31. Dezember 2009

nichts neues unter der sonne

„...die Niedergeschlagenheit und die Furcht vor einer schrecklichen Drangsal, die als Strafgericht über die Stadt heraufziehe, waren fast allgemein… Die Angst der Leute wurde weiterhin auffallend durch den Irrglauben der Zeit gefördert, der, aus Gründen, für die ich keine Erklärung habe, das Volk, ich glaube mehr als jemals zuvor und jemals danach, in den Bann von Prophezeiungen, astrologischen Horoskopen, Traumauslegungen und Altweibergeschichen zog. Ob dieser unselige Geisteszustand ursprünglich durch den Unfug gewisser Leute, die damit Geld verdienten, hervorgerufen wurde (das heißt, sie gaben Vorhersagen und Zukunftsprognosen in Druck), weiß ich nicht; aber sicher ist, dass die Bücher einen gewaltigen Schrecken verbreiteten...“

Daniel Defoe, „Die Pest zu London“, 1722

4. Dezember 2009

Understanding the Surge from ISW on Vimeo.

Obamas Afghanistan-Rede offenbart präsidiale Konfusion

Obamas Afghanistan-Rede offenbart präsidiale Konfusion

Wenn Barack Obama als Oberbefehlshaber auftritt, als Commander-in-Chief, ist das stets surreal. Der Präsident ist fehl am Platze, wirkt gezwungen, gequält. Ein Mangel an Glaubwürdigkeit und Authentizität wird offenbar, wenn er geschmeidig seine talking points abarbeitet. Die lange überfällige Rede („The Way Forward in Afghanistan [1]“) zur Strategie in Afghanistan wurde in Westpoint kühl aufgenommen. Sie beendete monatelanges Zögern und Zaudern [2] in einer Zeit, in der Nato-Soldaten in Afghanistan ihr Leben riskierten und auf ein klares Bekenntnis, eine klare Entscheidung aus Washington warteten.

Die jetzt beschlosse Aufstockung um 30.000 Soldaten ist richtig. Die ganze Absurdität des Lavierens des Präsidenten zwischen offensichtlicher militärischer Notwendigkeit und der Beglückung seiner linken Anti-Kriegs-Basis wird jedoch in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen der Rede deutlich. Man kann diese Sätze als präventive Kapitulationserklärung lesen oder als zynisches Machtkalkül.

„Als Oberbefehlshaber habe ich beschlossen, dass es in unserem vitalen nationalen Interesse ist, 30.000 weitere Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Nach 18 Monaten werden unsere Truppen nach Hause kommen.“

Ich schicke Soldaten, ziehe sie aber sofort wieder ab. Da spricht der ausgebuffte Militärstratege.

Die Nennung eines Abzugsdatums, kaum das die Truppen im Einsatz sind, ist ein Fehler. Die angekündigte Vorgehensweise ist widersprüchlich, unlogisch. Ob Obama wirklich glaubt, dass die zusätzlichen Soldaten in dem jetzt acht Jahre währenden Konflikt innerhalb weniger Monate ein erfolgreiches Ende herbeiführen können und ein verantwortlicher Abzug beginnen kann oder ob er zynisch „politics“ spielt, um seiner Anti-Kriegs-Basis ein paar Brocken hinwerfen zu können, bleibt offen.

Welche Botschaft kommt bei den Taliban an, bei den Verbündeten, bei den Truppen und der Karzai-Regierung ? Das Militär nimmt Obama nicht ab, dass er voll hinter der Mission steht, so wie Bush hinter der surge im Irak 2007. Bereits damals lag Obama mit seiner Einschätzung, die Aufstockung der Truppen werde im Irak nichts bewirken, spektakulär falsch.

Obama lobt zwar die Armee für den Erfolg im Irak. Statt aber Achtung für die historische Entscheidung des 43. Präsidenten zu bekunden, die Truppen aufzustocken, nutzte Obama jede sich bietende Gelegenheit, seinen Amtsvorgänger zu diffamieren. Warum meint er das nötig zu haben ?

Die Taliban wissen jetzt, worauf sie sich einzurichten haben. Anderthalb Jahre abtauchen und dann zum Sturm auf Kabul rüsten. Warum jetzt kämpfen, wenn der Feind auf Sicht abzieht ? Die europäischen Alliierten werden vor diesem Hintergrund alles daran setzen, sich ihren Bündnispflichten auch weiter zu entziehen. Pakistan wird sich auf eine mögliche Machtübernahme der Taliban in zwei bis drei Jahren einrichten. Die Karzai-Regierung ihre Schäfchen ins Trockene bringen und auf gepackten Koffern sitzen.

Werden junge Afghanen zur Armee gehen und ihr Leben riskieren um an die Stelle der Nato-Soldaten zu treten, wenn die USA ankündigen, dass sie ab Juli 2011 mit dem Abzug beginnen und eine nicht ausreichend aufgestockte Truppe sich selbst und einem Feind überlassen, dem sie – noch – nicht gewachsen ist ? Männer mit Verstand werden einen Teufel tun.

Das nicht von den Bedingungen vor Ort abhängige Abzugsdatum demoralisiert die afghanischen Partner und ermutigt die Taliban und al Qaida.

Als Obama in seiner Rede Pakistan ansprach, kam erneut die Frage auf, in welcher Welt der Präsident eigentlich lebt:

„Wir sind der Partnerschaft mit Pakistan verpflichtet, die auf gemeinsamen Interessen, wechselseitigem Respekt und beiderseitigem Vertrauen beruht“.

Kein Wort davon ist wahr !

Afghanistan ist jetzt Obamas Krieg.

Demnächst wird Amerika 100.000 Soldaten im Einsatz haben. Die Hälfte davon hat Obama entsandt. Wenn 2010 die nächsten Kongreßwahlen anstehen, kann er sich nicht mehr hinter George W. Bush verstecken.

Obama verwendete mehr Zeit darauf, Bush zu kritisieren als die Taliban. Typischerweise folgt dies in der Regel unmittelbar auf das Beschwören der Überparteilichkeit. Ein Prinzip, das immer durchsichtiger wird und zu den sinkenden Sympathiewerten Obamas beiträgt.

Die Rede war ein Fiasko. Kein Wort über die Greueltaten der Taliban und von al Qaida. Kein einziges Mal fiel das Wort „Sieg“, kein einziges Mal die Ankündigung, man werde die Taliban bekämpfen und vernichten, wie ihm das noch in der Amtsantrittsrede gelang (“And for those who seek to advance their aims by inducing terror and slaughtering innocents, we say to you now that, ‘Our spirit is stronger and cannot be broken. You cannot outlast us, and we will defeat you.’”).

Obama: Empty Suit in the White House

Wenn es Ernst wird, ist die Luft raus aus dem Mann, den der englische Spectator kürzlich als “empty suit” auf sein Cover nahm.

Stattdessen macht sich der Präsident, der Billionen für die Verstaatlichung der Banken und der Autoindustrie verwendet, der weitere Billionen für die Reform der Krankenversicherung plant Gedanken um $ 30 Milliarden weitere Kosten für den Krieg in Afghanistan. Nur ein Kopfschütteln blieb, als der fade Applaus verklang.

Und die Rede enthält noch ein paar weitere Leckerbissen:

„Daher habe ich es zu einer zentralen Säule meiner Aussenpolitik gemacht, atomare Waffen vor Terroristen sicherzustellen; die Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen“.

Grotesk. Siehe Iran.

„Ich habe dieses Jahr damit verbracht, unsere Allianzen zu erneuern.“

Fragen wir einmal Gordon Brown oder besser noch Israel, Tschechien und Polen. Vielleicht meint Obama aber auch nur seine seifigen Ergebenheitsadressen [4] an die muslimische Welt oder den Diener vor dem saudischen Könige oder dem japanischen Kaiser ?

„Wir müssen es jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind überall auf der Welt, die unter der dunkeln Wolke der Tyrannei leben, klar machen, dass Amerika im Namen ihrer Menschenrechte die Stimme erheben wird, dem Lichte der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Chancen zugewandt und voller Respekt für die Würde aller Völker“.

Den Dalai Lama ausladen, Präsident Clinton zum Fototermin nach Nordkorea schicken und dem Gemetzel in den Strassen Teherans eine Woche sprachlos zusehen qualifiziert nicht gerade für diese abgedroschenen und aus dem Munde Obamas völlig unglaubwürdigen Phrasen.

Jemand sagte kürzlich, Obama wisse nicht, wie man Präsident sei. Ich denke, er hat dafür spätestens am Dienstag in Westpoint den Beweis angetreten.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

5. November 2009

Schach mit einem Affen?

von Steinhöfels Seite


Der 4. November wird jedes Jahr in Teheran gefeiert. Im Jahre 2009 zum 30. Mal: Die Stürmung der US-Botschaft und die folgende, 444 Tage andauernde Geiselnahme von 52 US-Diplomaten. Die amerikanische Reaktion schien Ayatollah Khomeinis Einschätzung zu bestätigen, wonach die USA machtlos gegen den Iran wären („America can’t do a damn thing against us“, Seite 105, Reading Lolita in Tehran : A Memoir in Books von Azar Nafisi).

Was damals seinen Anfang nahm und bis heute – ununterbrochen – Bestand hat, war das Leitmotiv amerikanischer Aussenpolitik gegenüber dem Iran. Die Suche nach „moderaten“ Mullahs. Das Bestreben, einen großen diplomatischen Handel mit ihnen einzugehen. Die Stürmung der Botschaft war die erste Kriegshandlung des theokratischen Irans gegen die USA. Sie steht am Anfang einer langen Reihe gleicher Verbrechen. Dem Mord an iranischen Diplomaten und Militärpersonen in Europa und Nordafrika. An US-Soldaten im Libanon, im Irak und in Afghanistan. Attentate in Afrika, im Nahen Osten, in Saudi-Arabien. Iran trainiert, finanziert und steuert Terrororganisationen, deren Kader Zehntausende zählen. Die Fakten sind bekannt, an der diplomatischen Ausrichtung des Westens haben sie nichts geändert.

„Wir beten nicht den Iran an. Wir beten zu Allah. Patriotismus ist ein anderer Name für Heidentum. Ich sage Euch: Lasst dieses Land (Iran) brennen. Ich sage Euch: Lass dieses Land in Rauch aufgehen, vorausgesetzt der Islam triumphiert im Rest der Welt.“ Ayatollah Khomeini 1979

Es ist ein Fehler anzunehmen, die Mullahs würden wie die Führer herkömmlicher Nationalstaaten denken. Sie sind religiöse Eiferer, die auch um den Preis des Untergangs der Welt die Rückkehr des 12. Imam herbeisehnen.

Um die vor 30 Jahren gekidnappten Geiseln zu befreien, willigte der damalige US-Präsident Jimmy Carter in eine Reihe von demütigenden Konzessionen ein. Am vorletzten Tag seiner Amtszeit unterzeichnete er die „Executive Order“ 12283, durch die rechtliche Schritte gegen die Islamische Republik Iran wegen der Stürmung der Botschaft, des verursachten Schadens und der Misshandlung und psychischen Folter der Gefangenen ausgeschlossen wurden.

Carters Versagen wird durch eine Begebenheit aus dem Jahre 1979 besonders anschaulich. Um die durch die Revolution im Iran zutiefst verunsicherten Saudis zu beruhigen, sandte Carter eine Staffel von Kampfflugzeugen. Um die Mullahs nicht aufzubringen, waren die Flugzeuge unbewaffnet. Die Saudis waren angewidert, die Mullahs zogen ihre eigenen Schlüsse über amerikanische Entschlossenheit.

Ronald Reagan wird heute weitestgehend als erfolgreicher Hardliner betrachtet. Er führte den Fall des Sowjetimperiums herbei, er ordnete die Bombadierung von Libyen nach dem Attentat auf die Berliner Diskothek „LaBelle“ an und genehmigte die spektakuläre Operation von Spezialkräften zur Festnahme der palästinenischen Terroristen, die auf dem Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ den behinderten amerikanischen Staatsbürger Leon Klinghoffer ermordeten.

Gegenüber dem Iran war von dieser Härte nichts zu spüren. Die Iran-Contra-Affäre war ein Tiefpunkt der Präsidentschaft Reagans. Der Abzug der US-Truppen aus dem Libanon im Jahre 1983 ein anderer. Er folgte auf den durch den Iran gesteuerten und von der Hisbollah ausgeführten Terroranschlag auf die Baracken der Marines, bei dem 241 US-Soldaten ums Leben kamen. Auch diese Zögerlichkeit ist den Mullahs nicht verborgen geblieben.

Während der Clinton-Regierung wiederholten sich sämtliche Versatzstücke dieser Diplomatie. Der Glaube daran, es gebe moderate Kleriker und die Hoffnung auf den großen diplomatischen Deal. Dies war umso erstaunlicher, als die Politik Clintons ursprünglich entschlossen gegen die Mullahs gerichtet schien.

Während der Legislatur von Bush 41. wurden die USA der drittgrößte Markt für iranisches Rohöl und im dritten Jahr der Clinton-Regentschaft war Amerika Irans drittgrößter Handelspartner. Keine besonders überzeugende Ausgangsposition, um die Europäer dazu zu bewegen, ernsthafte Sanktionen zu befürworten. In einem politischen Winkelzug, der der Iran-Contra-Affäre in nichts nachstand, genehmigte Clinton während der Jugoslawien-Krise die Lieferung von Waffen durch den Iran an die bosnischen Moslems. Kaum war diese Genehmigung erteilt – diplomatisch verklausuliert; der damalige US-Gesandte Peter Galbraith lies die Kroaten, über die die Waffenlieferungen erfolgten, wissen, er habe diesbezüglich „keine Anweisungen“ –, fielen die Iraner in Bosnien ein, die Revolutionären Garden organisierten die Waffenlieferungen und deren Offiziere unterwanderten die bosnische Armee. Iranische Agenten überall, Aufbau von Wohltätigkeitsorganisationen als Deckung für Terrorkader und khomeniistische Indoktrinationsschulen. In dem Abschlußbericht des Ausschusses des US-Repräsentantenhauses zur Untersuchung der Rolle der Vereinigten Staaten bei Waffenlieferungen an Kroatien und Bosnien heißt es:

„Der iranische Geheimdienst (VEVAK) stürmte in die Region, bildete geheimdienstliche Netzwerke, Systeme zur Unterstützung von Terroristen, rekrutierte ‚Schläfer’…..Die Iraner annektierten große Teile des bosnischen Sicherheitsapparates…bis hin zur gemeinsamen Planung terroristischer Aktivitäten…“.

Teile der bosnischen Regierung unterstützten diverse Al Qaida-Terroristen. Bin Laden erhielt 1993 von der bosnischen Botschaft in Wien einen Pass, Mohammed Atta trainierte in Bosnien, von wo aus er nach Hamburg ging.

Am 25. Juni 1996 ermordeten Terroristen des saudischen Zweigs der Hisbollah in Dharan (Khobar Towers), Saudi-Arabien, neunzehn amerikanische Militärangehörige. Hunderte weitere Amerikaner wurden verletzt, eine nach wie vor unbekannte Zahl saudischer Zivilisten wurde getötet oder verstümmelt. Die Terroristen agierten unter direkter Leitung Teherans, sie wurden zuvor von den Revolutionären Garden im Libanon trainiert.

Im März 2000 entschuldigte sich Clintons Aussenministerin Madeleine Albright bei den Mullahs für angebliche amerikanische Sünden: Die Mithilfe beim Coup gegen Mossadegh, die Unterstützung des Shahs und des Irak im Krieg gegen den Iran.

Die Geschichte liefert kein Beispiel dafür, dass sich ein als revolutionär erachtendes Regime jemals freiwillig und erfolgreich gemässigt hätte. Dafür ist dessen Fall erforderlich. Bill Clinton, wie alle Präsidenten vor ihm seit Jimmy Carter, hat die nötigen Schritte niemals ernsthaft in Erwägung gezogen.

Bei George W. Bush stimmte zumindest die Rhetorik. Aber trotz seiner Reden fehlte es bis zum Ende der zweiten Legislatur an einer kohärenten Iran-Politik. Bush hatte – insoweit - intern eine formidable Opposition: Colin Powell, Richard Armitage, Condoleezza Rice, CIA-Chef George Tenet, ein Überbleibsel der Clinton-Administration.

Gründe für ein konsequenteres und strategisch klareres Vorgehen gegen den Iran gab es genug. 9/11 und die in der Folge entwickelte Bush-Doktrin, die u.a. neben dem Willen zur Pre-Emption die Unterscheidung zwischen Terroristen und ihren Unterstützern eliminiert. Das Streben der Mullahs nach Massenvernichtungswaffen. Und das Vorgehen des Iran im Irak und Afghanistan.

Mitglieder der Revolutionären Garden operierten im Irak, brachten US-Soldaten um und lieferten – im Iran produzierte – roadside bombs und die noch gefährlicheren EFPs , denen eine Vielzahl von US-Soldaten zum Opfer fielen. Vergleichbar operierte der Iran in Afghanistan.

Eine Reaktion der Bush-Administration blieb aus.

Die diplomatischen Aktivitäten hinsichtlich des iranischen Atomprogramms überließ man zunächst den EU3 (Deutschland, Frankreich, England) und deren Aussenministern Fischer, Straw und de Villepin (von Colin Powell als „Die drei Tenöre“ verspottet).

Deren Aktivitäten sind mit selbstherrlich, unkoordiniert, naiv, charakterlos und gefährlich schmeichelhaft umschrieben. Die Herren Aussenminister wollten den Vereinigten Staaten in der Folge des Irak-Kriegs demonstrieren, dass sie die Proliferation von Massenvernichtungswaffen besser und ohne den Einsatz von Gewalt verhindern könnten. Die schier endlosen Verhandlungen mit dem Iran, durch groteske Briefwechsel (die Schreiben der EU3 wirken wie Bittschriften) und vor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA), basierten auf der Hoffnung der EU3, den Iran zur Unterbrechnung der Anreicherung von Uran bewegen zu können und diesen Stillstand für Verhandlungen zu nutzen. Für dreieinhalb Jahre gab dies dem Iran genau das, was er wollte. Zeit, um mit russischer Hilfe die technischen Schwierigkeiten bei der Anreicherung von Uran zu meistern. Die Verhandlungen brachten nichts, abgesehen von der zunehmenden Gefahr durch ein weit fortgeschrittenes Nuklearwaffenprogramm. Sie waren ein klassisches Beispiel für Diplomatie, die auf nichts als heißer Luft beruhte. Sie kreierte die Illusion von Sicherheit, während sie sie tatsächlich unterminierte.

Traurig, dass es Deutschland war, das gegenüber dem Iran sogar noch weniger Rückgrat bewies als England und Frankreich. Das chaotische und peinliche Bild, dass die Verhandlungsführer der EU3 in Sachen Iran (Sawers, Michael Schäfer und de Laboulaye, Powell: „Die drei kleinen Tenöre“) beim G8-Treffen am 15. Oktober 2004 abgaben, als sie sich auf die Frage, was die EU unter „Einstellung der Anreicherung von Uran“ verstehe, verwirrt ins Wort fielen und widersprachen, dürfte einer der Tiefpunkte europäischer Diplomatie gewesen sein (oder auch nicht).

Während dieser Verhandlungen brach der Iran die Siegel der IAEA an den Zentrifugen, unterbrach die Urananreicherung faktisch gar nicht und gab – fortwährend – Erklärungen ab wie die des stellvertretenden Verhandlungsführers Hossein Mousavian:

„Die Europäer wollen die Beendigung der Urananreicherung. Aber dies wird nie passieren“.

Derartige Erklärungen ziehen sich – bis heute – wie ein roter Faden durch die öffentlichen Verlautbarungen des Regimes. Die einzige Reaktion der EU3 war es, ihre Anforderungen noch weiter zu verwässern, noch größere Versprechungen zu machen und schlicht und einfach nicht zu erkennen, das „Nein“ eine negative Antwort ist.

Die naive Aussenpolitik der aktuellen US-Administration fügt sich nahtlos in die der vergangenen dreissig Jahre ein. Sie wirkt wie ein schales Aufwärmen der kläglichen Versuche von Jimmy Carter, mit einem, erst recht nach den „Wahlen“ vom Juni, völlig deligitimierten Regime ins Geschäft zu kommen, zu dessen wesentlichen Glaubenssätzen der Ruf „Death to America“ gehört.

Die neue US-Regierung hat nichts erreicht. Ihr Ziel bei den aktuellen Verhandlungen war es, Iran zur Zustimmung zu bewegen, die Anreicherung seines Urans im Ausland stattfinden zu lassen und die gebrauchten Brennstäbe sofort ausser Landes zu bringen. Dahinter steht der Gedanke, die Menge des im Iran befindlichen Urans ständig auf einem so geringen Niveau zu halten, dass zu keinem Zeitpunkt genügend spaltbares Material für eine Bombe dort verbleibt und somit Zeit für weitere Verhandlungen gewonnen wird. Ein Plan, der keineswegs neu ist, sondern von den Israelis im Januar 2002 erstmals gegenüber den USA ins Gespräch gebracht wurde.

Den Mullahs war es aber offenkundig nicht ausreichend, dass die USA mit dieser Verhandlungsstrategie gleich vier bindende Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, die dem Iran die Anreicherung von Uran untersagten, ignorierten. Und es erschien ihnen auch nicht ausreichend, dass Russland und Frankreich mit dem Segen der Amerikaner das schwach angereicherte Uran bis auf 19,75 % anreichern würden, eine Haaresbreite unter der waffenfähigen Grenze von 20 %.

Die Mullahs wollen vielmehr ihr gesamtes, leicht angereichertes Uran im Lande behalten und zusätzlichen Brennstoff im Ausland hinzukaufen. Für einen „medizinischen Forschungsreaktor“.

Die „internationale Gemeinschaft“ begreift auch diesmal nicht die Bedeutung von „Nein“. Passagen wie die folgende sind skurril und grotesk:

„Die Vermittler verstärken nun den Druck auf die islamische Republik. Russland und Großbritannien forderten Iran auf, den Kompromissvorschlag anzunehmen. London erwarte eine “schnelle Reaktion”, sagte der britische Außenminister David Miliband nach Angaben der Agentur Interfax bei einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. Lawrow verlangte zudem ein neues Treffen der fünf Vetomächte und Deutschlands mit Iran, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

Auch Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner wird ungeduldig. Er warnte die islamische Republik vor Verzögerungstaktiken. Falls die Antwort Irans auf den Kompromissvorschlag vor allem dazu diene, Zeit zu gewinnen, was zu vermuten sei, werde sie nicht akzeptiert, sagte er.“

Die Vermittler verstärken den Druck ! Es ist wohl eher Ahmadinedschad, der Recht hat, wenn er auf eine Äußerung Khomeinis Bezug nimmt und erklärt:

„Alle Sicherheitsresolutionen in der Welt können rein gar nichts daran ändern, dass der Iran sein Atomprogramm fortentwickelt.“

Und am vergangenen Donnerstag in einer Rede in Mashhad, die im staatlichen Fernsehen übertragen wurde:

„Vor einigen Jahren sagte man uns, wir hätten alle unsere nuklearen Aktivitäten komplett einzustellen. Jetzt schaut, wo wir heute stehen. Jetzt sind sie es, die eine nukleare Kooperation mit der iranischen Nation wollen“.

Am Dienstag erfolgte ein weiterer Schlag ins Gesicht der “Verhandlungen-Über-Alles”-Befürworter. Der “oberste religiöse Führer” des Iran, Ayatollah Ali Khamenei bezichtigte die USA der Arroganz.

“Wenn irgendjemand die Rechte der iranischen Nation zu verletzen beabsichtigt, wird sich die Nation geschlossen dagegen erheben und ihn auf die Knie zwingen”.

Es hat den Anschein, als täten die Verhandlungsführer Khamenei diesen Gefallen des präventiven Kniefalls. In einem Artikel im „Telegraph“ wird ein an den Verhandlungen mit dem Iran teilnehmender Diplomat wie folgt zitiert:

„Es ist, als ob man Schach mit einem Affen spielt. Man setzt ihn schachmatt und dann verschluckt er den König“.

Affen mit Atomwaffen. Wollen wir unser Leben darauf verwetten, dass man sie abschrecken kann?

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

3. November 2009

Kauft nicht beim Siedler

von Lizaswelt

Wenn keine Überraschung mehr geschieht, wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Antrag einer deutschen Behörde in Kürze eine explizit politische Entscheidung treffen und durch ein Urteil die israelischen Siedlungen in den umstrittenen Gebieten für illegal erklären sowie de facto Sanktionen gegen Israel verhängen.

Anlass für den bevorstehenden Entschluss des EuGH ist ein Antrag der deutschen Firma Brita GmbH auf Erstattung von Einfuhrgebühren in Höhe von 19.155,46 Euro. Diese Summe hatte der Hamburger Zoll kassiert, als das Unternehmen eine Ladung Sprudelgeräte des israelischen Herstellers Soda Club importiert hatte. Darüber wunderte man sich bei Brita, denn die Einfuhr israelischer Güter in die Europäische Union ist nach einem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem jüdischen Staat vom November 1995 zollfrei. Das Hauptzollamt Hamburg-Hafen wollte dennoch von der zuständigen israelischen Zollbehörde ganz genau wissen, wo die Waren produziert wurden, und begnügte sich nicht mit der wahrheitsgemäßen Antwort, sie stammten aus einem „Gebiet unter israelischer Zollverwaltung“. Da Soda Club seine Erzeugnisse in der östlich von Jerusalem gelegenen israelischen Siedlung Ma’ale Adumim herstellen lässt, befanden die deutschen Beamten schließlich kraft souveräner Willkür, die Deklaration „Made in Israel“ sei unzutreffend, und belegten den Import mit einem Zoll.

Dagegen klagte Brita vor dem Finanzgericht Hamburg, das seinerseits – da die Angelegenheit unter das Europarecht fällt – den EuGH um eine so genannte Vorabentscheidung bat. Diese Entscheidung ist zwar noch nicht getroffen worden; am vergangenen Donnerstag veröffentlichte der EuGH-Generalanwalt Yves Bot jedoch seinen Schlussantrag, und diesen Plädoyers folgen die Luxemburger Richter in aller Regel. Bot bestätigte in seinen Ausführungen dem deutschen Zoll, richtig gehandelt zu haben, als er Abgaben für die Einfuhr der Sodageräte nahm. Er wolle daran erinnern, verlautbarte Bot, „dass die Grenzen Israels durch den Teilungsplan für Palästina festgelegt wurden, der am 29. November 1947 von den Vereinten Nationen angenommen wurde“. Nach diesem Plan seien „die Gebiete Westjordanland und Gazastreifen kein Teil des Gebiets Israels“; dort erzeugte Güter fielen daher nicht unter das Freihandelsabkommen zwischen der EG und dem jüdischen Staat. Auch auf das europäische Abkommen mit der PLO aus dem Jahr 1997 könne sich Brita nicht berufen, denn dazu hätten die palästinensischen Behörden den Ursprungsnachweis unterzeichnen müssen.

Sollte der EuGH erwartungsgemäß seinem Generalanwalt folgen, träfe er damit auf den Antrag einer deutschen Behörde hin eine originär politische und für alle EU-Staaten verbindliche Entscheidung: Er würde israelische Siedlungen in den umstrittenen Gebieten durchweg für illegal erklären, durch die Zollerhebung faktisch Sanktionsmaßnahmen gegen Israel ergreifen und damit ein Exempel statuieren, das für Israel weit reichende Folgen hätte – sowohl in politischer als auch in ökonomischer Hinsicht; schließlich ist die EU für den jüdischen Staat nach den USA der zweitgrößte Absatzmarkt. Die vormalige schwarz-rote Bundesregierung hatte das Vorgehen des Hamburger Zollamts ausdrücklich begrüßt: Eine Zollbefreiung für „Waren aus den besetzten Gebieten“ könne es nicht geben, hieß es Anfang Juni in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag. An dieser Sichtweise dürfte sich auch unter der schwarz-gelben Koalition nichts ändern. „Während die US-Regierung bislang nur rhetorisch Druck auf die israelische Siedlungspolitik ausübt, traut sich die EU bereits einen Schritt weiter“, frohlockte denn auch Christoph Schult auf Spiegel-Online.

Dass der EuGH-Generalanwalt den Teilungsbeschluss der Uno aus dem Jahr 1947 zur Grundlage seines Antrags machte, entbehrt übrigens nicht einer gewissen Pikanterie – und das nicht nur deshalb, weil die arabischen Staaten ihn bekanntlich rundweg ablehnten. Vielmehr könnten auf dieser Basis künftig auch Produkte aus anderen Orten des heutigen Israel nicht mehr zollfrei nach Europa eingeführt werden, beispielsweise wenn sie aus Akko stammen, das im Teilungsplan einem prospektiven arabischen Staat zugerechnet worden war. Womöglich sollte man den Generalanwalt auch an die Konferenz von Khartum aus dem Jahr 1967 erinnern, auf der die arabischen Staaten nicht nur das israelische Angebot ausschlugen, über die Rückgabe der im Sechstagekrieg von Israel eroberten Gebiete zu verhandeln – die zuvor von Jordanien (Westjordanland) respektive Ägypten (Gazastreifen) widerrechtlich besetzt waren –, sondern darüber hinaus ihr berühmt gewordenes „dreifachen Nein“ verkündeten: Nein zum Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel.

Und schließlich ist es bemerkenswert, dass sowohl das Hauptzollamt Hamburg-Hafen als auch der EuGH-Generalanwalt mit der Entscheidung, Produkten aus den umstrittenen Gebieten die Zollfreiheit zu verweigern, sich faktisch die alte Position des berüchtigten Muftis von Jerusalem zu Eigen machten: Keinen Quadratzentimeter des heiligen muslimischen Bodens für einen souveränen jüdischen Staat. Denn die inzwischen rund 40.000 Einwohner zählende Stadt Ma’ale Adumim, der Sitz des Unternehmens Soda Club, gehört zu den wenigen israelischen Siedlungen, die sowohl nach dem Friedensplan des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton vom Dezember 2000 als auch nach den Vorstellungen der nicht nur hierzulande so euphorisch begrüßten Genfer Initiative bestehen bleiben und dem israelischen Kernland angegliedert werden sollten – im Austausch gegen den Palästinensern zu überantwortende israelische Ländereien nahe dem Gazastreifen und im südlichen Westjordanland. Dass es zu diesem Tausch bis heute nicht kam, liegt daran, dass die palästinensische Seite noch jede Friedensverhandlungen torpedierte und neuerlich zum Terror griff – nötigenfalls im allerletzten Moment.

Das wird nun auch noch belohnt – von einer deutschen Zollbehörde (mit Billigung der Bundesregierung) und aller Voraussicht nach zudem vom Europäischen Gerichtshof. Wenn es nicht so schrecklich hilflos wäre, müsste man glatt geneigt sein, diesen „Kauft nicht beim Juden aus den Siedlungen“-Aufruf mit einem massenhaften Erwerb von Sprudelgeräten der Firma Soda Club zu beantworten und dem Mineralwasser europäischer Provenienz vollständig zu entsagen. In jedem Fall braucht’s aber ein Gläschen Yarden-Wein vom israelischen Golan zur Beruhigung der Nerven. Le chaim!

Obamas Chance unter der Lupe :-)

2. November 2009

Honduras gewinnt - trotz seiner Heiligkeit Barak Hussein Obama!

von Joachim Steinhöfel

In Honduras gehen vier Monate diplomatischen Tauziehens zu Ende. Und die richtige Seite hat gewonnen. Die Demokraten, die in unseren arglosen Medien als Putschisten diffamiert wurden, tatsächlich aber Präsident Manuel Zelaya völlig legal aus dem Amt entfernten.

Manuel Zelaya, ein peinlicher Möchtegern Chavez, der Drogenkorruption verdächtig und bisheriger Präsident Honduras war auf eine Verfassungsänderung per Volksabstimmung aus, die ihm eine gesetzlich nicht vorgesehene weitere Amtszeit ermöglichen sollte. Das Verfassungsgericht, aber auch der Kongress, der Generalstaatsanwalt und der Ombudsmann für Menschenrechte von Honduras erklärten diesen Schritt für unzulässig, nur der Honduranische Kongress könne eine solche Verfassungsänderung beschliessen. Als der oberste Militär des Landes sich in Einklang mit den demokratischen Organen und dem obersten Gericht des Landes weigerte, die Wahlurnen für dieses verfassungswidrige Referendum durch die Armee aufstellen zu lassen, feuerte ihn Zelaya. Das Verfassungsgericht erklärte dies als illegal und setzte ihn wieder ein, Zelaya entließ ihn erneut.

Kurz darauf wurde Zelaya von der Armee festgenommen und nach Costa Rica ausgeflogen, nachdem das Verfassungsgericht seine Entfernung aus dem Amt angeordnet hatte.

Das Ausland stellte sich dabei auf die Seite eines Mannes, dessen Bestreben es war, mit Hilfe seines Gönners Chavez die Demokratie in Honduras auseinander zu nehmen. Das sich die neue US-Administration des Friedensnobelpreisträgers dabei in der Gesellschaft von Hugo Chavez, den Castro-Brüdern und Daniel Ortega befand, sollte jeden moralischen Kompaß wild ausschlagen lassen.

Jetzt wird Zelayas Gesuch um Wiedereinsetzung in das Präsidentenamt dem Verfassungsgericht und dem Kongress vorgelegt, die USA beenden im Gegenzug ihre Sanktionen und akzeptieren das Ergebnis der für Ende November angesetzten Wahlen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass es zu einer Wiedereinsetzung Zelayas kommen wird, bedenkt man, dass das Gericht bereits zweimal anders entschieden hat.

Es ist beeindruckend, wie die honduranische Demokratie sich gegen den Druck der USA und gegen die Unterminierungsversuche der autoritären Nachbarstaaten behauptet hat. Das kleine Land hat sich nicht wie eine Bananenrepublik herumschubsen lassen. Die Performance der US-Regierung in Mittelamerika erinnerte an die dunklen Zeiten ihrer Aussenpolitik aus lange zurückliegenden Jahrzehnten.

Clinton versucht das Ergebnis jetzt zwar als diplomatischen Triumph darzustellen. Dem ist auch so. Allerdings ist es ein Triumph für die „Putschisten“, nicht für Clinton.

Die US-Aussenministerin muss froh sein, dass die Krise ohne erneuten Gesichtsverlust (wie das Debakel ihres Moskau-Besuches) ein Ende findet. Und zwar mutmaßlich genau so, wie es die Honduraner von Anfang an geplant hatten.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

Islamisten Polka

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20. Oktober 2009

Goldstones willige Helfer

von Lizas Welt


Der Goldstone-Bericht ist ein antiisraelisches Machwerk, das de facto auf das Konto israelfeindlicher NGOs geht, die maßgeblich aus Europa finanziert werden und aus deren Mitte das Personal kommt, das über den jüdischen Staat zu Gericht saß.

Eigentlich gibt es über den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen kein Wort mehr zu verlieren. Spätestens nach der absurden „Durban II“-Konferenz im April dieses Jahres und der bizarren Propagandaveranstaltung für Sri Lanka Anfang Juni sollte jedem, der zumindest noch ein paar Latten am Zaun hat, zweierlei deutlich geworden sein: erstens, dass dieses Gremium seinem Namen bitteren Hohn spricht, und zweitens, dass genau das kein Zufall ist, sondern genuiner Ausdruck der hinfälligen Strukturen der Uno. Denn die „Weltorganisation“ macht keine Fehler, sie ist der Fehler, wie Lukas Lambert in der Wochenzeitung Jungle World treffend feststellte: „Die Uno ist ein Kind des Westfälischen Staatensystems. Die unantastbare Souveränität des Nationalstaates ist Grundlage und Modus Operandi der Weltorganisation: ein Staat – eine Stimme. Die Qualität der internationalen Menschenrechtspolitik wird dementsprechend zu einer Frage der Mehrheit, und die ist in fast allen UN-Gremien, den Sicherheitsrat ausgenommen, auf der Seite der arabischen und islamischen Länder. Innerhalb dieser Mehrheit hilft man sich gegenseitig, wählt sich in Menschenrechtsgremien und sorgt dafür, dass Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land nicht zur Sprache kommen. Gleichzeitig sind Angriffe auf Israel das allgemein anerkannte Mittel, um das eigene Engagement in Menschenrechtsfragen zu demonstrieren.“

Wenn hier aber doch noch einmal eine Beschäftigung mit diesem Unmenschenrat erfolgen soll, dann vor allem deshalb, weil es sich lohnt, ein paar Takte zu den Organisationen zu sagen, die ihn entscheidend munitionieren. Und kein Beispiel eignet sich dafür so gut wie der so genannte Goldstone-Bericht, jene backsteindicke Anklageschrift gegen Israel also, die seit ihrer Veröffentlichung Mitte September durch die Medien gereicht wird und heute auch im UN-Sicherheitsrat ein Thema ist. Ihren Ausgangspunkt hatte sie im vergangenen Januar, als der Menschenrechtsrat auf Antrag von Kuba, Ägypten und Pakistan beschloss, eine Kommission einzusetzen, die „alle Menschenrechtsverletzungen der Besatzungsmacht Israel gegen das palästinensische Volk in den besetzten palästinensischen Gebieten“ während der Militärschläge gegen die Hamas zu Beginn dieses Jahres untersuchen sollte. Es war so unvermeidlich wie das „Allahu akbar“ in der Moschee, was bei dieser Untersuchung herauskommen würde – auch wenn der seinerzeitige Vorsitzende des Rats nach Protesten der europäischen Ratsmitglieder sowie Kanadas und Japans das Mandat etwas modifizierte und die „Fact Finding Mission“ unter der Leitung des südafrikanischen Juristen Richard Goldstone (Foto) letztlich den Auftrag erhielt, „sämtliche möglicherweise begangenen Menschenrechtsverletzungen im Kontext der Militäroperationen in Gaza“ zu erforschen.

Die israelische Regierung jedenfalls weigerte sich aus guten Gründen, mit der Goldstone-Kommission zusammenzuarbeiten. „Sie werden verstehen“, schrieb der Leiter der Ständigen Vertretung Israels bei den Vereinten Nationen in Genf, Aharon Leshno-Yaar, in einem Brief an Goldstone, „dass Israel nicht willens ist, eine Instanz zu legitimieren, die den rechtmäßigen Einsatz von Gewalt zum Schutz seiner Bürger untersuchen soll, während gleichzeitig von ihr verlangt wird, den illegalen Gebrauch von Gewalt durch terroristische Gruppen, die diesen Einsatz überhaupt erst notwendig gemacht hat, zu ignorieren.“ Bestätigt fühlte Israel sich in seinem Schritt nicht zuletzt durch Meldungen, nach denen die Kommission bei ihren Recherchen im Gazastreifen ständig von Hamas-Offiziellen begleitet wird. „Wir bezweifeln, dass unter diesen Umständen wahrheitsgemäß über die Lage in Gaza und insbesondere über den zynischen Missbrauch der Zivilbevölkerung durch die Hamas berichtet werden wird“, erklärte Leshno-Yaar.

Sie zweifelten zu Recht: Während dem jüdischen Staat im Goldstone-Bericht ein ums andere Mal „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschheit“ vorgeworfen werden, findet der Raketenterror der Hamas lediglich beiläufig Erwähnung. Die Untersuchung der Kommission ist bis ins Detail voller Absonderlichkeiten. So heißt es beispielsweise, nicht einmal 17 Prozent der getöteten Palästinenser seien Kombattanten gewesen – auf eine solche Zahl kann man jedoch nur kommen, wenn man, wie im Bericht geschehen, selbst die Polizisten im Gazastreifen zu den Zivilisten rechnet, obwohl über 90 Prozent von ihnen zum militärischen Flügel der Hamas gehören. Vom Vorwurf, tatsächliche Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht zu haben, wird die Hamas glatt freigesprochen; überdies wollen Goldstone und seine Kollegen schlicht keine Beweise dafür gefunden haben, dass die Gotteskriegertruppe Waffen und Munition in Moscheen, Schulen und Krankenhäusern gelagert hat – wodurch israelische Angriffe auf diese Einrichtungen zwangsläufig zu Kriegsverbrechen mutieren, obwohl noch nicht einmal die Hamas abstreitet, derlei Depots angelegt zu haben.

Das Erstaunen über solche und andere Rechercheergebnisse lässt allerdings rasch nach, wenn man sich die Quellen näher ansieht, auf die in dem 575 Seiten umfassenden Konvolut Bezug genommen wird: Über 500 Belegstellen stammen von notorisch antiisraelischen Nichtregierungsorganisationen, wie NGO Monitor errechnet hat. Augenscheinlich war die Kommission also vor allem damit beschäftigt, Zitate aus Publikationen, Stellungnahmen und „Zeugenaussagen“ dieser NGOs zu sammeln – von Human Rights Watch und von Amnesty International, vom Palestinian Center for Human Rights und von Al-Haq, von B’Tselem und von Breaking the Silence, um nur einige zu nennen. Die Aktivitäten dieser so genannten Menschenrechtsorganisationen sprechen Bände: Human Rights Watch beispielsweise scheut sich nicht einmal, in Saudi-Arabien Spenden für seinen Kampf gegen Israel einzutreiben, und geriet erst kürzlich wieder in die Kritik, als ruchbar wurde, dass ein Hauptverantwortlicher einen ausgeprägten Nazifetisch pflegt. Al-Haq forderte unlängst gemeinsam mit der NGO Al-Mezan allen Ernstes ein britisches Gericht auf, gegen den zu Gesprächen in Großbritannien weilenden israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak einen Haftbefehl wegen „Kriegsverbrechen“ zu erlassen. Und Breaking the Silence machte zuletzt Mitte Juli mit einem Bericht von sich reden, in dem der israelischen Armee vorgeworfen wurde, im Rahmen der Operation Cast Lead palästinensische Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht oder gar ohne Vorwarnung erschossen zu haben. Kronzeugen der Anklage waren dabei 27 israelische Soldaten, die jedoch anonym blieben und die angeblichen Verbrechen zudem nur vom Hörensagen kannten.

Offiziell sind „Fact Finding Missions“ der Uno der „Akkuratesse, Objektivität, Transparenz und Glaubwürdigkeit“ verpflichtet. Doch die Goldstone-Kommission hatte zu dieser Verpflichtung, zurückhaltend formuliert, ein eher taktisches Verhältnis und prüfte die verwendeten Quellen jedenfalls nicht weiter. Womöglich spielte dabei eine Rolle, dass einige ihrer Mitglieder früher selbst in antiisraelischen NGOs oder deren Umfeld aktiv waren. Richard Goldstone etwa gehörte Human Rights Watch in führender Position an und trat erst nach seiner Ernennung zum Vorsitzenden der Untersuchungskommission aus der Organisation aus. Seine Kommissionskollegin Christine Chinkin war Beraterin von Amnesty International und Unterzeichnerin eines öffentlichen Protestschreibens mit dem Titel „Israels Bombardierung von Gaza ist keine Selbstverteidigung, sondern ein Kriegsverbrechen“. Und die Kommissionsmitglieder Hina Jilani und Desmond Travers gehörten gemeinsam mit Goldstone zu den Unterzeichnern eines Schreibens an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, in dem sie sich „schockiert“ über die Ereignisse in Gaza zeigten (wohingegen sie die Raketenangriffe auf Sderot und andere israelische Orte unerwähnt ließen).

Bemerkenswert ist aber auch, dass die antiisraelischen Nichtregierungsorganisationen, deren Aktivitäten und Statements für die Goldstone-Kommission so unerlässlich waren, von europäischen Regierungen und der Europäischen Union großzügig gesponsert werden. Das Palestinian Center for Human Rights etwa erhält Zuwendungen aus Schweden, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, der Schweiz und von der EU; auch Breaking the Silence wird von der EU finanziert und darüber hinaus unter anderem von der niederländischen und der britischen Regierung. „Made in Europe“ nennt NGO Monitor daher treffend den von antiisraelischen NGOs getragenen Goldstone-Bericht: „Die hochgradig einseitigen Anschuldigungen und die Aufmerksamkeit, die diesen Organisationen gewidmet wird, werden, wie auch weitere Aspekte der Durban-Strategie, durch die Finanzmittel europäischer Regierungen erst ermöglicht. Die Aktivitäten dieser NGOs basieren auf einer Interpretation von internationalem Recht und den Menschenrechten, die nur dazu dient, Israel zu dämonisieren. Diese Gruppen wollen negative Publicity für Israel, nicht ‚Gerechtigkeit’.“ Und deshalb sind sie auch nicht, wie immer wieder fälschlich angenommen wird, an einer Beilegung des Krieges gegen Israel interessiert, sondern im Gegenteil an dessen beständiger Fortführung – schließlich sichert genau dies ihren Platz an den europäischen Fleischtöpfen.

Eine „Verhöhnung der Geschichte“ nannte der israelische Staatspräsident Shimon Peres den Goldstone-Bericht, über den der UN-Menschenrechtsrat nun noch abzustimmen hat, völlig zu Recht. Die Kommission habe nicht zwischen dem Aggressor und einem Staat unterschieden, der sein Recht auf Selbstverteidigung wahrgenommen habe. Während die Hamas israelisches Gebiet mit Raketen beschossen habe, sei Israel immer wieder vergeblich an die Uno herangetreten, um ein Ende der Angriffe zu erreichen. Israels Premierminister Benjamin Netanyahu sagte, wenn der Bericht vor den UN-Sicherheitsrat komme – der seinerseits theoretisch den Internationalen Strafgerichtshof anrufen könnte –, sei dies gleichbedeutend mit dem Ende des Friedensprozesses. Dieser Klartext ist unbedingt zu begrüßen. Denn die Vereinten Nationen sind wie die sie tragenden NGOs kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. Sie sind keine den Menschenrechten verpflichtete Instanzen, sondern Kriegsparteien – gegen den jüdischen Staat.

Maoistin im Weißen Haus

von Joachim Steinhöfel

Was wäre wohl in Deutschland los, würde einer der Top-Berater von Kanzlerin Merkel Adolf Hitler als seinen favorisierten politischen Philosophen bezeichnen ? Und Studenten, vor denen er eine Rede hält, Hitler voller Wärme als wichtigen Ratgeber ans Herz legen ?

Wer die alten Seilschaften des US-Präsidenten (Ayers, Wright, Pfleger, Khalidi) und seine Karriere im durch und durch korrupten Chicago kennt, wird sich nicht darüber wundern, dass im Weißen Haus Marxismus und Klassenkampf salonfähig geworden zu sein scheinen. Obamas Kandidat für den Posten des „diversity officer“ bei der Rundfunkbehörde FCC ist Mark Lloyd; ein großer Fan des venezuelanischen Diktators Hugo Chavez. Der von Obama zum „Umweltzaren“ (Special Adviser for Green Jobs, Enterprise and Innovation at the White House Council on Environmental Quality) ernannte Van Jones, ein Mann mit einer Polizeiakte wegen mehrfacher Festnahmen, der bei früheren Administrationen das Weiße Haus nicht einmal hätte besichtigen dürfen, musste kürzlich zurücktreten. Jones ist bekennender Kommunist, was nach dem Untergang dieser Ideologie überwiegend der Unterhaltung dienen und zum Schmunzeln Anlass geben mag. Dieser Psychopath glaubt allerdings auch, dass Präsident Bush für die Anschläge von 9/11 verantwortlich sei. Er ist Unterzeichner einer entsprechenden Petition.

Neu im Fokus: Anita Dunn. Nicht irgendeine Praktikantin aus der zweiten Reihe, deren Jugendsünden man ausgegraben und aus dem Kontext gerissen hat. Dunn war Top-Beraterin des Präsidenten in dessen Wahlkampf, ist aktuell White House Communications Director und mit David Axelrod, Rahm Emmanuel, David Plouffe und Robert Gibbs engste Beraterin von Obama. Anita Dunn ist mit dem persönlichen Anwalt Barack Obamas, Robert Bauer, verheiratet. Das Magazin „Newsweek“ bezeichnet Dunn/Bauer als das neue „power couple“ in Washington D.C.

Im letzen Juni hielt Dunn vor Studenten eine leidenschaftliche Rede über die politischen Philosophen, die ihr am nähesten stünden. Einer war Mutter Teresa, der andere Mao Tse-Tung.

Mao Tse-Tung. Das Monster. Der grösste Massenmörder in der Geschichte der Menschheit, der – in Friedenszeiten - für den Tod von 50 bis 100 Millionen Menschen verantwortlich war. Straflager, Folter, Ausrottung von Intellektuellen, Massenerschiessungen.

Man sollte Dunn dabei zusehen, wie sie voller Wärme und Enthusiasmus von diesem Ungeheuer spricht, um sich ein Bild davon zu machen, von welchem ideologischen Kaliber die engsten Berater des Friedensnobelpreisträgers sind. Dessen schandvolle Weigerung, den Dalai Lama zu treffen, ist nur ein kleiner Mosaikstein in einer durch und durch amateurhaften, irregeleiteten, stümperhaften und ideologisch pervertierten Administration.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

Update: Die Linksverteidiger finden die Performance von Frau Dunn selbstverständlich völlig in Ordnung

Totgerüstet

von Malte Lehming

Wenn man die Deutschen fragt, wem sie die Einheit zu verdanken haben, nennen sie drei Namen: Gorbi, Gorbi und Gorbi. Michail Sergejewitsch Gorbatschow, der ehemalige KP-Parteichef und Präsident der Sowjetunion, habe Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau) erfunden, den Kalten Krieg beendet, durch Distanzierung von der Breschnew-Doktrin den osteuropäischen Ländern die Freiheit geschenkt, dafür bekam er den Friedensnobelpreis und wurde vom Time-Magazin zum „Mann des Jahrzehnts“ gekürt. Ungefähr so hat Lieschen Müller die Ereignisse abgespeichert. In ihrem Narrativ ist Gorbi eine Art Barack Obama der Sowjetunion.

Dass aber Gorbatschow kein Treiber, sondern ein Getriebener war, wird darin ausgeblendet. Und wer wüsste das besser als dessen damaliger Außenminister, Eduard Schewardnadse? Der hat jetzt in einem „Focus“-Interview auf das materielle Sein hinter dem neuen Bewusstsein hingewiesen. Die US-Pläne für ein Raketensystem im Weltraum, so Schewardnadse, hätten geholfen, die deutsche Einheit möglich zu machen. Nanu? Genau! Durch das SDI-Projekt von Ronald Reagan sei die Sowjetunion sowohl auf einen Entspannungskurs gezwungen worden als auch zur Anerkennung der deutschen Einheit. Wohlgemerkt, nicht nur amerikanische Falken behaupten, die UdSSR sei totgerüstet worden, inzwischen schließen sich diesem Urteil auch die intimsten Kenner dieses Teils der Geschichte an.

Das wird, so viel ist gewiss, die deutsche Gorbi-Verehrung nicht mindern. Denn die ist seit jeher gegen Fakten gefeit. Dass da in Moskau ein purer Apparatschik an die Macht gekommen war, der schon als 25-Jähriger zur Nomenklatura gehört hatte, maßgeblich gefördert von den Politbüro-Mentoren Suslow und Andropow (Ex-Geheimdienstchef), dessen oberstes Ziel nicht die Förderung von Freiheit und Unabhängigkeit war, sondern die Rettung der Sowjetunion vor dem wirtschaftlichen Kollaps – all das wird in der Gorbimanie verdrängt. Rund ein Viertel des Bruttosozialprodukts flossen in der UdSSR damals in die Rüstung, seit 1982 stagnierten Wachstum und Pro-Kopf-Einkommen, Inflation, Mangelwirtschaft und Korruption waren weit verbreitet, in Afghanistan erlitt die Rote Armee eine herbe Niederlage (rollender Schrott). Der Konkurrenzkampf der Supermächte schien verloren. Das imperialistische kapitalistische System triumphierte über das sozialistische Weltsystem.

Darauf hatte Reagan mit seiner berühmten Juni-Rede von 1982 („Reich des Bösen“) zielstrebig hingearbeitet. Sein strategisches Ziel formulierte er klar und weitsichtig: „Die Sowjets wurden gezwungen, sich zu entscheiden: entweder ihre Politik der permanenten Konfrontation mit dem Westen zu beenden oder zunehmenden zerstörerischen Druck an der Heimatfront aushalten zu müssen.“ Massive Rüstungsinvestitionen plus der Ankündigung am 23. März 1983, eine Strategische Verteidigung (SDI) aufzubauen, brachten den ideologischen Gegner an den Rand des Ruins. Fußnote: Just in der Zeit publizierte ein SPD-Politiker namens Oskar Lafontaine ein Buch mit dem Titel „Angst vor den Freunden“. Er meinte die USA.

Als Gorbatschow schließlich am 11. März 1985 zum zweitjüngsten Generalsekretär in der Geschichte der Kommunistischen Partei gewählt wurde, geschah das vor allem in der Absicht, die sowjetische Wirtschaft durch eine Kursänderung vor dem Ruin zu retten. Dass seine Reformagenda dann begann, ein kaum noch beherrschbares Eigenleben zu führen, dass dann auch in der deutschen Einheit endete, gehört zur Ironie dieser Geschichte.

Gorbi, Gorbi, Gorbi? Nein: Ronald Reagan, Johannes Paul II. und erst am Schluss kommt Michail Gorbatschow. Ein Vierteljahrhundert später räumen das sogar die Besiegten ein. Nur die Deutschen haben es noch nicht kapiert.

1. Oktober 2009

Die SPD ist Suizidal

Die Orientierung hin zur Linkspartei wird die SPD noch mehr Wähler und Mitglieder kosten. Die einen wollen mit der SED-Erbin nichts zu tun haben und die anderen sagen sich: warum soll ich Sozialismus light wählen, wenn ich die Vollversion haben kann. Das Liebäugeln mit der Linken wird die SPD alles kosten und nichts retten. Vielleicht wird es Zeit die Genossen der SPD an das berühmte Wort ihres Ehrenvorsitzenden Kurt Schumacher zu erinnern, der ganz richtig feststellte: "Kommunisten sind rotlackierte Faschisten."
Lafontaine hat das Saarland ruiniert und in der Bundesverantwortung gekniffen. Gysie ist mit einem großenteil der Linken eine DDR Altlast. Die SPD sollte auf gar keinen Fall, weder auf Landes- noch auf Bundesebene mit der Linken flirten. Tut sie es doch verliehrt sie den letzten Rest an Glaubwürdigkeit, Respekt, Selbstachtung und moralischer Integrität.

16. September 2009

Die gefährlichste Stunde der deutschen Soldaten

Von Clemens Wergin 15. September 2009

Die Soldaten des Fallschirmjägerbatallions 261 sind empört. Die dritte Kompanie ist angetreten zur Aussprache mit Generalinspekteur Schneiderhan und drei mitgereisten Journalisten. Auf die Frage, was sie von der deutschen Debatte über den Luftangriff auf zwei Tanklastwagen halten, bei dem Dutzende Menschen ums Leben kamen, sprudelt es aus ihnen heraus: „Mir ist vollständig unverständlich, wie sich Politiker schon wenige Stunden nach dem Vorfall und ohne genau Kenntnis der Fakten zu Wort melden können“, sagt ein Zugführer.

Bei den Männern hier in Kundus herrscht der Eindruck, da wollten einige im Wahlkampf schnell punkten – auf dem Rücken der Soldaten. Auch die Medien bekommen eine geballte Ladung Kritik ab: Hinterher lasse sich immer leicht behaupten, dass eine Entscheidung falsch gewesen sei. Letztlich, sagt Kompaniechef Krüger, wisse allein der Oberst, wie die Lage sich darstellte, die am Ende zu seinem Entschluss führte, die Angriffe anzufordern. Seine Leute jedenfalls stünden voll hinter der Entscheidung des Kommandeurs, angesichts all dessen, was zuvor geschehen sei.


Die Fallschirmjäger-Kompanie ist zum zweiten Mal in Kundus. Deshalb wissen die Soldaten am besten, wie sehr sich die Sicherheitslage dort verändert hat. Die Männer und Frauen sind viel in der von Taliban destabilisierten Region Chahar Darreh westlich von Kundus unterwegs. „Dort ist die Gefährdung im Vergleich zum letzten Jahr um 100 Prozent gestiegen“, sagt Stabsfeldwebel Heiko W. „Selbst als Soldaten können wir uns dort nicht mehr frei bewegen, wir müssen ständig mit dem Schlimmsten rechnen.“

Inzwischen zeigten sich die Aufständischen dort selbst am Tag bewaffnet inmitten der Zivilbevölkerung. Die sei zwar den Bundeswehrsoldaten gegenüber immer noch positiv eingestellt. Doch nun müssten die Familien damit rechnen, nachts von den Taliban bedroht zu werden, wenn sie sich am Tag allzu bereitwillig auf Gespräche mit den Deutschen eingelassen haben. Solche „Gesprächsaufklärung“ sei deshalb viel schwieriger geworden. Die 3. Kompanie fährt nur noch mit schwer gepanzerten Wagen in die Dörfer. „Wir müssen spätestens auf dem Rückweg damit rechnen, beschossen zu werden“, sagt Heiko W.

Seit dem 10. Juli ist die Fallschirmjäger-Kompanie wieder in Kundus. In dieser Zeit hatte sie 14 Mal Feindkontakt, davon zwei schwere Gefechte, die über Stunden andauerten. Manche Soldaten sitzen mit verbundenen Armen und Händen am Besprechungstisch, als sie dem Generalinspekteur von ihren Erlebnissen erzählen. Am 5. September, am Tag nach dem umstrittenen Luftangriff auf jene Furt im Kundus-Fluss, kamen sie gerade von einem Einsatz in Talokan, östlich von Kundus. Neben der Straße fuhr ein Auto heran und plötzlich explodierte es. Es war ein Selbstmordattentäter.

„Ich sah einen roten Blitz unter dem Auto, die Tür pellte sich auf“, erzählt ein Oberfeldwebel, der in dem am stärksten von der Detonation getroffenen Dingo saß. So ein Radpanzer wiegt mehr als acht Tonnen und die Wucht der Explosion schleuderte ihn einmal aufs Dach und dann wieder auf die Räder, bevor er einen Abhang hinunterstürzte. Fünf Soldaten und ein Übersetzer wurden verletzt. Eine Soldatin erlitt so schwere Verbrennungen, dass sie nach Deutschland ausgeflogen werden musste. Diese Soldaten halten jeden Tag ihren Kopf für Deutschland hin. Deshalb finden sie es unbegreiflich, dass sich ihr Oberkommandierender Georg Klein nun auch noch vor Gericht verantworten muss.

„Soldaten müssen in kürzester Zeit über Leben und Tod entscheiden – über ihr eigens Leben, das des Gegners und von Zivilisten“, sagt der Chef der Fallschirmjäger-Kompanie. „Da brauchen die Männer dort draußen einen klaren Kopf.“ Sein Spieß Heiko W. pflichtet bei: „Man hat sonst ständig im Hinterkopf: Was passiert denn, wenn ich eine Fehlentscheidung treffe.“ Solche Entscheidungen würden meist in Sekunden oder gar Millisekunden gefällt.

Eben dieses Problem spricht Schneiderhan am Tag darauf in Kabul an, als er Stanley McChrystal trifft, den Oberbefehlshaber der Isaf: Schränkt dessen neue Einsatzregel, wenn sie rigoros gehandhabt wird, nicht den Handlungsspielraum der Soldaten zu stark ein? Eröffnen sich so den Taliban nichtgefährliche Aktionsräume?

Die Männer der Kompanie kennen die Furt sehr gut, an der die Lastwagen strandeten. „Da bewegt sich nachts normalerweise keiner, die sind alle in ihren Gehöften“, sagt ein Zugführer. Gänzlich unverständlich ist für ihn, dass einige Opfer des Luftangriffs schon allein deshalb als Zivilisten bezeichnet werden, weil manche keine Waffen trugen. „Aufständische stehen nicht immer unter Waffen“, sagt er. „Manchmal sind es harmlos aussehende Bauerngruppen. Die haben dann im nächsten Moment plötzlich RPGs [also Panzerfäuste; die Redaktion] und Gewehre in der Hand.“ Der häufigste „Trick“ der Taliban sei es derzeit, sich als Zivilist auszugeben.

Oberst Klein tut der Zuspruch seiner Männer sichtlich gut. Einen „durchgeknallten Obristen“ hat Theaterregisseur Claus Peymann ihn in der Fernsehsendung von Anne Will genannt. Dabei ist Klein das Gegenteil eines Afghanistan-Rambos. Er ist eher vom Typ des peniblen Beamten als ein Berserker. Vergleichsweise schmal von Statur, ist er mit filigraner, unten randloser Brille auf der Nase. Klein hat Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Bundeswehr-Universität in Hamburg studiert und man merkt ihm an, dass er zu den Menschen gehört, die lieber länger nachdenken als aus dem Bauch heraus zu entscheiden.

Am Dienstag traf die Untersuchungskommission der Isaf in Kundus ein, am Montag schon der höchste Militär der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. Klein steht das alles mit aufrechter Haltung durch. Allenfalls an einem verletzlichen Zug um die Lippen und dem zuweilen geröteten Gesicht lässt sich ablesen, wie sehr die ganze Sache ihn mitnimmt. Ihm sei dieser ganze „Personenkult“ jedenfalls zuwider, erzählt man sich im Lager.

In jenen zwei Tagen in Kundus hört man immer wieder, dass Klein den „beschissensten Job“ habe, den es bei der Bundeswehr derzeit gebe. Ständig stehen seine Männer unter Beschuss, ständig muss der Oberst Entscheidungen treffen, die das Leben seiner Männer und das von unbeteiligten Zivilisten retten oder gefährden können. Der Chef der 3. Kompanie drückt das vor Journalisten etwas feiner aus: „Der PRT-Posten in Kundus ist mit der Schwierigste, den die Bundeswehr hat“, sagt er. „Das muss anerkannt werden.“

Im Pressebüro von Oberstleutnant Carsten Spiering hängt ein Kalenderblatt des Jahres 2009. Mit rosa Marker sind hier die wichtigsten Feindberührungen eingetragen. Seit April verdichtet sich die rosa Farbe auffällig: Beschuss, Gefechte, Hinterhalte und Bombenanschläge. Dieses sich verdichtende Rosa bildet den Hintergrund, vor dem Klein in der Nacht zum 4. September jene Entscheidung traf, die beiden entführten Tanker im Fluss bombardieren zu lassen.

„Ich musste jederzeit damit rechnen, dass die wieder rollen“, sagt Klein. Und das wäre gefährlich gewesen. Seit geraumer Zeit lagen in Kundus Meldungen vor, wonach die Taliban Tanklastzüge stehlen wollten, um sie dann als fahrbare Bomben für Anschläge zu benutzen. Mitte August hatten die Islamisten schon einmal Tanklastzüge erbeutet. Ende August gab es in Kandahar tatsächlich solch einen Angriff. Dazu kamen Informationen, wonach ein konkreter Anschlag mit zwei Fahrzeugen gegen das Bundeswehrlager in Planung gewesen sei. Für den Oberst passten die gestohlenen Fahrzeuge also in das Bild einer sich verschärfenden Bedrohungslage.

In jener Nacht sind Kleins Alternativen begrenzt. Die „Quick Reaction Force“, die stets einsatzbereite Kampftruppe der Bundeswehr, ist in schwere Gefechte im Rahmen der Nato-Operation „Arragon“ weitab im Raum Archi verwickelt. Die anderen beiden Kompanien des Bundeswehrstandortes Kundus sind durch Routine-Aufgaben gebunden. Und es wäre sehr gefährlich, Bodentruppen in jene Gegend zu schicken, aus der zuvor massive Taliban-Konzentrationen gemeldet wurden. Das Gelände sei so „kanalisiert“, dass dort nur zwei Wege zur Furt führen, sagt Klein: Eine Route im Norden sei mit improvisierten Straßenbomben bestückt. Die zweite Straße führe durch eine Ortschaft. Dort besteht das Risiko, inmitten von Zivilisten in Kämpfe verwickelt zu werden.

Klein entscheidet sich also für Luftunterstützung.

Ein Bombenabwurf habe keinesfalls sofort festgestanden. Das sei auch der Grund, warum der B1-B-Bomber von einer F15 abgelöst worden sei – um über einen längeren Zeitraum Videobilder zu bekommen. Klein ist in jener Nacht im ständigen Kontakt mit den Piloten. Am Ende lässt er die Bomben einsetzen. „Ich habe diese Entscheidung allein getroffen“ sagt Klein, „weil ich eine Bedrohung für meine Leute, für die afghanischen Sicherheitskräfte und die afghanische Bevölkerung sah.“

Am nächsten Morgen sei ihm klar geworden, dass dieser Angriff für Aufruhr sorgen würde. „Ich musste in den vergangenen fünfeinhalb Monaten viele schwere Entscheidungen treffen“, sagt Klein heute. Diese eine jedoch hat in Deutschland eine bisher beispiellose Debatte ausgelöst.

Es ist die Aufgabe von Generalinspekteur Schneiderhan, beide Seiten zusammenzubringen. Jene Kluft schließen zu helfen, die sich aufgetan hat zwischen der politischen Klasse in Berlin, einer aufgeregten Öffentlichkeit in Deutschland und den Soldaten in Kundus, die empört sind über die Kritik an ihrem Oberst. Einheimische erzählen Schneiderhan, was auch viele Soldaten berichten: Die Afghanen in Kundus seien froh, dass die Bundeswehr nun endlich robuster vorgehe. Die Deutschen hätten viel Zeit verloren. Nun müssten sie „den Raum aggressiver besetzen“. Über die Hysterie in Deutschland könnten die Menschen hier nur den Kopf schütteln. Nun habe man deshalb Angst, dass die Bundeswehr vielleicht ihr Engagement zurückfahren oder gar beenden könnte.

Schneiderhan weiß, dass solch eine Sicht in Berlin schwer zu vermitteln ist. Andererseits hat der Vorfall auch dazu geführt, dass in Deutschland eine Diskussion entbrannte, die zum ersten Mal die harten Realitäten in Kundus zur Kenntnis nimmt. Deshalb sagt auch Klein: „Es ist wichtig, dass man das alles diskutiert und untersucht – auch für uns Soldaten“. Um Klarheit zu schaffen.

Am Montagabend steht die Sonne schon tief über dem Feldlager der Bundeswehr in Kundus. Jenseits von Mauer, Nato-Draht und des Sicherheitstreifens um das Lager treibt ein junger afghanischer Hirte seine Ziegen mit einer langen Rute zusammen und die Muezzine von Kundus rufen zum Abendgebet. Dann plötzlich ein Knall und ein kurzes Fauchen. Die Deutschen haben eine Drohne in den blau-rötlichen Himmel geschossen, die weitab vom Lager nach Taliban suchen soll. „Die halbe Stunde bis Stunde während der Abenddämmerung bereitet uns am meisten Probleme“, sagt einer der Soldaten, der die Drohne bedient. Es ist die Zeit, zu der die Taliban am liebsten operieren. Weil die Sehkraft der Augen schon nachlässt, es aber noch nicht so dunkel ist, dass die Deutschen die überlegene Technik ihrer Nachtsichtgeräte ausspielen könnten.

Am Tag darauf platzt dann mitten in ein Treffen mit Generalinspekteur Schneiderhan die Meldung, ein Zug mit etwa 25 Soldaten sei nahe Talokan Opfer eines Bombenanschlages geworden. Zum Glück gab es keine Verletzte, ein Dingo muss aber geborgen werden. Trotz Untersuchungskommission geht für Oberst Klein und seine Soldaten weiter, was in den letzten Wochen und Monaten gefährliche Normalität in Kundus ist.

15. September 2009

Skandal im Sperrbezirk

von Lisas Welt

Im Januar stürmte die Polizei die Wohnung eines 25jährigen Studenten und seiner Freundin in Duisburg und entfernte unter dem Gejohle von mehreren tausend israelfeindlichen Demonstranten zwei am Balkon und an einem Fenster befestigte Israelflaggen. Vor wenigen Tagen wurde eine 30jährige Studentin in Bochum zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie durch das Zeigen einer israelischen Flagge die Teilnehmer einer antiisraelischen Demonstration „provoziert“, eine „gefährliche Situation“ geschaffen und gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben soll. Nun gibt es einen neuerlichen Tiefpunkt: Am vergangenen Samstag verbot die Polizei den Teilnehmern einer Kundgebung gegen den „Al-Quds“-Aufmarsch von Islamisten und Neonazis unter anderem das Zeigen einer Flagge mit einem hebräischen Schriftzug sowie das Abspielen israelischer Musik – „um die Eskalationsgefahr einzudämmen“, wie ein Polizeisprecher sagte.

Islamistische Organisationen mobilisieren seit 1979 jedes Jahr zum Ende des Fastenmonats Ramadan weltweit zu „Al-Quds“-Aktivitäten. Dabei beziehen sie sich auf einen Aufruf des damaligen iranischen „Revolutionsführers“ Ayatollah Khomeini, der seine Anhänger zur „Befreiung“ Jerusalems und zur Vernichtung Israels aufgefordert hatte. In Berlin kommt es seit 1996 zu „Al-Quds“-Demonstrationen, auf denen unverhohlen die „Zerstörung des zionistischen Staates“ gefordert wird und antisemitische Slogans skandiert werden. Zur diesjährigen Manifestation in der deutschen Hauptstadt hatte neben verschiedenen islamistischen Vereinigungen auch die neonazistische „Deutsche Volksunion“ (DVU) aufgerufen. Die überwiegend muslimischen Teilnehmer riefen Parolen wie „Tod Israel“ und „Kindermörder Israel“ und zeigten Fahnen der antisemitischen Hizbollah sowie Porträts des Hizbollah-Führers Hassan Nasrallah.

Seit einigen Jahren werden Bündnisse jüdischer und nichtjüdischer Organisationen gegen diese antisemitischen Aufzüge am „Al-Quds-Tag“ aktiv. Diesmal waren sie jedoch massiven Einschränkungen ausgesetzt: Ihre Kundgebung fand in einem mit Gittern abgesperrten Areal statt, das Arvid Vormann auf dem Internetportal Free Iran Now! als „eine Art Kaninchenstall“ beschrieb. Die Teilnehmer seien zudem peniblen und teilweise rabiaten Kontrollen ihrer Taschen und Rucksäcke ausgesetzt gewesen. Und damit nicht genug: Verschiedenen Berichten zufolge verweigerte die Polizei einem Teilnehmer, eine Jerusalem-Fahne zu zeigen, auf die der Name der israelischen Hauptstadt in hebräischen Buchstaben aufgestickt war. Zudem durften keine Lieder mit hebräischen und englischen Texten abgespielt werden; ihre vorbereitete CD mussten die Organisatoren der Kundgebung deshalb wieder einpacken. Darüber hinaus durfte ein Transparent des BAK Shalom, auf dem in englischer Sprache der Niedergang des iranischen Mullah-Regimes gefordert wurde, nicht verwendet werden. Und von einem Plakat, auf dem zur Freilassung des von der Hamas festgehaltenen israelischen Soldaten Gilad Shalit aufgerufen wurde, mussten auf Geheiß der Einsatzkräfte zwei englischsprachige Sätze entfernt werden.

Thomas Neuendorf, ein Sprecher der Berliner Polizei, bestätigte das Vorgehen der Beamten auf telefonische Anfrage von Lizas Welt. „In den vergangenen Jahren hat der ‚Al-Quds-Tag’ auf beiden Seiten zu einer verstärkten Emotionalisierung geführt“, sagte er. Man habe deshalb „die Eskalationsgefahr eindämmen“ wollen und sei sowohl mit den Verantwortlichen der „Al-Quds“-Demonstration als auch mit den Organisatoren der Gegenkundgebung in Kooperationsgesprächen „übereingekommen, dass es Reden, Transparente und Musik ausschließlich in deutscher Sprache geben darf“. Auf diese Weise habe man „auf beiden Seiten“ verhindern wollen, „dass strafbare Inhalte verbreitet werden, die wir nicht verstehen“. Lediglich zwei Ausnahmen seien zugelassen worden: Auf der „Al-Quds“-Demonstration habe ein Imam Koranverse rezitieren können, „wobei ein von uns gestellter Dolmetscher darauf geachtet hat, dass er nichts Verbotenes sagt“. Der Gegenkundgebung sei dafür genehmigt worden, die israelische Nationalhymne mit hebräischem Text abzuspielen. Zu den „Tod Israel“- und „Kindermörder Israel“-Rufen, den Hizbollah-Fahnen und Nasrallah-Porträts sagte Neuendorf: „Da sind uns die Hände gebunden: Die Parolen sind gerade noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, und die Hizbollah ist in Deutschland nun mal nicht verboten.“

Die Berliner Polizei stellt also einen israelfeindlichen, antisemitischen Aufmarsch auf die gleiche Stufe wie den demokratischen Protest dagegen; sie verbucht beides unter der schlichten Kategorie „verstärkte Emotionalisierung“ und unterstellt denjenigen, die sich gegen Israel- und Judenhass zur Wehr setzen, faktisch das gleiche Eskalationsbedürfnis, ja, den gleichen Fanatismus wie den Israel- und Judenhassern. Derlei befremdliche Äquidistanz ist hierzulande zwar nichts Ungewöhnliches; neu in der deutschen Nachkriegsgeschichte dürfte hingegen sein, dass gegenüber den Teilnehmern einer Kundgebung ein Hebräisch- und Englischverbot ausgesprochen wird. Dabei konnte Polizeisprecher Neuendorf auf Nachfrage keinerlei Beispiele für hebräische Parolen oder israelische Musikstücke nennen, durch die in der Vergangenheit zu Straftaten aufgerufen wurde. Auch konnte er nicht sagen, wann von einer Kundgebung gegen Antisemitismus und für Israel schon einmal Gewalt gegen Islamisten ausgegangen sein soll, wie sie umgekehrt schon häufiger zu beklagen war.

Dass die Verantwortlichen für die Gegenkundgebung das während der Vorbesprechung mit der Polizei angeblich verkündete Deutschgebot tatsächlich akzeptiert haben sollen, erscheint außerdem zumindest zweifelhaft. Auf telefonische Nachfrage von Lizas Welt widersprach der Anmelder und Leiter der Kundgebung, Jörg Fischer-Aharon vom Bildungswerk haKadima, dann auch entschieden: „Das Hebräisch- und Englischverbot wurde uns erst kurz vor dem Beginn der Veranstaltung mündlich mitgeteilt“, sagte er. Während des Kooperationsgesprächs vor rund drei Wochen habe die Polizei lediglich beiläufig gefragt, ob Redebeiträge in hebräischer Sprache geplant seien. „Das habe ich verneint, daraufhin war das Thema erledigt“, berichtete Fischer-Aharon. In einem Telefonat vor etwa eineinhalb Wochen habe er der Polizei dennoch vorsichtshalber angekündigt, dass während der Gegenkundgebung israelische und englische Musik gespielt werden soll – wie schon, gänzlich unbeanstandet, während einer pro-israelischen Demonstration in Berlin im Januar. „Das sei auch diesmal kein Problem, bekam ich zur Antwort; man werde aber für alle Fälle einen Dolmetscher vorbeischicken.“ Von den plötzlichen Auflagen sei man deshalb vollkommen überrumpelt worden. „Wären sie vorher schon festgelegt worden, hätten wir mit Sicherheit Rechtsmittel dagegen eingelegt. Aber ich habe bis heute nichts Schriftliches von der Polizei bekommen. Das öffnet der Willkür natürlich Tür und Tor.“

Fischer-Aharon ist immer noch empört über das Vorgehen der Ordnungshüter: „Das ist ein historischer Tag, aber ein trauriger: Die Berliner Polizei untersagt tatsächlich das Zeigen der Jerusalem-Fahne und das Abspielen jüdischer Musik.“ Die Einsatzleitung habe sogar damit gedroht, „die Lautsprecheranlage zu beschlagnahmen, sollte auch nur ein Lied in hebräischer Sprache abgespielt werden“. Den Islamisten gegenüber sei sie deutlich zurückhaltender gewesen: „Da durften nicht nur Parolen in arabischer Sprache gerufen werden, sondern es konnte sogar ein Demo-Ordner den Hitlergruß in unsere Richtung zeigen [Foto oben], ohne dass die in der Nähe stehenden Polizisten eingegriffen hätten.“ Eigenartig findet Fischer-Aharon auch die Festnahme einer Teilnehmerin der Gegenkundgebung wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot: „Sie hatte eine Kapuze auf dem Kopf und trug eine Sonnenbrille. Das war wohl schon zu viel für die Polizei. Bei den Islamisten hingegen konnten Frauen in einer Burka mitlaufen, ohne dass das beanstandet worden wäre.“ Zudem sei mehreren Menschen ohne Angabe von Gründen die Teilnahme an der Gegenkundgebung verweigert worden, und Alexander Brenner, den ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlins, sowie den Rabbiner Ben Chorim habe die Polizei am Verlassen der Veranstaltung gehindert. „Offensichtlich“, so Fischer-Aharon, „dienten die Gitter nicht der Absperrung, sondern dem Einsperren der Kundgebungsteilnehmer“.

Mag die Bundeskanzlerin auch betonen, die Solidarität mit Israel sei ein „Teil der deutschen Staatsräson“, mag der Bundestag eigens eine Antisemitismuskommission beschäftigen, und mögen Politiker aller Parteien beteuern, ihnen sei der Kampf gegen den Judenhass eine Herzensangelegenheit: Das alles ist nichts als Wortgeklimper, wenn die Feinde der Juden im Allgemeinen und des jüdischen Staates im Besonderen freie Fahrt bekommen, aktive Gegner des Israel- und Judenhasses jedoch mit polizeilichen und juristischen Mitteln drangsaliert werden. 64 Jahre nach Auschwitz sorgen im Nachfolgestaat des „Dritten Reiches“ die Erben der Firmen Himmler und Freisler dafür, dass sich nur ja kein Antisemit von jüdischen Symbolen, hebräischen Schriftzeichen und israelischen Liedern provoziert fühlen muss, während antisemitische Aufmärsche trotz unmissverständlicher Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel und eindeutig judenfeindlicher Sprechchöre unbeanstandet bleiben, wenn sie in den Medien nicht gar als „Friedensdemonstrationen“ gehandelt werden, wie Anfang dieses Jahres geschehen. Doch all dies taugt in Deutschland nicht zum Skandal. Denn der größte Skandal ist, dass es keinen gibt, weil derlei außer den üblichen Verdächtigen niemanden aufregt.

12. September 2009

Ressentiment fressen Seele auf

Disko von Lothar Galow-Bergemann

Okay, okay. Tief durchgeatmet und ein verständnisvolles Lächeln aufgesetzt. Denn vielleicht hilft ja einfühlsame Pädagogik. Ein offener Brief an einen aufrechten Antiimperialisten

Mein Guter – bitte wundere Dich nicht über diese Anrede, aber ich kenne Dich schon lange und weiß deswegen, dass Du ja eigentlich nur das Gute willst. Außerdem mache ich mir ernste Sorgen um Dich, denn Du hast es im Moment wirklich nicht leicht. Fast könntest Du mir sogar leidtun.

Denn das mit dem Iran ist aber auch so was von bescheuert. Wie konnte das nur passieren? Jetzt revoltieren die Menschen in der bedeutendsten Bastion des weltweiten Widerstandes gegen Imperialismus und Zionismus! Ausgerechnet dort! Welch diebische Freude haben Dir die Jungs in Teheran doch immer bereitet, wenn sie den Imperialismus mal wieder an der Nase herumgeführt haben. Ihre etwas andere kulturelle Prägung, etwa ihr vielleicht gewöhnungsbedürftiges Verständnis von der Rolle der Frau, hat Dich nie gestört, schließlich bist Du kein Rassist. Und erst die schönen Reden von Ahmadinejad, die man immer so ausführlich auf den Seiten des Friedensratschlags nachlesen kann – bei ihnen sind Dir doch die warmen Schauer nur so den Rücken heruntergelaufen, wenn er es dem Imperialistenpack mal wieder so richtig gegeben hat. Die hinterhältigen Zionisten, die ihn voller Heimtücke permanent falsch übersetzen und ihm absurderweise unterschieben, er wolle ihr verdammtes Gebilde ausradieren, konnten Dich selbstverständlich nie vom Glauben an seine Friedensbereitschaft abbringen. Denn Du, das bist Du Dir schließlich schuldig, gehörst doch nicht zu denen, die auf die manipulierten Medien hereinfallen. Natürlich hast Du auch nie vom Zionistengebilde ge­redet. Du weißt schließlich, wie man das formulieren muss. Hierzulande, wo man ja aus bekannten Gründen aufpassen muss, was man sagt. Und der ganze aufgebauschte Käse mit den Atomwaffen, was soll’s, genau besehen ist es doch gar nicht so schlecht, hast Du immer bei Dir gedacht, hoffentlich ist Chávez auch bald so weit, das wäre eine schöne Schlappe für den Imperialismus.

Und dann aus heiterem Himmel plötzlich das! Seit Jahr und Tag träumst Du von einer revolutionären Situation. Du weißt natürlich, dass dann die da unten nicht mehr so weitermachen wollen und die da oben nicht mehr so weitermachen können wie bisher. Schließlich hast Du Deinen Lenin gelesen. Ich verschone Dich jetzt mal für einen Moment mit meiner Nörgelei an Deinen heißgeliebten Völkern und lass mich ganz auf das Gute ein, das in Deiner Seele waltet. Du siehst doch, wie das Volk im Iran gegen seine Unterdrücker aufsteht, Du hörst doch, wie es nach Freiheit ruft. Drängt da nicht irgendwas in Dir mit Macht an seine Seite? Mal ehrlich und unter uns: Spräche nicht alles dafür, dass Du Dich endlich mal wieder so richtig der revolutionären Begeisterung hingibst?

Doch es ist wie verhext. Sie will sich partout nicht einstellen. Warum nur? Es gibt nur eine Erklärung dafür: dieses unangenehme Gefühl in Deiner Magengrube, das Dir immer wieder zuraunt: »Achtung. Dies ist das falsche Volk. Schließlich rebelliert es doch gegen die Richtigen.« Denn dass die Regierung in Teheran irgendwie ziemlich richtig liegt, das war Dir doch immer klar. Du denkst geopolitisch. Deswegen rechnest Du nach, um wie viel größer die Einflusssphäre der Yankees und Zionisten wohl wäre, wären da nicht die widerständigen Iraner. Denn diese beiden, also bitte, das ist ja nun wirklich das kleine Einmaleins eines jeden aufrechten Friedensfreundes und Revolutionärs, diese beiden sind ja wohl unbestreitbar der Gipfel des Übels auf der Welt, die wahre Achse des Bösen, wenn man so will. Die Jungs in Teheran sprechen ja nicht ganz zu Unrecht vom großen und vom kleinen Satan.

Mein Guter, vielleicht überrascht es Dich, aber ich unterstelle Dir jetzt einfach mal, dass Du einer von der feinfühligeren Sorte bist und Dich, wenn Du an die iranischen Regimegegner denkst, nicht so recht dafür begeistern kannst, »dass Ahmadinejads Leute den einen oder andern in einen Darkroom befördert haben«. Tja, denkst Du Dir, das mit den Foltergefängnissen und dem Abknallen von Demonstranten ist halt doch nicht ganz das Wahre. Aber sofort meldet sich Deine Magengrube: Was weiß man denn überhaupt wirklich darüber? Wie viel hat denn da die CIA bloß wieder erfunden? Und überhaupt: Muss man das nicht im Interesse der Sache in Kauf nehmen? Könntest Du das Siegesgeheul der Imperialisten ertragen, wenn die Konterrevolutionäre gewönnen? Nicht auszudenken!

Weißt Du eigentlich, dass Deine iranischen Genossen vor 30 Jahren genauso gedacht haben, damals, als sie geholfen haben, Khomeini an die Macht zu bringen? Und dass sie dafür nach wenigen Monaten mit dem Leben bezahlt haben? Oder willst Du es bloß nicht wissen? Spürst Du immer noch so viel Nähe zu den Teheraner Kämpfern gegen Imperialismus und Zionismus, dass Du noch nicht einmal das an Dich heranlassen kannst? Ist Dein antiamerikanisches und antizionistisches Ressentiment so groß, dass du nicht merkst, wie Du auch noch das letzte Quäntchen Freiheitsanspruch aufgibst, wenn Du Dich mit denen weiter einlässt? Pass auf, mein Lieber, Ressentiment fressen Seele auf.

Da ist er wieder, dieser verdammte Magenkrampf, der sich in letzter Zeit immer öfter bei Dir meldet. Also erst mal schnell die Droge einwerfen: »Alles nur ein schmutziges Machwerk des Imperialismus und seiner durchtriebenen Strippenzieher und Ränkeschmiede!« Ah, spürst du schon, wie es nachlässt, wie sich alles wieder entkrampft. Diese wohltuende Wirkung. Jetzt kannst Du Dich wieder zurücklehnen, Dein Weltbild ist wieder im Lot.

Für den Moment jedenfalls. Denn gleich darauf trifft Dich der Schlag: Jetzt geht der Zirkus doch wahrhaftig sogar schon in der Jungen Welt los. Da streiten sie sich auch schon über diese Sache im Iran. Sollte denn der Mossad seine Leute sogar in Deinem Leib- und Magenblatt platzieren? Andererseits, gib’s zu: In irgendeiner abgeschirmten Ecke Deines Herzens hattest Du schon immer ein blödes Gefühl, wenn der geniale Führer der Sozialistischen Einheitspartei in Caracas mal wieder so schamlos dem Holocaust-Leugner von Teheran in den Armen lag. Könnten die das nicht ein wenig unauffälliger machen?

Na, merkst Du schon, wie der imperialistische Agent in Dir zu rumoren beginnt? Verdammt, die CIA ist wirklich überall. Dabei war Dir doch bis jetzt alles so klar in Deiner Welt. Betrüger, Strippenzieher, Heuschrecken und Kriegstreiber beherrschten sie und Dich. Ob sie die Völker knechteten – ganz besonders das palästinensische natürlich – oder ob sie Dir die Arbeit wegnahmen und die Sozialhilfe kürzten, allein ihre Profitgier war an allem schuld. Und wie gut Deine Welt doch erst eingerichtet gewesen wäre, hätten deinesgleichen nur endlich ans Ruder gedurft.

Ich fürchte, mein Guter, Du wirst Dich irgendwann auch noch mit Kapitalismus befassen müssen. Das ist die Produktionsweise, die zwar Riesenprobleme schafft, aber wenigstens keine personale Herrschaft mehr braucht, keinen Wächterrat und keine Sittenpolizei, die aufpasst, dass der Schleier richtig sitzt, keinen lebenslänglichen Caudillo oder ähnliches. Aber dazu will ich Dir ein andermal schreiben. Für heute will ich Dir nur noch das sagen: Die gute Linke, die automatisch auf der richtigen Seite steht, weil sie schließlich allen andern haushoch moralisch überlegen ist – die gibt es nicht. Was sich seit geraumer Zeit herausbildet, riecht nach etwas anderem. Nach einer kackbraun-blutrot-giftgrünen Einheitsfront aus Nazis, Antiimps und Islamisten nämlich, die ihr kollektivistisches Ressentiment unter der Fahne des Kampfes gegen Spekulanten, USA und Israel ausagiert. Möchtest Du dazugehören? Einige deiner Freunde wollen das.

Kann man denen natürlich nachmachen. Muss man aber nicht. Denn da gibt es erfreulicherweise noch etwas anderes. Eine emanzipatorische Strömung nämlich, deren Markenzeichen die Kritik an fetischistischer Vergesellschaftung ist (das sind Zustände, ihn denen sich die Menschen von ihren eigenen Hirngespinsten beherrschen lassen, verstehst Du?). Sie hat keine Fahne, aber wenn sie eine hätte, wäre es die der freien As­soziation der Individuen. Auch entsteht sie auf verschlungenen Pfaden und unter Geburtswehen, bringt mitunter – wie jede Befreiungsbewegung – sogar Karikaturen ihrer selbst hervor und ist sich über ihre Konturen oft selbst noch nicht im Klaren. Aber schau, Du singst doch ab und zu das hier (oder brummst es wenigstens mit): »Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern, er will unter sich keinen Sklaven sehn und über sich keinen Herrn.« Glaub mir, wenn Du es damit wirklich ernst meinst, wirst Du Dich früher oder später dieser Strömung zurechnen. Tja, mein lieber Noch-Antiimp, auch Du wirst Dich entscheiden müssen. Wie sagte doch einst Dein Lenin: »Ein Mittelding gibt es hier nicht.«

11. September 2009

Aghanistan den Taliban

von Joachim Steinhöfel

Auch am 11. September liest man „Raus aus Afghanistan“ auf den Wahlplakaten der SED-Nachfolgepartei und – sinngemäß - neben dem Antlitz von Herrn Lafontaine, dass Kriege noch nie ein Problem gelöst hätten. Was hätten ihm Churchill, Roosevelt oder Eisenhower auf diese skrupellose Propaganda geantwortet ? Oder die Opfer in den Konzentrationslagern ? Ein Blick nach Ruanda, Darfur oder Srebrenica dürfte ebenfalls Material für eine Antwort liefern. Die Mehrheit der Deutschen (53 %) lehnt den Einsatz in Afghanistan ab (58 % der Anhänger der Grünen sagen nein, bei der SED-Nachfolgepartei sind es 80 %).

Anstatt der Bundeswehr, die bei einem Luftangriff über 50 Taliban tötete, zu gratulieren, steht das Gerücht ziviler Opfer im Mittelpunkt der Berichterstattung. Staatsanwälte, die sich aufspielen möchten, fabulieren von Ermittlungsverfahren gegen Bundeswehrsoldaten. Taliban, die nicht wie Zivilisten herumlaufen, hat aber auch noch niemand zu Gesicht bekommen. In einem Krieg (oder wie auch immer der neueste Euphemismus lautet, den Mitglieder der Bundesregierung einsetzen) gegen nicht uniformierte Terroristen sind zivile Opfer tragisch, aber unvermeidbar. In Deutschland sind nicht die jedes Kriegsrecht verletzenden Taliban die Täter, sondern – mutmaßlich – unsere Soldaten.

Kanada, Großbritannien, Australien und Polen bekämpfen die Terroristen in Afghanistan aggressiv. Die USA haben mit General McChrystal einen herausragenden Militär, dessen Fähigkeit, sich gegen den realitätsresistenten Präsidenten durchzusetzen sich aber erst noch erweisen muß. Deutschland hingegen hat – kürzlich geringfügig modifizierte – Einsatzregeln, die das Verfolgen, Aufspüren und Töten von al Qaida und Taliban nahezu unmöglich machen. Statt billiger Wahlwerbung wäre hin und wieder ein Spot wünschenswert, der das Auspeitschen einer 17jährigen zeigt, die das Verbrechen beging, einen Mann anzusehen oder die Steinigung einer Frau, weil sie vergewaltigt wurde aber keine vier männlichen Zeugen dafür aufbieten konnte oder die Hinrichtung in dem vor 2001 mit EU-Geldern gebauten Stadion in Kabul oder die Abtrennung des Kopfes von wehrlosen Zivilisten durch al Qaida-Killer oder – aber das könnte langsam auf einige SEDler ermüdend wirken – etwas 9/11-Material. Die Mehrheit der Deutschen interessiert es nicht, was Taliban und al Qaida mit wehrlosen Menschen machen. Oder ob im Nachbarland Iran islamofaschistische Mullahs auf dem Weg zur Nuklearwaffe sind, die sie Terroristen verkaufen könnten.

Dafür malt man hierzulande an jeder Ecke die Fratze des „neoliberalen“ Ungeheuers an die Wand. In einem Land mit unserer Geschichte. Mir wird übel.

Es gibt keinen „Krieg in Afghanistan“. Es gibt einen fundamentalen Konflikt mit dem Islamofaschismus. Und diese Ideologie kennt keine Grenzen, wie ein Blick in den Sudan, in den Irak, nach Afghanistan, Pakistan, in den Gaza-Streifen oder zur Hisbollah anschaulich macht.

Als die amerikanische Linke im Frühjahr 1975 den Abzug der Amerikaner aus Vietnam und Kambodscha feierte, schrieb der frühere kambodschanische Ministerpräsident, Sirik Matak, einen Brief an US-Botschafter John Gunther Dean, mit dem er dessen Angebot seiner Evakuierung ablehnte.

Dear Excellency and friend,

I thank you very sincerely for your letter and for your offer to transport me towards freedom. I cannot, alas, leave in such a cowardly fashion. As for you and in particular for your great country, I never believed for a moment that you would have this sentiment of abandoning a people which has chosen liberty. You have refused us your protection and we can do nothing about it. You leave us and it is my wish that you and your country will find happiness under the sky. But mark it well that, if I shall die here on the spot and in my country that I love, it is too bad because we are all born and must die one day. I have only committed the mistake of believing in you, the Americans.

Please accept, Excellency, my dear friend, my faithful and friendly sentiments.

Sirik Matak.

Die Roten Khmer nahmen Phnom Penh ein paar Tage später ein. Sirik Matak wurde exekutiert, in den Bauch geschossen und ohne ärztliche Hilfe liegen gelassen. Es dauerte drei Tage, bis er starb. Zwischen einer und zwei Millionen Kambodschaner wurden von den Roten Khmer in den folgenden Jahren ermordet. Eine Folge amerikanischer Schwäche.

Und die Schwäche des Westens ist es auch, die das Rekrutieren von Jihadisten und deren Terroranschläge motiviert. Der Rückzug aus Beirut 1983 nach dem Anschlag der vom Iran gesponserten Hisbollah auf den US-Stützpunkt und aus Somalia 1993 nach „Black Hawk Down“.

Die Jihadisten glauben, sie hätten den Kollaps der Sowjetunion durch deren Niederlage in Afghanistan verursacht. Was würde ein Rückzug der Nato an Mythenbildung und Legenden zur Folge haben ?

Es ist Krieg in Afghanistan und das möchte ich endlich von einem deutschen Politiker hören: „Es ist Krieg und wir sind dort, um zu gewinnen !“

Wobei dann allerdings die Frage durchaus berechtigt wäre, “ob die Bundesregierung sich nicht ein wenig übernimmt, wenn sie die Taliban besiegen will, während die Berliner Polizei nicht einmal mit den Autonomen in der Stadt fertig wird”.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

8. September 2009

Über den Luftangrif


Die Deutschen sollten stolz auf ihre Soldaten sein


Von Richard Herzinger 7. September 2009, 15:12 Uhr

Der Luftangriff auf zwei Tanklastzüge wird bereits skandalisiert, bevor noch irgendein Ergebnis einer Untersuchung vorliegt. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, als seien die Soldaten die wahre Gefahr für die Zivilisten in Afghanistan. Der Einsatz der Bundeswehr für die Freiheit wird gedankenlos diffamiert.

Die öffentlichen Reaktionen auf den von der Bundeswehr veranlassten Luftangriff sind beschämend und empörend. Keine Frage, wenn bei diesem Angriff Zivilisten ums Leben gekommen sein sollten, wäre das in höchstem Maße beklagenswert. Selbstverständlich auch muss jeder solcher Einsatz genau untersucht werden. Aus möglichen fatalen Fehlern und Irrtümern muss von der internationalen Schutztruppe Isaf Konsequenzen gezogen werden. Und sollte die Bundesregierung voreilig falsche Informationen über den Vorfall verbreitet haben, muss sie dafür selbstredend die politische Verantwortung tragen.

Aber sollte sich herausstellen, dass bei dem Angriff tatsächlich unbeteiligte Zivilisten umgekommen sind, dann wäre dies eben ein schlimmer Fehler – nicht weniger, aber auch nicht mehr. In der deutschen Öffentlichkeit aber wird aus diesem Angriff gleich ein „Skandal“, bevor sich noch irgendein Ergebnis einer Untersuchung abzeichnet. Im Zweifel wird das öffentliche Urteil hier gegen den Angeklagten gefällt, was nicht zuletzt daran zu ersehen ist, dass in ARD-Informationssendungen im Zusammenhang mit dem Luftschlag neuerdings schon von einem Angriff auf „vermeintliche“ Taliban die Rede ist. Der Bundeswehr ebenso wie anderen Isaf-Kräften aber grundsätzlich erst einmal zu unterstellen, sie setzten leichtfertig oder gar willentlich das Leben von Zivilisten aufs Spiel – das ist der wahre Skandal.

Das zeugt nämlich von einer grenzenlosen Missachtung der militärischen Situation und der Leistung, die unsere Soldaten in Nordafghanistan in schwieriger und zunehmend gefährlicher Lage vollbringen. Der Befehl zum Luftangriff erfolgte nämlich nicht aus Jux und Dollerei und aus heiterem Himmel, sondern inmitten intensiver Kampfhandlungen, in deren Verlauf die Bundeswehrsoldaten von Taliban-Terroristen (und zwar von ganz realen, und nicht von „vermuteten“) attackiert werden und sich mit ihnen heftige Gefechte liefern müssen.

In Deutschland aber ist kein Wort der Sorge weder um das Leben unserer Soldaten, und schon gar nicht um das der afghanischen Zivilbevölkerung im afghanischen Norden zu hören, die von den radikal-islamistischen Mörderbanden verstärkt bedroht, terrorisiert, unterjocht und als Schutzschild gegen die ausländischen Truppen missbraucht, und deren Leben und Freiheit von den Bundeswehrsoldaten tapfer verteidigt werden. Kaum jemanden hierzulande scheint es zu interessieren, dass die lokalen afghanischen Behörden den von der Bundeswehr angeforderten Luftschlag ausdrücklich begrüßt haben und fordern, es sollten viel mehr solcher Angriffe gegen die immer dreister auftretenden Taliban ausgeführt werden.

Die Voreingenommenheit der deutschen Öffentlichkeit gegen den Afghanistan-Einsatz – ganz zu schweigen von der „antimilitaristischen“ Hetze der Linkspartei und der Heuchelei der Grünen, die den Einsatz angeblich unterstützen, mit ihrem notwendigen militärischen Teil aber nicht in Verbindung gebracht werden wollen -, geht inzwischen so weit, dass allenthalben hemmungslos Ursache und Wirkung verkehrt werden. Als ob die eigentliche Gefahr für die afghanische Zivilbevölkerung von den internationalen Schutztruppen und damit auch von der Bundeswehr ausginge! Ungerührt nimmt man hierzulande hin, dass ein Demagoge wie Oskar Lafontaine unsere Soldaten regelmäßig mit der ungeheuerlichen Behauptung diffamiert, in Afghanistan würden die internationalen Truppen Unschuldige „ermorden“.

Das stammt wohlweislich aus dem Munde eines Mannes, der unserer Demokratie abspricht, eine wirkliche Demokratie zu sein und statt dessen das Regimes eines Hugo Chávez in Venezuela verherrlicht, der gerade dabei ist, dort eine offene Diktatur zu errichten. Chávez, der ideologische Kumpel Lafontaines, ist überdies ein enger Komplize und Finanzier islamistischer, den internationalen Terror fördernder Regimes wie dem in Teheran. Dass Lafontaine, der die vermeintliche Verfolgung von Kommunisten in der Bundesrepublik mit der Verfolgung aller Andersdenkender in der totalitären DDR gleichsetzt, sowie seine Partei, die zum Großteil aus alten SED-Kadern zusammengesetzt ist, für den Auftrag der Bundeswehr, in Afghanistan Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen, keinerlei Sympathien hegen, dürfte niemanden verwundern. Unerträglich ist aber, dass sich solche Leute als Wächter von pazifistischer Moral und Menschlichkeit aufspielen können, ohne der geballten Verachtung der Öffentlichkeit einer freiheitlichen Gesellschaft anheim zu fallen.

Beschämend ist auch, dass kein deutscher Regierungspolitiker, sieht man von Verteidigungsminister Jung ab, gegen diese moralische Perversion einigermaßen klare Worte findet. Stattdessen beeilt sich Angela Merkel, eine baldige internationale Konferenz anzukündigen, die über die Möglichkeiten für einen Abzug der westlichen Truppen beraten soll. Ausgerechnet in einer solchen Situation das Wort Abzug in den Mund zu nehmen - da könnte man den Taliban auch eine schriftliche Einladung schicken, die Bundeswehr doch bitte schön noch heftiger zu attackieren, scheint sich das doch auszuzahlen.

Unsäglich ist auch die Eile, mit der einige EU-Regierungen öffentlich über die Deutschen hergefallen sind, ohne eine seriöse Prüfung der Umstände des Lufteinsatzes abzuwarten. Mag sein, dass da von europäischer wie auch von amerikanischer Seite dabei eine gewisse Häme gegenüber der deutschen Regierung mitspielt, die sich zu lange als moralische Oberlehrer einer Kriegsführung aufgespielt hat, die sie anderen überließ. Jetzt aber muss sie sich selbst mit den schwierigen Dilemmata von Kampfeinsätzen auseinandersetzen muss. Aber für die Bigotterie der Bundesregierung wie für ihre Eiertänze um das Unwort „Krieg“ kann die Bundeswehr nichts - und können schon gar nicht die deutschen Soldatinnen und Soldaten etwas, die nun selbst auftragsgemäß selbst im Kampf stehen und ihn pflichtbewusst und verantwortungsvoll annehmen. Es ist deshalb unfair, eventuellen Ärger über die Politik der Bundesregierung auf ihrem Rücken auszutragen.

Es wird höchste Zeit, dass alle Deutschen, denen Sicherheit vor islamistischem Terror und denen Freiheit und Menschenrechte etwas wert sind, ihre Stimme erheben und sich hinter unsere tapferen Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan stellen, die diese Werte mit Leib und Leben verteidigen. Es wird höchste Zeit, ihnen für ihren Mut und ihren Einsatz, den sie nicht nur für eine bessere Zukunft der Afghanen, sondern für unser aller Zukunft erbringen, unsere Dankbarkeit und Unterstützung auf sie zu zeigen. Wir sollten endlich stolz auf unsere Soldaten sein.

25. August 2009

Das etwas andere Lebensgefühl

Die Achse des Guten

Henryk M. Broder25.08.2009 00:50

Das etwas andere Lebensgefühl

Waren das Zeiten! Die Sowjetunion war die Heimat aller Proletarier, der antifaschistische Schutzwall hielt die Reaktionäre davon ab, in der DDR einzufallen, im ganzen Ostblock siegte sich der Sozialismus langsam zu Tode, feierte aber immer neue Triumphe. Wir saßen in einem Konferenzzimmer des WDR und diskutierten über den Inhalt eines progressiven Radiomagazins, das einmal im Monat gesendet wurde. Irgendjemand schlug vor, einen Beitrag über eine Kunstausstellung auf freiem Feld bei Moskau zu machen, die von den Behörden nicht nur für illegal erklärt, sondern auch mit Baumaschinen platt gemacht wurde. Da meldete sich eine Kollegin zu Wort, von der wir alle wussten, dass ihr Herz für die DKP schlug. Im Grunde, sagte sie, wäre das eine gute Idee, wir sollten uns aber vorher schlau machen, um was für eine Art von Kunst es sich gehandelt hatte, was auf den Bildern zu sehen war, es könnten ja auch “reaktionäre” Werke gewesen sein. In dem Falle wäre das Eingreifen der Behörden bedauerlich aber gerechtfertigt gewesen.

Ja, so war es damals. Wer sich mit wem solidarisierte, hing davon ab, ob das Objekt der Solidarität auf der richtigen Seite der Barrikade im Klassenkampf stand. Deswegen z.B. hatten kapitalismuskritische westdeutsche Intellektuelle größte Hemmungen, sich mit sozialismuskritischen Dissidenten im Ostblock zu solidarisieren; diese mögen ehrenwerte Motive gehabt haben, aber “objektiv” spielten sie dem Imperialismus in die Hände, sie waren entweder die nützlichen Idioten der Reaktion oder die fünfte Kolonne des Kapitals. Ein Drittes gab es nicht.

Inzwischen ist das linksreaktionäre Pack in die Jahre gekommen, aber geändert hat es sich nicht. Nach einem langen Marsch durch die Institutionen, der für die einen in der Pension und für die anderen im Suff endete, fragt es immer noch zuerst “Cui bono?”, bevor es sich positioniert. Es ist gegen Atomkraftwerke in Deutschland, tritt aber für das Recht des iranischen Regimes ein, die Atomkraft friedlich nutzen zu dürfen; es ist grundsätzlich gegen Gewalt, hat aber Verständnis für Selbstmordattentäter, so lange sie sich nicht in der Nähe der Trattoria in die Luft sprengen, in der das linksreaktionäre Pack seine Penne Arrabiata zu sich nimmt; es fährt mit dem Zweitwagen quer durch die Stadt, um organisch angebautes Gemüse zu kaufen, und regt sich unterwegs über Chinesen und Inder auf, die den CO2-Ausstoss in die Höhe treiben, indem sie von Fahrrädern auf Mopeds umsteigen. Es schreit “Faschismus!”, wenn die Polizei marodierende Hütchenspieler hopps nimmt und regt sich über “Zensur” auf, wenn der Innenminister ein paar Kinder-Porno-Seiten sperren möchte. Aber es ist dafür, Verbote einzuhalten, die von ein paar alternativen Kriminellen verhängt wurden.

Ich habe auf meine Geschichte über meinen Ausflug in die “Freistadt Christiania” (http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,644473,00.html) eine Anzahl extrem unterhaltsamer und auschlussreicher Briefe erhalten. Hier eine kleine Auswahl von einschlägigen Zitaten:

“Was soll das? Du hast keinerlei Respekt vor andersdenkenden Menschen und dein Kopf ist voll mit rechter Scheisse! Spring doch mal über dein Schatten und hinterfrag mal das was du machst.”

“Nur weil die Bewohner von Christania sich nicht an die allgemeingültigen Regeln halten möchten, ist es dann vermessen, darum zu bitten, nicht fotografiert zu werden!?”

“Christiania ist eben kein rechtsfreier Raum, das ist dumme Rhetorik. Nur gelten eben andere Regeln. Eine davon ist das Fotografieverbot… Ich persönlich war eigentlich ganz froh, dass es in diesem sauberen, sterilen, unglaublich langweiligem Kopenhagen einen Ort gab, mit einem etwas anderem Lebensgefühl.”

“So kann ich nur sagen, selber Schuld. Gewiss, niemand sollte jemandem einfach die Kamera oder sonst was kaputt machen. Die Schilder waren halt nicht zum Spaß aufgestellt.”

“Was soll diese geziehlte Provokation mit vorhersehbar ablaufender Reaktion auf andere Lebensentwürfe im Ausland? Arroganz? Der zur Schau getragene Habitus des etablieten Bildungsbürgers?”

“Freut mich zu hören, dass du verdientermaßen in Christiana eins auf die Fresse bekommen hast.. Das sollte öfter mal passieren, auch wenn es deiner ekelhaften Borniertheit leider kaum abträglich sein wird...”

Diese mails kamen direkt bei mir an. Eine wesentlich größere Auswahl finden Sie hier: http://forum.spiegel.de/showthread.php?postid=4209896

Der Leserbrief ist die authentische Alternative zum Leitartikel. So wie Catchen viel authentischer ist als Jiu-Jitsu. So betrachtet, ist Christinia extrem authentisch, nicht gelebte Utopie, sondern Rückkehr zum Status quo ante einer vorzivilisatorischen Ordnung. Der Satz: “Christiania ist eben kein rechtsfreier Raum, das ist dumme Rhetorik. Nur gelten eben andere Regeln”, ist seinerseits keine dumme Rhetorik, sondern das Vaterunser des autoritären Charakters, für den auch der Gulag kein rechtsfreier Raum war, sondern ein Ort, an dem andere Regeln galten.

Was das linksreaktionäre Pack nicht zur Kenntnis nehmen will, ist die einfache Tatsache, dass die Grundlage des zivilisierten Zusammenlebens das Gewaltmonopol des demokratisch legitimierten Staates ist. Und das ist in der Tat längst durchlöchert, wenn die Autonomen bei ihren Umzügen die Polizei vor sich hertreiben, die erfolgreich einseitig deeskaliert hat. Dieselben Chaoten, die es als Zumutung empfinden, an einer roten Ampel halten zu müssen, finden es richtig, sich an Fotografierverbote zu halten, weil diese einer alternativen Lebensform entsprechen, in der wiederum der Wille zur Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.

Nun ist Christiania so “selbstverwaltet” wie Medellin vom gleichnamagigen Kartell selbstverwaltet wird. Oder die napolitanische Müllabfuhr von der örtlichen Mafia. Den Ton geben nicht die dauerbekifften Althippies an, auch nicht die vielen glücklichen Familien, die jenseits der Haupstraße in selbstgebauten Hütten wie Robinson Crusoe und Freitag von der Hand in den Mund leben, den Ton geben die Dealer an, die ganz offen agieren. Die Althippies sind nur Statisten, Zeugen ihrer eigenen Hilflosigkeit.

Die Besucher, die nach Christiania kommen, sind Elendstouristen, kämen sie nach Rio, würden sie sich die Favellas anschauen. Sie tauchen für eine kurze Zeit in eine überschaubar exotische Welt ein, um hinterher mit umso größerem Genuss die letzte Sigur-Ros-CD auf dem BeoSound von Bang&Olufsen abzuspielen. Und das absurde “Fotografierverbot”, das die Dealer in Kraft gesetzt haben, dient nicht dem Schutz der Persönlichkeitsrechte, es soll nicht einmal das Fotografiertwerden verhindern. Es ist nur Ausdruck von Macht. Würden die Dealer das Atmen, Pupsen, Rülpsen oder Fahrrad fahren verbieten, wäre das ein Anriff auf die Menschenwürde, das Fotografierverbot dagegen verbreitet den gleichen autoritären Charme wie die Gesichtsmasken der Autonomen. Im übrigen wissen die Dealer, dass sie polizeilich erfasst sind. Sogar die dänische Polizei dürfte Knopflochkameras haben, die man in jedem Spy-Shop für 50.- Dollar kaufen kann.

Und es ist ja auch nicht so, dass die Freistadt der Aussteiger und Gesetzlosen ihre Existenz allein der sprichwörtlichen dänischen Toleranz verdankt. Es ist auch viel Kalkül dabei. Dass Kopenhagen so sicher, so sauber, so ruhig und so gastfreundlich ist, dass der Besucher am Kongens Nytorv nicht von Bettlern, Dealern und Junkies belästigt wird, dass er im Cafe Norden sitzen kann, ohne dass ihm ständig etwas zum Kauf angeboten wird, kommt auch daher, dass man das Strandgut der Gesellschaft nach Christiania ausgelagert, mit dem Etikett “alternativ” versehen hat und als Touristenattraktion vermarktet. So wie früher die Kirchen an manchen Orten den Bau von Bordellen nicht nur duldeten, sondern auch förderten, um die Prostitution an einem Ort zu konzentrieren und den Rest der Gemeinde von der Sünde frei zu halten, so sorgt auch das “social engeneering” (http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialkonstruktion) heute dafür, dass Problemzonen geduldet waren, die überschaubere Verhältnisse ermöglichen. Jede Hausfrau weiss, wie wichtig eine Rumpelkammer ist, um Ordnung in der Wohnung zu haben. Auch ein “rechtsfreier Raum” hat durchaus seine Vorteile.

Zurück zum Fotografierverbot im öffentlichen Raum. Wenn also fickende deutsche Touristen am Ballermann von RTL gefilmt werden, ist das okay. Wenn tapfere Antifaschisten NPD-Treffen heimlich aufnehmen, wird kein taz-Leser etwas dagegen haben. Günter Wallraff, der sich bei BILD einschleicht, ist ein Held. Man kann sich auch die Reaktionen des linksreaktionären Packs vorstellen, wenn ein Reporter der jungen Freiheit bei dem Versuch, ein Ferienlager der Wiking-Jugend zu besuchen, seine Praktica verlieren würde. Andererseits: Haben die afghanischen Feminstinnen, die zu Zeiten der Taliban die Hinrichtungen von Frauen gefilmt haben, nicht gegen ein Fotografierverbot verstoßen und die Persönlichkeitsrechte der Taliban verletzt?

Ich gönne ein paar Rentnern und Sesselpupsern die Schadenfreude, dass ich “eins auf die Fresse” bekommen habe. Es ist bekanntlich die reinste aller deutschen Freuden. Und sie haben sonst wenig im Leben, worüber sie sich freuen können. Ich dagegen freue mich auf meine neue LUMIX 12x, die ich mir heute gekauft habe.