beitrag über eine Kunstausstellung auf freiem Feld bei Moskau zu machen, die von den Behörden nicht nur für illegal erklärt, sondern auch mit Baumaschinen platt gemacht wurde. Da meldete sich eine Kollegin zu Wort, von der wir alle wussten, dass ihr Herz für die DKP schlug. Im Grunde, sagte sie, wäre das eine gute Idee, wir sollten uns aber vorher schlau machen, um was für eine Art von Kunst es sich gehandelt hatte, was auf den Bildern zu sehen war, es könnten ja auch “reaktionäre” Werke gewesen sein. In dem Falle wäre das Eingreifen der Behörden bedauerlich aber gerechtfertigt gewesen.

Ja, so war es damals. Wer sich mit wem solidarisierte, hing davon ab, ob das Objekt der Solidarität auf der richtigen Seite der Barrikade im Klassenkampf stand. Deswegen z.B. hatten kapitalismuskritische westdeutsche Intellektuelle größte Hemmungen, sich mit sozialismuskritischen Dissidenten im Ostblock zu solidarisieren; diese mögen ehrenwerte Motive gehabt haben, aber “objektiv” spielten sie dem Imperialismus in die Hände, sie waren entweder die nützlichen Idioten der Reaktion oder die fünfte Kolonne des Kapitals. Ein Drittes gab es nicht.

Inzwischen ist das linksreaktionäre Pack in die Jahre gekommen, aber geändert hat es sich nicht. Nach einem langen Marsch durch die Institutionen, der für die einen in der Pension und für die anderen im Suff endete, fragt es immer noch zuerst “Cui bono?”, bevor es sich positioniert. Es ist gegen Atomkraftwerke in Deutschland, tritt aber für das Recht des iranischen Regimes ein, die Atomkraft friedlich nutzen zu dürfen; es ist grundsätzlich gegen Gewalt, hat aber Verständnis für Selbstmordattentäter, so lange sie sich nicht in der Nähe der Trattoria in die Luft sprengen, in der das linksreaktionäre Pack seine Penne Arrabiata zu sich nimmt; es fährt mit dem Zweitwagen quer durch die Stadt, um organisch angebautes Gemüse zu kaufen, und regt sich unterwegs über Chinesen und Inder auf, die den CO2-Ausstoss in die Höhe treiben, indem sie von Fahrrädern auf Mopeds umsteigen. Es schreit “Faschismus!”, wenn die Polizei marodierende Hütchenspieler hopps nimmt und regt sich über “Zensur” auf, wenn der Innenminister ein paar Kinder-Porno-Seiten sperren möchte. Aber es ist dafür, Verbote einzuhalten, die von ein paar alternativen Kriminellen verhängt wurden.

Ich habe auf meine Geschichte über meinen Ausflug in die “Freistadt Christiania” (http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,644473,00.html) eine Anzahl extrem unterhaltsamer und auschlussreicher Briefe erhalten. Hier eine kleine Auswahl von einschlägigen Zitaten:

“Was soll das? Du hast keinerlei Respekt vor andersdenkenden Menschen und dein Kopf ist voll mit rechter Scheisse! Spring doch mal über dein Schatten und hinterfrag mal das was du machst.”

“Nur weil die Bewohner von Christania sich nicht an die allgemeingültigen Regeln halten möchten, ist es dann vermessen, darum zu bitten, nicht fotografiert zu werden!?”

“Christiania ist eben kein rechtsfreier Raum, das ist dumme Rhetorik. Nur gelten eben andere Regeln. Eine davon ist das Fotografieverbot… Ich persönlich war eigentlich ganz froh, dass es in diesem sauberen, sterilen, unglaublich langweiligem Kopenhagen einen Ort gab, mit einem etwas anderem Lebensgefühl.”

“So kann ich nur sagen, selber Schuld. Gewiss, niemand sollte jemandem einfach die Kamera oder sonst was kaputt machen. Die Schilder waren halt nicht zum Spaß aufgestellt.”

“Was soll diese geziehlte Provokation mit vorhersehbar ablaufender Reaktion auf andere Lebensentwürfe im Ausland? Arroganz? Der zur Schau getragene Habitus des etablieten Bildungsbürgers?”

“Freut mich zu hören, dass du verdientermaßen in Christiana eins auf die Fresse bekommen hast.. Das sollte öfter mal passieren, auch wenn es deiner ekelhaften Borniertheit leider kaum abträglich sein wird...”

Diese mails kamen direkt bei mir an. Eine wesentlich größere Auswahl finden Sie hier: http://forum.spiegel.de/showthread.php?postid=4209896

Der Leserbrief ist die authentische Alternative zum Leitartikel. So wie Catchen viel authentischer ist als Jiu-Jitsu. So betrachtet, ist Christinia extrem authentisch, nicht gelebte Utopie, sondern Rückkehr zum Status quo ante einer vorzivilisatorischen Ordnung. Der Satz: “Christiania ist eben kein rechtsfreier Raum, das ist dumme Rhetorik. Nur gelten eben andere Regeln”, ist seinerseits keine dumme Rhetorik, sondern das Vaterunser des autoritären Charakters, für den auch der Gulag kein rechtsfreier Raum war, sondern ein Ort, an dem andere Regeln galten.

Was das linksreaktionäre Pack nicht zur Kenntnis nehmen will, ist die einfache Tatsache, dass die Grundlage des zivilisierten Zusammenlebens das Gewaltmonopol des demokratisch legitimierten Staates ist. Und das ist in der Tat längst durchlöchert, wenn die Autonomen bei ihren Umzügen die Polizei vor sich hertreiben, die erfolgreich einseitig deeskaliert hat. Dieselben Chaoten, die es als Zumutung empfinden, an einer roten Ampel halten zu müssen, finden es richtig, sich an Fotografierverbote zu halten, weil diese einer alternativen Lebensform entsprechen, in der wiederum der Wille zur Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.

Nun ist Christiania so “selbstverwaltet” wie Medellin vom gleichnamagigen Kartell selbstverwaltet wird. Oder die napolitanische Müllabfuhr von der örtlichen Mafia. Den Ton geben nicht die dauerbekifften Althippies an, auch nicht die vielen glücklichen Familien, die jenseits der Haupstraße in selbstgebauten Hütten wie Robinson Crusoe und Freitag von der Hand in den Mund leben, den Ton geben die Dealer an, die ganz offen agieren. Die Althippies sind nur Statisten, Zeugen ihrer eigenen Hilflosigkeit.

Die Besucher, die nach Christiania kommen, sind Elendstouristen, kämen sie nach Rio, würden sie sich die Favellas anschauen. Sie tauchen für eine kurze Zeit in eine überschaubar exotische Welt ein, um hinterher mit umso größerem Genuss die letzte Sigur-Ros-CD auf dem BeoSound von Bang&Olufsen abzuspielen. Und das absurde “Fotografierverbot”, das die Dealer in Kraft gesetzt haben, dient nicht dem Schutz der Persönlichkeitsrechte, es soll nicht einmal das Fotografiertwerden verhindern. Es ist nur Ausdruck von Macht. Würden die Dealer das Atmen, Pupsen, Rülpsen oder Fahrrad fahren verbieten, wäre das ein Anriff auf die Menschenwürde, das Fotografierverbot dagegen verbreitet den gleichen autoritären Charme wie die Gesichtsmasken der Autonomen. Im übrigen wissen die Dealer, dass sie polizeilich erfasst sind. Sogar die dänische Polizei dürfte Knopflochkameras haben, die man in jedem Spy-Shop für 50.- Dollar kaufen kann.

Und es ist ja auch nicht so, dass die Freistadt der Aussteiger und Gesetzlosen ihre Existenz allein der sprichwörtlichen dänischen Toleranz verdankt. Es ist auch viel Kalkül dabei. Dass Kopenhagen so sicher, so sauber, so ruhig und so gastfreundlich ist, dass der Besucher am Kongens Nytorv nicht von Bettlern, Dealern und Junkies belästigt wird, dass er im Cafe Norden sitzen kann, ohne dass ihm ständig etwas zum Kauf angeboten wird, kommt auch daher, dass man das Strandgut der Gesellschaft nach Christiania ausgelagert, mit dem Etikett “alternativ” versehen hat und als Touristenattraktion vermarktet. So wie früher die Kirchen an manchen Orten den Bau von Bordellen nicht nur duldeten, sondern auch förderten, um die Prostitution an einem Ort zu konzentrieren und den Rest der Gemeinde von der Sünde frei zu halten, so sorgt auch das “social engeneering” (http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialkonstruktion) heute dafür, dass Problemzonen geduldet waren, die überschaubere Verhältnisse ermöglichen. Jede Hausfrau weiss, wie wichtig eine Rumpelkammer ist, um Ordnung in der Wohnung zu haben. Auch ein “rechtsfreier Raum” hat durchaus seine Vorteile.

Zurück zum Fotografierverbot im öffentlichen Raum. Wenn also fickende deutsche Touristen am Ballermann von RTL gefilmt werden, ist das okay. Wenn tapfere Antifaschisten NPD-Treffen heimlich aufnehmen, wird kein taz-Leser etwas dagegen haben. Günter Wallraff, der sich bei BILD einschleicht, ist ein Held. Man kann sich auch die Reaktionen des linksreaktionären Packs vorstellen, wenn ein Reporter der jungen Freiheit bei dem Versuch, ein Ferienlager der Wiking-Jugend zu besuchen, seine Praktica verlieren würde. Andererseits: Haben die afghanischen Feminstinnen, die zu Zeiten der Taliban die Hinrichtungen von Frauen gefilmt haben, nicht gegen ein Fotografierverbot verstoßen und die Persönlichkeitsrechte der Taliban verletzt?

Ich gönne ein paar Rentnern und Sesselpupsern die Schadenfreude, dass ich “eins auf die Fresse” bekommen habe. Es ist bekanntlich die reinste aller deutschen Freuden. Und sie haben sonst wenig im Leben, worüber sie sich freuen können. Ich dagegen freue mich auf meine neue LUMIX 12x, die ich mir heute gekauft habe.

21. August 2009

Obamas fehlerhafte Terrorbekämpfung

von Daniel Pipes, Direktor des Middle East Forums
20.08.2009 - 10.57 Uhr

Die Umsetzung der untauglichen Politik, wie sie jüngst von Obamas Assistent für Terrorbekämpfung, John O. Brennan, skizziert wurde, bedeutet Gefahr für Amerika, amerikanische Interessen und die Verbündeten Amerikas.

Barack Obamas Assistent für Heimatschutz und Terrorbekämpfung, John O. Brennan, skizzierte am 6. August in seiner Rede "Ein neuer Ansatz für den Schutz der Amerikaner" praktischerweise die derzeitigen und zukünftigen politischen Fehler der Administration.

Erst einmal hat seine Rede beim Center for Strategic and International Studies in Washington einen ungewöhnlichen Ton. "Kriecherisch" fällt als Vokabel ein, da Brennan in fünftausend Worten sich neunzig Mal entweder auf "Präsident Obama", "ihn", "seine" oder "der Präsident" beruft. Es beunruhigt, dass Brennan praktisch jeden Gedanken, jede politische Idee in seiner Rede der Weisheit von "The One" zuschreibt. Dieser Vortrag lässt einen schaudernd zusammenzucken, so sehr erinnert er an einen nordkoreanischen Funktionär, der dem Geliebten Führer seine Ehrerbietung erweist.

Appeasement gegenüber Terroristen

Die genaueren Angaben sind nicht besser. Als grundlegendstes Element fordert Brennan, dass den Terroristen gegenüber Appeasement geübt wird: "Auch wenn wir die illegitimen Taktiken der Terroristen verurteilen und uns dagegen stellen, müssen wir die legitimen Bedürfnisse und Klagen der normalen Menschen anerkennen, die diese Terroristen zu repräsentieren behaupten." Welche legitimen Bedürfnisse und Klagen, fragt man sich, glaubt er repräsentiert die Al-Qaida?

Brennan schildert sorgfältig eine doppelte Bedrohung; die eine ist "Al-Qaida und ihre Verbündeten", die andere "gewalttätiger Extremismus". Doch die erste ist offensichtlich eine Teilmenge der zweiten. Dieser elementare Fehler untergräbt seine gesamte Analyse.

Er leugnet jegliche Verbindung zwischen Islam und Terrorismus

Er lehnte auch jede Verbindung zwischen "gewalttätigem Extremismus" und dem Islam ab: "Den legitimen Begriff des Jihad zu benutzen, der sich selbst zu reinigen oder eine heilige Anstrengung für ein moralisches Ziel bedeutet, birgt das Risiko, dass diese Mörder die religiöse Legitimität bekommen, die sie so verzweifelt suchen, aber keineswegs verdienen. Schlimmer noch: Man riskiert, dass die Vorstellung bestätigt wird, die USA befänden sich irgendwie mit dem Islam selbst im Krieg."

Dieser Abschnitt würgt eine Theorie des radikalen Islam hoch, die nach Angaben von Lt. Colonel Joseph C. Myers vom U.S. Air Command and Staff College "Teil einer strategischen Kampagne der Desinformation, Leugnung und Irreführung" ist, die von der Muslimbruderschaft entwickelt wurde. Die 2007 von Robert Spencer diskreditierte Theorie unterscheidet zwischen gutem Jihad und schlechtem Jihad und leugnet jegliche Verbindung zwischen Islam und Terrorismus.

Signale von Unfähigkeit

Das ist eine zutiefst irreführende Interpretation, die Nichtmuslime verwirren und den Islamisten Zeit verschaffen soll. Bei all ihren Fehlern fiel die Administration von George W. Bush auf diesen Trick nicht herein. Brennan aber informiert uns, dass sein Boss jetzt seine politischen Entscheidungen darauf gründet.

In der Rede finden sich beunruhigende Signale von Unfähigkeit. Wir erfahren, dass Obama Atomwaffen in den Händen von Terroristen als "unmittelbarste und extremste Bedrohung der globalen Sicherheit" betrachtet. Gut. Aber wie antwortet er darauf? Mit drei kläglichen und fast irrelevanten Schritten: "die Anstrengungen zu einer stärkeren globalen Nichtverbreitungskontrolle anzuführen, internationale Anstrengungen zur Sicherung des ungeschützten Nuklearmaterials der Welt zu starten... und zu einem Globalen Atomgipfel einzuladen."

Brennan kann auch nicht geradeaus denken. Als Beispiel ein längeres Zitat:

"Armut verursacht keine Gewalt und Terrorismus. Fehlende Bildung verursacht keinen Terrorismus. Aber so, wie es keine Entschuldigung für das mutwillige Abschlachten von Unschuldigen gibt, kann nicht geleugnet werden, wenn Kinder keine Hoffnung auf eine Ausbildung haben, wenn junge Menschen keine Hoffnung auf Arbeit haben und sich von der modernen Welt abgeschnitten fühlen, wenn Regierungen darin versagen für die Grundbedürfnisse ihres Volkes zu sorgen, dann werden die Menschen anfällig für Ideologien von Gewalt und Tod."

Zusammenfassung: Armut und fehlende Bildung verursachen Terrorismus nicht, aber fehlende Bildung und keinen Job zu haben, macht die Menschen anfälliger für die Ideen, die zum Terrorismus führen. Wo ist der Unterschied? Wehe uns, wenn das Weiße Haus Unlogik als Analyse anerkennt.

Zwei atemberaubende Fehler

Konzentrieren wir uns weiter auf diese Äußerung: "Wenn Regierungen darin versagen für die Grundbedürfnisse ihres Volkes zu sorgen, dann werden Menschen anfällig für Ideologien von Gewalt und Tod." Diese enthält zwei atemberaubende Fehler. Zuerst findet die sozialistische Erfindung Annahme, dass Regierungen Grundbedürfnisse befriedigen. Nein. Anders als in ein paar wenigen rohstoffreichen Staaten sorgen Regierungen für rechtliche Strukturen und schützen diese, während der Markt die Grundbedürfnisse abdeckt.

Zweitens stellt jede Studie zum Thema fest, dass es keine Beziehung zwischen persönlichem Stress (Armut, fehlende Bildung, Arbeitslosigkeit) und der Attraktivität des radikalen Islam gibt. Wenn überhaupt, dann hat seit 1970 der massive Wohlstandstransfer in den Nahen Osten zum Aufstieg des radikalen Islam beigetragen. Die Administration gründet ihre Politik auf Unwahrheiten.

Wo ist, wie man so schön sagt, die erwachsene Kontrolle? Die Umsetzung der untauglichen Politik, wie sie von Brennan skizziert wurde, bedeutet Gefahr für Amerika, amerikanische Interessen und die Verbündeten Amerikas. Die bitteren Folgen dieser Fehler werden schon bald offenkundig sein.

Quelle: Welt

Die jungen Wähler sind Karsai und die Taliban leid

Kommentar von Clemens Wergin 19. August 2009, 23:07 Uhr

Wer sich auf den Aufbau einer neuen Nation einlässt, muss wissen, dass das lange dauert. Fast acht Jahre nach dem US-Einmarsch beginnt die Saat aufzugehen, die die internationale Gemeinschaft gesät hat. Vor allem die Jungen fordern Teilhabe ein und wollen Amtsinhaber Karsai und die Warlords loswerden.


Nach der Vertreibung der Taliban hat das westliche Verhältnis zu Afghanistan drei Phasen durchlaufen. In der ersten neigte man zum optimistischen Überschwang. Gerade in Europa wollten die Regierungen ihr militärisches Engagement nicht allein als Eigeninteresse verstanden wissen. Ein idealistischer Ansatz musste her. Deshalb war in den ersten Nach-Taliban-Jahren viel von Frauenrechten und Demokratie die Rede.

Solch hohe Erwartungen mussten zwangsläufig enttäuscht werden. Phase zwei war deshalb eine der Ernüchterung. Alles schien irgendwie beim Alten zu bleiben, die Amerikaner konzentrierten sich notgedrungen auf den Irak, und die Taliban erstarkten. Nur Korruption und Mohn sprossen fröhlich aus der kargen afghanischen Erde. Afghanistan war vom Hoffnungs- wieder zum Problemfall geworden. Gerade in Europa stiegen die Aktien der Schwarzmaler, die gerne die Erfahrungen früherer Besatzer – der Briten und Russen – anführen, um deutlich zu machen, dass man am Hindukusch nur scheitern kann und sich die Nato besser früher als später zurückziehen sollte.

In Phase drei wurden die Erwartungen dann merklich heruntergesetzt. Barack Obamas neue Strategie will von Frauenrechten und Demokratie nicht mehr viel wissen – Hauptsache, das Land wird leidlich stabil und nicht erneut zum Trainingslager von al-Qaida. Die Enttäuschung im Westen sagt etwas aus über den Zustand Afghanistans und die immer prekärer werdende Sicherheitslage im Land. Noch viel mehr verrät sie allerdings über unsere Ungeduld.

Wer sich aber auf „nation building“ einlässt wie in Afghanistan, muss wissen, dass es sich um ein langfristiges Projekt handelt. Das konnte man schon auf dem Balkan beobachten, wo auch kein Ende der internationalen Präsenz absehbar ist. Im Vergleich dazu ist die gesellschaftliche Struktur Afghanistans noch viel weiter zerstört gewesen und war viel weniger „Humankapital“ vorhanden, auf dem man aufbauen konnte. Dabei setzt der Westen aber pro Kopf der Bevölkerung nur einen Bruchteil der Mittel ein, die er für den Balkan zur Verfügung stellte. Es ist also kein Wunder, dass Afghanistan ein gemischtes Bild abgibt.

Einerseits gelingt es den Taliban wie seit Jahren nicht, immer größere Teile des Landes unsicher zu machen. Andererseits zeigt gerade der nun zu Ende gehende Wahlkampf, dass der Reifungs- und Modernisierungsprozess des Landes durchaus vorankommt. Vor fünf Jahren waren die Präsidentschaftswahlen kaum mehr als die Akklamation des zuvor eingesetzten Präsidenten Hamid Karsai, der die Unterstützung des Westens genoss. Heute hingegen gibt es ein spannendes Rennen zwischen verschiedenen Kandidaten – mit offenem Ausgang. Kaum ein Tag vergeht, an dem Kandidaten sich nicht kritischen Fragen in Fernsehen und Radio stellen müssen. Nicht nur in den Städten des Landes wird lebhaft über die Zukunft Afghanistans diskutiert. Und die Jungen fordern mehr Teilhabe und Demokratie und wollen Karsai und die ganzen Warlords lieber früher als später loswerden.

Es wächst also mehr als Mohn und Korruption in diesem Afghanistan. Fast acht Jahre nach dem Einmarsch der Amerikaner beginnt die Saat aufzugehen, die die internationale Gemeinschaft gesät hat. Das sind noch zarte Pflänzchen, die weiter des Schutzes, auch militärischen, gegen die Taliban bedürfen. Aber diese Jugend, der es oft gelungen ist, die Bildungschancen zu ergreifen, die sich nach der Vertreibung der Taliban eröffnet haben, fordert nun energisch ihren Anteil an Afghanistans Zukunft ein. Sie wissen, was draußen in der Welt alles möglich ist an Lebensentwürfen. Und sie wollen sich nicht mit dem zufriedengeben, was die Karsais ihnen an Politik nach altem Muster bieten.

Man wird sehen, wie viel altes und wie viel neues Afghanistan aus dieser Wahl hervorgeht. Eins aber kann man sagen: Dieser Wahlkampf hat das Bewusstsein vieler junger Afghanen verändert. Sie stellen Forderungen und wollen Rechenschaft von ihren Politikern und Programme für die Entwicklung des Landes. Und sie glauben nicht, dass alles so bleiben muss, wie es immer war. Letztlich ist das der Grund, warum die Bundeswehr in diesem Land ist und wohl noch lange bleiben muss: Damit nicht wieder eine junge afghanische Generation um die eigene Zukunft betrogen wird. Das ist immer noch das beste Konzept auch für unsere Sicherheit.

Quelle: Welt

13. August 2009

Die Ikone des Iran

von Antonia Rados

Der Tod von Neda Agha-Soltani schockte die Welt – und gab gleichzeitig den Demonstranten im Iran neue Kraft, gegen das Regime aufzubegehren. Wie aus einer 26-jährigen Studentin die Ikone des Aufstands wurde.

Seit Samstag, den 20.Juni 2009, 19:00 Uhr Teheraner Ortszeit hat die Islamische Republik Iran den Feind, den sie sich seit ihrem Bestehen alle Mühe gegeben hat zu schaffen: eine zierliche junge Frau in Jeans, die im Land der Mullahs zwar nicht erlaubt sind, aber geduldet werden so wie regimekritische Artikel oder Wahlen. Ihr obligates Kopftuch hatte Neda Agha-Soltani so fest gebunden, dass es nicht einmal im Moment ihres Todes verrutschte. Auf den wackligen Handy-Aufnahmen, die sie blutüberströmt auf der Kreuzung zwischen der Khosravi- und Salehi-Straße zeigen, ist, ganz züchtig, gerade der Haaransatz zu sehen. Ein Mann im weißen Hemd – wie sich später herausstellen wird der Arzt Arash Hejazi, ein Freund des brasilianischen Erfolgsschriftstellers Paulo Coelho – versucht verzweifelt, die sprudelnde Blutung ihrer Brustwunde zu stillen. Zu hören sind die entsetzten Schreie der Passanten. Rund einen Kilometer entfernt, auf dem Boulevard zwischen dem „Platz der Freiheit“ und dem „Platz der Revolution“ gehen die Demonstrationen weiter. Zwei Minuten nach dem Schuss ist Neda tot. Eine Stunde später gelangen die Aufnahmen per Internet zunächst nach Holland und von dort in die ganze Welt. Das Regime mag Zeitungen und Fernsehen zensieren. Die Bilder kann es nicht unterdrücken, schon gar nicht in einem Land mit 24 Millionen Internetnutzern – einem Drittel der Bevölkerung; damit ist Iran das am besten vernetzte Land in der Region.

Bereits am nächsten Morgen, als sich die Nachricht vom Tod der 26-jährigen Studentin, die so gerne reiste und iranische Popmusik hörte, auch in Teheran wie ein Lauffeuer verbreitet hat, ist klar: Der Tod Nedas ist eine Zäsur, ein irreparabler Schaden für die Machthaber. Fast drei Jahrzehnte seit der islamischen Revolution hatten Oppositionelle immer wieder vergeblich gegen das Regime protestiert. Eine nur kurze Filmaufnahme bewirkte nun mehr als alle Proteste. Die einzige islamische Republik der Welt gerierte sich nicht anders als jede Militärdiktatur: Sie zögerte nicht, auf ihre Bürger zu schießen. Sie brachte ihre eigenen Töchter um. An ihren Händen klebt Blut.

In der Stunde von Nedas Tod befand ich mich nicht weit von der Kreuzung entfernt. Doch von dem tödlichen Zwischenfall erfuhr ich erst nach meiner Rückkehr ins Hotel durch das Internet. Zuvor hatte ich an diesem stickig heißen Samstagabend – die Hitze hatte Neda veranlasst, wie Augenzeugen berichten, aus dem Auto auszusteigen, weil die Klimaanlage nicht funktionierte – zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten festgesteckt. Rechts von mir brannte es. Links prügelte eine Sondereinheit der Revolutionsgarden erbarmungslos auf Jugendliche ein, Frauen und Männer gleichermaßen. Der ätzende Geruch von Tränengas stieg auf. An der nächsten Straßenecke, halb versteckt in einer Seitengasse, warteten Horden der gefürchteten Bassidschi-Milizen auf Motorrädern, bereit, zuzuschlagen und, erstmals seit Beginn der Proteste, auch zu töten. Bassidschi, was übersetzt die „Mobilisierten“ bedeutet, sind so alt wie die Islamische Republik. Zu ihnen gehören Kinder von Kriegsveteranen aus dem iranisch-irakischen Krieg (1980 bis 1988) genauso wie Arbeitslose. Die Ehrgeizigsten kommen im Sommer heimlich in den Trainingsstätten der Revolutionsgarden zusammen, um für den Ernstfall zu üben, sprich eine amerikanische Invasion. In Friedenzeiten sind die Bassidschi mit Helmen und Schlagstöcken unterwegs, um gegen „innere Feinde“ wie Oppositionelle und Studenten vorzugehen.

An jenem Samstag, an dem die Philosophiestudentin, deren Name passenderweise „Stimme“ oder „Ruf“ bedeutet, sterben musste, blieb kein einziger Bassidschi untätig. Anders als bei den bisherigen Protesten gegen die vermeintlichen Wahlmanipulationen wurden sie bewaffnet und wie Revolutionsgarden und Geheimdienstler nicht nur in den Straßen, sondern auch auf den Flachdächern der Städte positioniert. Und obwohl die Bassidschi keine Uniformen tragen, waren sie leicht zu erkennen, wie sie hoch über der Menge standen und ihre Waffen schussbereit gegen den Himmel streckten.

Gegen 19:00 Uhr peitschten erste Schüsse durch die Straßenschluchten. Nicht nur an der Kreuzung, an der Neda ahnungslos mit ihren Bekannten stand. An vielen Orten, in Hauseingängen, in Sackgassen, zwischen parkenden Autos starben an jenem Abend Menschen – nur, dass ihnen kein Arzt beistand und niemand mit dem Handy ihren Tod filmte. Ihre Mörder handelten nach dem kaltblütigen Prinzip des Großen Vorsitzenden Mao Zedong: „Töte einen und du wirst hundert einschüchtern.“
Später verkündete die Regierung, nicht die Sicherheitskräfte, sondern die Demonstranten hätten geschossen. Nachdem diese verwegene Verschwörungstheorie in verschiedenen Versionen verbreitet wurde, hieß es, man hätte auch Nedas Mörder gefunden: Der BBC-Reporter John Leyne, der inzwischen des Landes verwiesen worden war, sei für den Tod der Studentin verantwortlich. Nedas Tod habe als Höhepunkt einer anti-iranischen Reportage dienen sollen.

Unterdessen beobachtete die Korrespondentin der französischen Tageszeitung Le Figaro, dass an Nedas Todestag und an den darauf folgenden Tagen zahlreiche Tote und Schwerverletzte in Teherans Krankenhäuser eingeliefert wurden. Ärzte wurden gezwungen, die Namen der Verletzten zu registrieren, die dann noch auf dem Krankenbett verhaftet wurden. Wer sich diesen Anweisungen widersetzte, wurde bedroht oder ebenfalls vorübergehend in Haft genommen. Das Regime ließ die Todesurkunden der Verstorbenen fälschen und Obduktionen verbieten, um zu vertuschen, dass viele mit Schüssen im Hinterkopf eingeliefert und offensichtlich gezielt getötet, ja geradezu exekutiert worden waren. Leichen wurden in das Militärkrankenhaus überführt, wo nach der operativen Entnahme von Organen die sterblichen Überreste verbrannt wurden. Laut Figaro und anderen Quellen sind bis zu hundert Menschen bei den Protesten umgekommen und nicht etwa „nur“ siebzehn, wie die offiziellen Stellen verlautbaren ließen. Tausende Verhaftete sitzen im berüchtigten Evin-Gefängnis, in dem die Anzahl der Hinrichtungen von angeblichen „Drogenhändlern“ während der vergangenen Tage auffällig stieg.

Gleichzeitig begannen Regierungsstellen eine wilde Propagandaschlacht. Nach der strikten Zensur der nationalen Medien richtete sich der Zorn gegen die ausländischen Reporter. Ursprünglich waren sie großzügig mit Visa versorgt worden, um über die Präsidentschaftswahl am 12.Juni zu berichten. Jetzt verbot man ihnen, sich den Protesten zu nähern, geschweige denn darüber zu berichten. Pech für alle, die sich daran hielten und von da an aus sicheren Hotelzimmern die Erzählungen ihrer Übersetzer verbreiteten, bis sie wie alle unfolgsamen Berichterstatter das Land verlassen mussten. Schließlich gingen die Unterstützer Mahmud Ahmadinedschads auch über Twitter – dem Kommunikationsmedium der Aufständischen – zur Offensive über. Plötzlich meldete sich kaum ein Regimegegner mehr zu Wort. Stattdessen wurden Kurznachrichten über den „Wahlsieg“ Ahmadinedschads und Lobeshymnen auf den Präsidenten im Minutentakt gesendet. Gleichzeitig hat der iranische Geheimdienst begonnen, die Postings der Regimegegner auf Facebook und Youtube auszuwerten. Nacht für Nacht werden seither Menschen verhaftet, die auf den Videoclips identifiziert werden konnten. Die Filtersoftware zur Kontrolle des Internets haben übrigens die Firmen Siemens und Nokia geliefert. Es sei schließlich darum gegangen, beteuern Firmensprecher, „Daten zu kontrollieren, die Terrorismus, Pädophilie, Drogenhandel und andere kriminelle Tätigkeiten betreffen“.

Das Bild der sterbenden Neda aber kann das Regime nicht aus dem Gedächtnis der Millionen Iraner – und der Millionen Menschen weltweit – verbannen. Eine „Tochter des Iran“ nannte sie Reza Pahlavi, exilierter Sohn des ehemaligen Schahs (Siehe auch das Interview auf Seite 24). Sie wurde zur Ikone der Opposition. Gerade weil sie keine bekannte Oppositionelle war, sondern nur eine von Tausenden Frauen im Iran, die die Unterdrückung der Frauen durch das islamische Regime nicht länger ertragen wollen. Deren Eltern nicht in den Nord-Teheraner Luxusvierteln der gebildeten Elite leben, sondern in einem der zahlreichen gigantischen Wohnblocks der Millionenmetropole. So wie auch Nedas Eltern und beiden Brüder, die in Teheran-Pars, einem Mittelklasse-Viertel im Osten der Stadt wohnten. Die Familie, der Vater ist Beamter, die Mutter Hausfrau, wird als gläubig, aber nicht überaus fromm beschrieben. Als ob der gewaltsame Tod ihres Kindes nicht schlimm genug gewesen wäre, durften sie ihrer Tochter nicht einmal eine angemessene Trauerfeier ausrichten. Es gab weder eine Predigt oder Ansprache noch hielt ein Imam einen Gottesdienst ab. Die Behörden hatten den Leichnam Nedas nur unter der Bedingung freigegeben, dass er noch am selben Tag und ohne jegliche öffentliche Feierlichkeit auf dem Friedhof Behescht-Zahra beigesetzt würde.

Aber die vom Regime ersehnte Ruhe hat sich damit nicht eingestellt. Mahmud Ahmadinedschad mag von seinem Schutzherrn, dem geistlichen Führer Ali Chamenei, als Wahlsieger bestätigt worden sein. Aber bedeutende Religionsgelehrte in der heiligen Stadt Qom haben dem Urteil der amtlich höchsten Autorität im Iran widersprochen. Und was immer auch die Teheraner Propagandamaschine aushecken wird – Spionagevorwürfe, Schauprozesse –, dem Regime wurde ausgerechnet mit dem Tod einer jungen Frau ein Kainsmal eingebrannt.

Neda ist unauslöschlich verbunden mit der Geschichte dieser Republik, die seit über dreißig Jahren erfolgreich um ihr Überleben kämpft. Seit dem tragischen Tod der Studentin will niemand mehr dieser Republik ein leichtes Leben prophezeien, geschweige denn ein langes.

Quelle: Cicero

Wenn zwei sich streiten, hat Israel Schuld

von Judith Hart



Und sie dreht sich doch. Ja, ja, natürlich die Erde. Das ist schließlich ein Naturgesetz. Aber noch etwas rotiert: die „Gewaltspirale in Nahost“. Angesichts der Beharrlichkeit mit der sie bemüht wird, könnte man glauben, auch sie sei ein Naturgesetz, das nach folgendem Prinzip funktioniert: Die Palästinenser sind für nichts verantwortlich, und Israel hat sie durch „unverhältnismäßige Gewaltanwendung“ in Gang gesetzt.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon schwadronierte ebenso wie EU-Außenminister Javier Solana und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy von der „Unverhältnismäßigkeit Israels“. Derselbe Sarkozy übrigens, der als Innenminister im Herbst 2005 die gewaltsamen Proteste jugendlicher Migranten vor allem mit moslemischen Hintergrund in Frankreichs Vorstädten mit aller Härte der Staatsgewalt niederknüppeln ließ. Ein Schelm, der angesichts der Verurteilung Israels durch Sarkozy Böses dabei denkt, dass in Frankreich rund fünf Millionen Muslime leben. Während eine handvoll türkische Demonstranten gegen das israelische Vorgehen lautstark protestierte und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die israelischen Angriffe im Gazastreifen als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnete, griff die türkische Luftwaffe kurdisches Gebiet an -, und die Weltgemeinschaft erklärt: nichts (!). Natürlich hat sich auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu Wort gemeldet und versichert, dass Israel das legitime Recht zur Selbstverteidigung habe (Sagt er das eigentlich auch der spanischen Regierung, wenn sie gegen die Baskenorganisation ETA vorgeht?), um dieses Recht schnell wieder einzuschränken und einen Waffenstillstand zu fordern, denn sonst – ja genau – drohe der „Gazastreifen erneut in einer Spirale der Gewalt zu versinken“.

Israels Krieg gegen die Hamas ist einer ganz simplen Ursache zuzuschreiben: Anstatt nach dem Abzug der Israelis 2005 eine ordentliche Infrastruktur aufzubauen, Schulen angemessen auszustatten und eine funktionierende Wirtschaft auf die Beine zu stellen, entschieden sich die radikalen Islamisten, einen Krieg gegen Israel zu führen, lieber Raketenteile zu schmuggeln als die Versorgung ihrer Bevölkerung sicher zu stellen und die Waffenruhe – während der sie täglich Raketen auf israelische Zivilisten abschossen – trotz aller Warnungen von Ägypten, dem palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas und Israels Premier Ehud Olmert aufzukündigen. Hamas hat eine Entscheidung getroffen und trägt jetzt die Verantwortung dafür. Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice sieht das ganz richtig, wenn sie erklärt, dass Hamas die Schuld am Bruch des Waffenstillstands trägt. Auch Machmud Abbas war eindeutig in der Verurteilung der Hamas. Er verhandelt seit Monaten mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung, die die Islamisten mit dem von ihnen provozierten Krieg zu unterbinden versuchen. Auch Angela Merkel hat verstanden, worum es geht. Die Verantwortung für die jüngste Entwicklung liege „eindeutig und ausschließlich“ bei der Hamas, bei der Beurteilung der Situation im Nahen Osten dürften „Ursache und Wirkung nicht vertauscht werden oder Ursache und Wirkung nicht in Vergessenheit geraten", ließ die Bundeskanzlerin mitteilen. Wozu braucht die Hamas diesen Krieg? Weil sie nur durch Zerstörung funktioniert. Sie kann und wird sich nicht mit Israel arrangieren.

Die Palästinenser müssen als ewige Opfer dargestellt werden, die Israelis als Mörder, die „Massaker“ an unschuldigen Zivilisten begehen, deren Leben mit Bedacht von der Hamas geopfert wird. Deshalb erlaubt Hamas-Premier Ismail Haniya nicht, dass Verletzte, wie von der ägyptischen Regierung angeboten, ins Nachbarland gebracht und dort kostenlos behandelt werden dürfen. Menschenverachtender geht es nicht mehr. Den radikalen Islamisten geht es nicht um das Wohl der Palästinenser, sondern nur um die Manipulation der öffentlichen Meinung. Zu lange war von Gaza nichts zu hören. Zu lange gab es keine Schlagzeilen. Hamas musste wieder in die Medien – koste es, was es wolle und sei es das Leben der eigenen Kinder, Frauen und Männer. Und in der Mobilisierung der Weltmeinung ist die Hamas weltmeisterlich. Das Rezept ist auch zu einfach: Man schmuggle illegal Waffen in den Gazastreifen, beschieße täglich mehrfach israelisches Gebiet, lege Waffenlager, Abschussanlagen und Operationszentralen in Wohnhäuser.

Irgendwann wird der „zionistische Feind“ schon etwas unternehmen. Vergessen die Zeit, da selbst während der sechsmonatigen Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel kein Tag verging, an dem nicht Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert wurden und zivile Ziele im israelischen Kernland trafen. Da gab es kein Wort von Unverhältnismäßigkeit, nichts war zu hören von Gewaltspirale, keine Dringlichkeitssitzung des UN-Weltsicherheitsrates. Getreu dem Motto: Wenn zwei sich streiten, wird schon Israel schuld sein.

Man stelle sich vor, Dänemark würde täglich Raketen auf Schleswig- Holstein abfeuern oder Frankreich auf das Saarland oder Tschechien auf den Bayrischen Wald und dabei Kindergärten, Spielplätze und Reihenhäuser zerstören, Menschen verletzen oder töten. Wie lange würde es dauern, bis das Volk nach Schutz durch die Bundeswehr verlangen würde? Wie lange würde ein deutscher Regierungschef zögern, den Gegenschlag zu befehlen?

Quelle: Cicero