26. August 2008

Warum Busch die Welt sicherer gemacht hat:

Bei der "Welt" habe ich diesen interessanten Artikel gefunden. Er wirft ein etwas anderes Bild auf G.W. Bush, als die hiesigen Medien im Allgemeinen verbreiten.


URL: http://www.welt.de/politik/arti2366611/Warum_Bush_die_Welt_sicherer_gemacht_hat.html

15. August 2008, 12:15 Uhr
Von Edward Luttwak
Gast-Kommentar
Warum Bush die Welt sicherer gemacht hat
"Entweder ihr seid für uns oder für den Terrorismus" – über diese Haltung von George W. Bush machten sich viele lustig. Zu Unrecht, findet der Ex-Berater des US-Verteidigungsministers, Edward Luttwak. Er erklärt, warum der US-Präsident mit seiner Außenpolitik keinesfalls gescheitert ist.

Dass George W. Bush mit seiner Außenpolitik gescheitert ist, ist für viele mittlerweile so selbstverständlich, dass man darüber nicht mehr diskutieren muss.So etwas geschieht nicht zum ersten Mal in der Geschichte der USA. Als Präsident Harry S. Truman im März 1952 ankündigte, dass er nicht noch einmal kandidieren würde, waren sich die meisten Amerikaner in einem einig: dass seine Außenpolitik katastrophal gescheitert war. Seine Unentschiedenheit hatte in Korea den Krieg mit ausgelöst. Anschließend kostete seine Inkompetenz in nur zwei Jahren militärischer Auseinandersetzung rund 54 000 Amerikaner sowie Millionen koreanischer Zivilisten das Leben - das sind mehr als zehn Mal so viele Tote wie im Irak.Die Rechtskonservativen schmähten Truman, weil er China den Kommunisten überlassen hatte und weil er den großen General Douglas MacArthur entließ, der China hatte zurückgewinnen wollen - mit Atomraketen, wenn nötig. Die Liberalen verachteten Truman, weil er, der gescheiterte Kaufmann, das Weiße Haus des Patriziers Franklin Roosevelt an sich gerissen hatte. Die Liberalen waren schon immer die Snobs der US-Politik.
Auch im Ausland war Truman verhasst. Viele glaubten den Kommunisten, die ihm vorwarfen, er habe "bakteriologische Kriegsführung" betrieben, um koreanische Kinder zu töten und die chinesische Ernte zu vernichten. Ein 669-seitiger Bericht, der von einer Kommission unter dem Vorsitz des angesehenen britischen Biochemikers Joseph Needham verfasst wurde, bestärkte sie noch darin. Und noch mehr Menschen waren der Ansicht, Truman habe den Kalten Krieg ausgelöst, als er versuchte, unseren mutigen sowjetischen Verbündeten einzuschüchtern.Wie aber konnte es dazu kommen, dass derselbe Harry Truman als bedeutender Präsident in Erinnerung geblieben ist - und das gerade wegen seiner Außenpolitik? Es ist alles eine Frage der zeitlichen Perspektive: Der Koreakrieg ist fast in Vergessenheit geraten, aber Trumans Containment-Politik gilt bis heute als erfolgreich und endete mit dem nahezu unblutigen Umbruch in der Sowjetunion.Damit George W. Bush nach dem trumanschen Muster als bedeutender Präsident in Erinnerung bleibt, muss also erst der Irak-Krieg in Vergessenheit geraten. Auf den schnellen Sturz Saddam Husseins folgten im Irak Jahre der Gewalt statt der versprochenen Demokratisierung. Es war ein unverzeihlicher Fehler zu glauben, die von Imamen gegängelten Iraker würden sofort demokratische Verhältnisse einführen: Bevor er in ein Land einmarschieren lässt, sollte ein US-Präsident schon wissen, ob dies im Mittleren Osten oder in Skandinavien liegt.Doch der kostspielige Irak-Krieg muss als ein Nebenkriegsschauplatz in der globalen Offensive Bushs gegen militante Islamisten verstanden werden - genauso, wie der kostspielige Korea-Krieg ein Nebenkriegsschauplatz der globalen Containment-Politik des Kalten Krieges war.Denn die Antwort Bushs auf den 11. September war nichts anderes als ein weltweiter Angriff auf die Ideologie der militanten Islamisten. Zwar waren die Antiterroroperationen nur bedingt erfolgreich, und auch die Zukunft Afghanistans liegt weiter im Dunkeln - im Krieg der Ideologien allerdings hat Präsident Bush einen spektakulären Sieg errungen. Einen dazu, der noch gar nicht als solcher erkannt worden ist - obwohl wir alle Zeugen waren.
Militante Islamisten und die arabische Welt
Bis zum 11. September erfreuten sich militante Islamisten, gewalttätige Dschihadisten jeglicher Couleur, von al-Qaida bis zu gänzlich unabhängigen Gruppen, großer offener oder stillschweigender Unterstützung in der muslimischen Welt. Von Marokko bis Indonesien beschwichtigten Regierungen die militanten Islamisten durch Zugeständnisse und ermutigten sie gleichzeitig, ihre gewalttätigen Aktivitäten im Ausland zu konzentrieren. Manche, wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), bezahlten militante Prediger und bewaffnete Dschihadisten. Die Saudis finanzierten zudem extremistische Schulungszentren in einer ganzen Reihe von Ländern, darunter auch den USA und Großbritannien. Sie zahlten die Gehälter Tausender militanter Prediger und stellten den Dschihadisten im Kaukasus, in Pakistan und einem Dutzend weiterer Regionen Schecks aus (bloß nicht Osama Bin Laden, der war ihr erklärter Feind).Wie wir heute aus verlässlicher Quelle wissen, haben die Führer der Emirate, die mittlerweile nur noch über ihre Airlines und Banken reden, das Geld gleich säckeweise an Osama persönlich ausgehändigt. Sie trafen ihn auf dem Flugfeld von Kandahar, wohin sie geflogen waren, um bedrohte Tierarten zu jagen. Saudi-Arabien und die Emirate waren auch die einzigen Länder gewesen, die neben Pakistan die Taliban als rechtmäßige Herrscher Afghanistans anerkannt hatten. Andere muslimische Regierungen, hauptsächlich die sudanesische, die syrische und die jemenitische, unterstützten Dschihadisten, indem sie ihnen Pässe ausstellten und Zuflucht gewährten.
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Andere Länder, darunter auch Indonesien, ignorierten über lange Zeit islamistische Indoktrinationen und die Rekrutierungsbemühungen der Dschihadisten. Mit der Ausnahme von Algerien und Ägypten zogen es alle muslimischen Staaten vor, ihren Frieden zu machen mit militanten Predigern und Dschihadisten. Pakistan tat noch viel mehr als das: Sein Geheimdienst ISI bewaffnete und trainierte sowohl die Taliban in Afghanistan als auch Tausende "Heiliger Krieger", die indischen Zivilisten, Polizisten und Soldaten in Kaschmir und andernorts nach dem Leben trachteten.All diese Entwicklungen kamen nach dem 11. September zu einem abrupten Stillstand.Allerorten machte sich die intellektuelle Schickeria über die kompromisslose Haltung Bushs – "Entweder ihr seid für uns oder für den Terrorismus" – lustig. Aber dieser "Cowboytrick", wie viele das nannten, zeigte Wirkung. Muslimische Regierungen änderten rasch ihren Umgang mit den Islamisten.Manche verboten einheimische Dschihadistengruppen, die sie zuvor lange toleriert hatten, sie brachten extremistische Prediger zum Schweigen und ließen keine ausländischen Dschihadisten mehr ins Land. Andere leugneten zunächst alles ab. Der saudische Innenminister Prinz Nayef bin Abdul Asis bestritt erst einmal, dass die Terroristen des 11. September Araber oder gar Saudis gewesen seien, während die Prinzen der Emirate vorgaben, noch nie von Osama Bin Laden gehört zu haben.Aber das Leugnen hielt nicht lange an. Als sie sahen, wie US-Spezialeinheiten und Langstreckenbomber die Taliban-Truppen zerschlugen, übernahmen die Saudis Verantwortung für die von ihnen finanzierte Verbreitung des Extremismus. Eine qualvolle Neubewertung der wahabitischen Form des Islam ist bis heute nicht abgeschlossen. Der saudische König hat eine interreligiöse Konferenz mit Muslimen, Christen und Juden zusammengerufen - ein gewagter Schritt, ist Wahabiten doch jegliche Freundschaft mit Nichtmuslimen steng verboten.Mit Bin Laden waren die Saudis zwar schon lange verfeindet, aber erst jetzt fingen sie an, seine Unterstützer aktiv zu verfolgen und reiche Saudis davon abzuhalten, Dschihadisten im Ausland zu finanzieren. Mehr als 1000 Saudis wurden verhaftet, Dutzende kamen zu Tode, als sie sich ihrer Festnahme widersetzten. Saudische Banken sind heute angehalten zu prüfen, ob Auslandsüberweisungen an muslimische Organisationen gehen, die auf der Liste terroristischer Vereinigungen stehen.
Viele muslimische Länder stellten sich auf die Seite der USA
Andere Regierungen muslimischer Länder bis hin zu Indonesien stellten sich auf die Seite Bushs und der USA und bezogen Position gegen die Dschihadisten - obwohl der Heilige Krieg gegen die Ungläubigen vielerorts als muslimische Pflicht verstanden wird. Islamisten und Dschihadisten erlitten quasi über Nacht einen katastrophalen Ansehensverlust. Anstatt bewundert, respektiert oder wenigstens geduldet zu werden, mussten sie sich auf einmal verstecken, mussten fliehen oder aufgeben. Die Zahl ihrer Unterstützer begann zu schrumpfen. Die Zahl terroristischer Anschläge außerhalb der Kriegszonen von Afghanistan und Irak sinkt beständig. Extremistische Koranschulen haben es nahezu überall vorgezogen, ihre Lehren abzumildern, um eine Schließung zu verhindern. In Indonesien, dem größten muslimischen Land, verurteilt die führende Imamvereinigung alle Gewalt, ohne jede Ausnahme.
In Pakistan allerdings erzwang George W. Bush die dramatischste politische Wende. Er sagte: "Mit uns oder gegen uns", und er meinte es ernst. Präsident Musharraf stand vor einer schwierigen Entscheidung: an der Seite der USA die Taliban zu bekämpfen, die Pakistan selbst geschaffen hatte, oder selbst zerstört werden. Musharraf traf die richtige Entscheidung, indem er die Waffenlieferungen an die Taliban unterband, das Flugfeld von Shahbaz für US-Flugzeuge öffnete und dem US-Militär uneingeschränkte Überflugrechte gewährte.Musharraf setzte auch die bärtigen Extremisten, die lange Zeit den pakistanischen Geheimdienst ISI gelenkt hatten, ab. Er begann mit dem Chef, Mahmud Ahmed, der kurz nach dem 11. September seinen Dienst quittieren musste und durch den moderaten Ehsanul Halqas ersetzt wurde.Weniger leicht hingegen war es für Musharraf und seine Gefolgsleute, die versteckten, glatt rasierten Extremisten im ISI auszumachen und zu entlassen, die immer noch die Taliban unterstützen.Was sich in den 24 Stunden nach dem 11. September in Pakistan ereignete, war etwas, was die Welt noch nicht gesehen hatte: die Umkehrung der wichtigsten politischen Agenda des Landes – die Unterstützung des Dschihad –, die aus dem Nationalmythos Pakistans als muslimischem Staat par excellence abgeleitet worden war. Es war, als ob Präsident George W. Bush einen Gesandten nach Italien geschickt hätte, um Spaghetti mit Tomatensoße verbieten zu lassen – und damit Erfolg gehabt hätte.
Trotzdem hört man heute gewöhnlich gut informierte Menschen beiläufig bemerken, dass Bushs Krieg gegen den Terror gänzlich gescheitert sei. Dies ist mehr als nur ein politisches Vorurteil. Dabei ist es doch inzwischen offensichtlich, dass der 11. September bloß der Auftakt zu einem lang andauernden, weltweiten "Heiligen Krieg" sein sollte.Das hätte al-Qaida allein nie bewerkstelligen können. Aber die Zerstörung der Zwillingstürme inspirierte Tausende junger Muslime, islamistische Moscheen zu besuchen und den Dschihadisten ihre Dienste anzubieten. Denn der Koran verheißt zwar den Gläubigen ausdrücklich den Sieg auf allen Fronten, in der Realität aber fühlten sich die Muslime vom Westen unterdrückt. Daraus wuchsen quälende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Islam selbst. Die Fernsehbilder vom 11. September wurden zum Symbol der Überwindung dieser Zweifel, brachten nicht nur die glücklosen Palästinenser, sondern auch die verwestlichten, wohlhabenden, Wein trinkenden Tunesier dazu, mit Freudentränen in den Augen zu feiern, und machten Bin Laden zum ersten panislamischen Helden seit Saladin. Die Zerstörung der Zwillingstürme war daher der denkbar lauteste Ruf zu den Waffen. Doch die globale Mobilmachung der Dschihadisten wurde gestoppt, bevor sie überhaupt wirksam werden konnte - durch alles, was Bush in Gang setzte: durch die Zerstörung der Al-Qaida-Trainingslager in Afghanistan, die Tötung oder Gefangennahme der meisten ihrer Akteure und vor allem durch den Kurswechsel der muslimischen Regierungen.Der Einfluss des Dschihadismus beschränkt sich seitdem im Großen und Ganzen auf den Irak und die Grenzregionen Pakistans.Anschläge gegen westliche ("christliche") Ziele sind seit dem 11. September rar geworden. Kein einziger Anschlag fand in den USA selbst statt, und nur eine Handvoll in Europa. Es wäre anders gekommen, hätte ein weniger entschlossener, ein weniger selbstbewusster Präsident im Weißen Haus regiert. "Ihr seid für uns oder für den Terrorismus" war der richtige Slogan und die richtige Strategie. Das Chaos, das nach dem Sieg im Irak ausgebrochen war, kann man im Vergleich damit vernachlässigen.
Bush hat auch zur atomaren Abrüstung beigetragen
Bushs Kritiker müssen darüber hinaus auch noch mit einem anderen großen Erfolg fertig werden - der atomaren Abrüstung. Sie begann 2003 mit Libyen, das, aus Angst vor dem, was Bush hätte tun können, seine gesamte Ausrüstung aufgab, die es gekauft hatte, um Atomwaffen herzustellen. Syrien verlor seinen geheimen protonuklearen Reaktor durch einen israelischen Luftangriff im vergangenen September - der mit Bushs Einverständnis stattfand. Das Ende des nordkoreanischen Atomprogramms zeichnet sich ebenfalls endlich ab. Diese Entwicklung könnte sich fortsetzen, wenn Bushs Nachfolger den Druck auf Pjöngjang aufrechterhält.
Erst kürzlich haben sich die USA direkt in die Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm eingeschaltet. Wie immer war zuvor die europäische Diplomatie komplett gescheitert. Während die E 3 - Großbritannien, Frankreich und Deutschland - redeten und redeten, baute Iran munter weiter an seinem Programm und brüstete sich später damit, die Europäer ausgetrickst zu haben. Nun aber kommt diese Angelegenheit zu einem Ende. Bush bot den Iranern großzügige Belohnung für den Stopp der Urananreicherung und den Abbau einiger Anlagen an. Das Angebot entspricht zwar exakt dem der Europäer. Der Unterschied liegt darin, dass die unterschwellige Drohung Bushs - "oder wir behalten uns andere Maßnahmen vor" - dem Angebot einen ganz anderen Nachdruck verlieh.
Dank Bush sind Bau und Verbreitung von Atomwaffen entscheidend verringert worden. Nicht zuletzt im Irak. Denn Saddam hatte die Absicht, sein Atomprogramm nach dem Ende des UN-Embargos 2004 fortzusetzen. Ohne den Irak-Krieg hätten wir es heute nicht nur mit einem iranischen, sondern auch einem irakischen Atomprogramm zu tun ...
Doch nicht genug damit, dass George W. Bushs Erfolge in der Außenpolitik (seine Steuerpolitik steht auf einem anderen Blatt) unterschätzt werden. Auch was die Zukunft der USA selbst anbelangt, liegen derzeit viele Intellektuelle falsch. Eine nicht endende Reihe von Büchern prophezeit den Niedergang der Vereinigten Staaten - das jüngste ist Fareed Zakarias "The Post-American World". Bushs vermeintliches Fehlmanagement wird dabei nur allzu gern zur Ursache für den schwindenden Einfluss der USA erklärt. Hier wird absoluter und relativer Wandel verwechselt. Die Volkswirtschaften Chinas und nun auch Indiens sind stark gewachsen, seit ihre Regierungen den selbstzerstörerischen politischen Kurs aufgegeben haben. Brasilien und viele kleinere Länder von Israel bis Singapur tun dasselbe.
Dies hat zu einer Verringerung des relativen Wohlstands der USA und Europas geführt, während es sie gleichzeitig in großem Maße bereichert hat. Es ist bereichernd, neue Märkte zu erschließen, die amerikanische und deutsche Technologien und europäische Luxusgüter importieren. Und es ist ebenfalls bereichernd - wenn auch in anderer Weise - zu wissen, dass Hunderte Millionen Menschen dem Elend und Schmutz entkommen, sozialen Aufstieg erleben, wenn nicht gar echten Wohlstand erlangen. Der relative statistische Niedergang der Einkommen in den USA und in Europa hat substanziell keine negative Bedeutung - es sei denn, die Wirtschaftskraft von heute würde tatsächlich die militärische Kraft von morgen und richtete sich gegen die USA und Europa. Es ist jedoch absurd anzunehmen, dass sich China, Indien, Brasilien und der Rest der schnell wachsenden Volkswirtschaften gegen die USA und Europa verbünden würden. Das Gegenteil ist weitaus wahrscheinlicher.
China ist seit Jahrzehnten ein Verbündeter der USA. Verfeindet waren sie lediglich zwischen 1950 und 1953. Die Beziehungen zwischen Indien und den USA waren 1971, während des indisch-pakistanischen Kriegs, gespannt. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch sind beide Länder wieder enger zusammengerückt.
Die Vorstellung, China sei mit dem wilhelminischen Deutschland zu vergleichen und warte nur darauf, seinen neuen industriellen Wohlstand in militärische Macht zu verwandeln, würde nur Sinn ergeben, wenn die Chinesen Preußen wären, die sich voll und ganz dem Staatsdienst verschrieben hätten und sich danach sehnten, ihre Söhne in den Krieg zu schicken. Doch so sind die Chinesen nicht und waren es auch niemals. Das chinesische Reich war nur in der Yuan- und in der Qing-Dynastie auf äußerst aggressivem Expansionskurs. Aber die eine wurde durch berittene Mongolen begründet, die andere durch berittene Manchus, beide das Produkt ausländischer Kriegerkulturen. Die Han-Chinesen haben andere Interessen.
Aber was auf die Schwellenländer zutrifft, gilt nicht für Öl fördernde Länder wie Russland, Saudi-Arabien, Iran und Venezuela. Deren wachsender Reichtum ist tatsächlich unser Verlust, weil wir alle die luxuriösen Spielereien der Ölpotentaten und Oligarchen finanzieren. Anders als China oder Indien produzieren die Ölstaaten nichts - das Öl, auf dem sie sitzen, wird in der Regel von ausländischen Firmen gefördert, verarbeitet und verschifft. Außerdem sind diese Länder häufig ganz undemokratisch. Würden sich China, Indien, Brasilien und der Rest der hart arbeitenden Welt wie die parasitischen Ölstaaten benehmen, läge die Zukunft der USA tatsächlich im Dunkeln ...
Doch wenn die Finanzsysteme der USA und Europas unter der kolossalen Anhäufung privater Schulden ächzen, wenn der Kurs früher als sicher geltender Bankaktien über Nacht einbricht, wenn die Glaubwürdigkeit und der Wert des US-Dollars ins Wanken geraten, weil das US-Finanzministerium Garantien in bisher ungekanntem Ausmaß übernehmen muss - dann gewinnt die These vom Niedergang der USA eine gewisse Plausibilität.
Es ist offensichtlich, dass der Rest der Welt aufholt und dass in Moskaus Straßen jede Menge Geld ausgegeben wird, während die politische Macht weiterhin im Kreml konzentriert ist.
Es ist ebenfalls offensichtlich, dass die Vorbehalte gegen pragmatische Lösungen für die Schlüsselprobleme des Landes - den Drogenhandel, die fehlenden öffentlichen Verkehrsmittel und das Gesundheitswesen - den immensen Wohlstand der USA gefährden. Das sind die echten Probleme der USA. Und die Niedergangsliteratur trägt dazu wenig Erhellendes bei. Die wirklich interessante Frage ist, ob Amerika gezwungen sein wird, seine nationalen Probleme zu lösen, oder ob die Amerikaner es vorziehen, sie einfach durch Wachstum zu entschärfen. Ersteres wäre wünschenswert, Letzteres ist jedoch wahrscheinlicher. Die Tür für außerordentliches innovatives Wachstum steht nach wie vor weit offen, und es gibt starke Anzeichen dafür, dass ein weiterer Boom gerade seinen Anfang nimmt - im Energiesektor. Nicht, weil die Amerikaner plötzlich die globale Erwärmung fürchten (die meisten sehen das weiterhin skeptisch), sondern weil fossile Brennstoffe immer teurer werden. Mit einem Mal denken Millionen Amerikaner über Energieeinsparung nach. Der Benzinverbrauch ist stark gesunken, die Nachfrage nach SUVs ist eingebrochen, Hauskäufer verlangen nach gut isolierten Immobilien. Das ist eine Nachricht, die Öl exportierende Länder beunruhigen sollte.
George W. Bush ist nicht gescheitert
Die wohlgesonnenen Kommentatoren sind die zwei großen Fragen zum Rang der USA in der Welt komplett verkehrt herum angegangen - sie glauben, dass Bush dort gescheitert ist, wo er am erfolgreichsten war, und dass China Amerikas Probleme vergrößert, während exakt das Gegenteil der Wirklichkeit entspricht. Aber wie ist es mit den Fragen, die sie nicht stellen? Wann zum Beispiel wird Chinas Kommunistische Partei sich auflösen? Oder wird sie den Kollaps vermeiden können, wenn sie demokratische Reformen zulässt?
Das würde einen chinesisch-amerikanischen Schulterschluss massiv beschleunigen, der militärische Rivalitäten noch unwahrscheinlicher machen würde. Wird die korrupte Unfähigkeit der degenerierten indischen Administration den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes abwürgen? Wird Russland auf Putins autoritärem Kurs weiterfahren, oder wird es als einzigartiges Beispiel einer zentral verwalteten Räuberkultur weiterexistieren? Wird die zunehmende Dezentralisierung Europas in Regionen und Quasistaaten wie Katalonien und Schottland die alten Nationalstaaten ausreichend schwächen, um die Entwicklung einer starken paneuropäischen Regierung zu ermöglichen? Das würde die USA schwächen, die derzeit als Europas einzig funktionierender Koordinator in militärischen und diplomatischen Angelegenheiten dienen. Das ist ebenfalls ziemlich unwahrscheinlich.
Friedman, Zakaria und Co. stellen sich solche Fragen nicht. Ihre Methodik ist einfach falsch, weil sie systematische Forschung ersetzen durch kurze Reisen ins Ausland, wo sie sich nur mit denen unterhalten, die Englisch sprechen, und durch den Besuch internationaler Konferenzen wie Davos, auf denen sie dieselben Leute treffen. Dies fördert die Verbreitung von Klischees, die eine ernsthafte Auseinandersetzung behindern.
Nicht einmal Zakaria kann Beweise dafür liefern, dass es mit dem Entdecker- und Erfindergeist, der die USA und den Rest des Westens so mächtig gemacht hat, zu Ende geht. Wenn überhaupt ist das Gegenteil wahr. China zum Beispiel hat sich die zentralen Bauten der Olympischen Spiele von berühmten westlichen Architekten entwerfen lassen. Es ist die westliche Moderne, die in China und anderswo in der hart arbeitenden Welt die Vorherrschaft errungen hat. Die USA werden weiter die wichtigste Quelle westlicher Innovationskraft bleiben, auch weil ihre Bevölkerung jünger und ihre Gesellschaft durchlässiger ist als die Europas. Daher: auf zum nächsten Boom, der die aktuelle Wirtschaftskrise vergessen machen wird - und auch die obligatorischen Bücher, die nach jedem Weltwirtschaftstreffen in Davos veröffentlicht werden.
Edward Luttwak ist Senior Fellow für Präventive Diplomatie am Center of Strategic and International Studies in Washington D. C. und Mitherausgeber von "Geopolitique" und "Washington Quarterly". Er war Berater des US-Verteidigungsministers, des Nationalen Sicherheitsrates, des US-Außenministeriums. Außerdem hat er den japanischen Finanzminister beraten.
Übersetzung: Elmar Krekeler