4. Dezember 2009

Obamas Afghanistan-Rede offenbart präsidiale Konfusion

Obamas Afghanistan-Rede offenbart präsidiale Konfusion

Wenn Barack Obama als Oberbefehlshaber auftritt, als Commander-in-Chief, ist das stets surreal. Der Präsident ist fehl am Platze, wirkt gezwungen, gequält. Ein Mangel an Glaubwürdigkeit und Authentizität wird offenbar, wenn er geschmeidig seine talking points abarbeitet. Die lange überfällige Rede („The Way Forward in Afghanistan [1]“) zur Strategie in Afghanistan wurde in Westpoint kühl aufgenommen. Sie beendete monatelanges Zögern und Zaudern [2] in einer Zeit, in der Nato-Soldaten in Afghanistan ihr Leben riskierten und auf ein klares Bekenntnis, eine klare Entscheidung aus Washington warteten.

Die jetzt beschlosse Aufstockung um 30.000 Soldaten ist richtig. Die ganze Absurdität des Lavierens des Präsidenten zwischen offensichtlicher militärischer Notwendigkeit und der Beglückung seiner linken Anti-Kriegs-Basis wird jedoch in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen der Rede deutlich. Man kann diese Sätze als präventive Kapitulationserklärung lesen oder als zynisches Machtkalkül.

„Als Oberbefehlshaber habe ich beschlossen, dass es in unserem vitalen nationalen Interesse ist, 30.000 weitere Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Nach 18 Monaten werden unsere Truppen nach Hause kommen.“

Ich schicke Soldaten, ziehe sie aber sofort wieder ab. Da spricht der ausgebuffte Militärstratege.

Die Nennung eines Abzugsdatums, kaum das die Truppen im Einsatz sind, ist ein Fehler. Die angekündigte Vorgehensweise ist widersprüchlich, unlogisch. Ob Obama wirklich glaubt, dass die zusätzlichen Soldaten in dem jetzt acht Jahre währenden Konflikt innerhalb weniger Monate ein erfolgreiches Ende herbeiführen können und ein verantwortlicher Abzug beginnen kann oder ob er zynisch „politics“ spielt, um seiner Anti-Kriegs-Basis ein paar Brocken hinwerfen zu können, bleibt offen.

Welche Botschaft kommt bei den Taliban an, bei den Verbündeten, bei den Truppen und der Karzai-Regierung ? Das Militär nimmt Obama nicht ab, dass er voll hinter der Mission steht, so wie Bush hinter der surge im Irak 2007. Bereits damals lag Obama mit seiner Einschätzung, die Aufstockung der Truppen werde im Irak nichts bewirken, spektakulär falsch.

Obama lobt zwar die Armee für den Erfolg im Irak. Statt aber Achtung für die historische Entscheidung des 43. Präsidenten zu bekunden, die Truppen aufzustocken, nutzte Obama jede sich bietende Gelegenheit, seinen Amtsvorgänger zu diffamieren. Warum meint er das nötig zu haben ?

Die Taliban wissen jetzt, worauf sie sich einzurichten haben. Anderthalb Jahre abtauchen und dann zum Sturm auf Kabul rüsten. Warum jetzt kämpfen, wenn der Feind auf Sicht abzieht ? Die europäischen Alliierten werden vor diesem Hintergrund alles daran setzen, sich ihren Bündnispflichten auch weiter zu entziehen. Pakistan wird sich auf eine mögliche Machtübernahme der Taliban in zwei bis drei Jahren einrichten. Die Karzai-Regierung ihre Schäfchen ins Trockene bringen und auf gepackten Koffern sitzen.

Werden junge Afghanen zur Armee gehen und ihr Leben riskieren um an die Stelle der Nato-Soldaten zu treten, wenn die USA ankündigen, dass sie ab Juli 2011 mit dem Abzug beginnen und eine nicht ausreichend aufgestockte Truppe sich selbst und einem Feind überlassen, dem sie – noch – nicht gewachsen ist ? Männer mit Verstand werden einen Teufel tun.

Das nicht von den Bedingungen vor Ort abhängige Abzugsdatum demoralisiert die afghanischen Partner und ermutigt die Taliban und al Qaida.

Als Obama in seiner Rede Pakistan ansprach, kam erneut die Frage auf, in welcher Welt der Präsident eigentlich lebt:

„Wir sind der Partnerschaft mit Pakistan verpflichtet, die auf gemeinsamen Interessen, wechselseitigem Respekt und beiderseitigem Vertrauen beruht“.

Kein Wort davon ist wahr !

Afghanistan ist jetzt Obamas Krieg.

Demnächst wird Amerika 100.000 Soldaten im Einsatz haben. Die Hälfte davon hat Obama entsandt. Wenn 2010 die nächsten Kongreßwahlen anstehen, kann er sich nicht mehr hinter George W. Bush verstecken.

Obama verwendete mehr Zeit darauf, Bush zu kritisieren als die Taliban. Typischerweise folgt dies in der Regel unmittelbar auf das Beschwören der Überparteilichkeit. Ein Prinzip, das immer durchsichtiger wird und zu den sinkenden Sympathiewerten Obamas beiträgt.

Die Rede war ein Fiasko. Kein Wort über die Greueltaten der Taliban und von al Qaida. Kein einziges Mal fiel das Wort „Sieg“, kein einziges Mal die Ankündigung, man werde die Taliban bekämpfen und vernichten, wie ihm das noch in der Amtsantrittsrede gelang (“And for those who seek to advance their aims by inducing terror and slaughtering innocents, we say to you now that, ‘Our spirit is stronger and cannot be broken. You cannot outlast us, and we will defeat you.’”).

Obama: Empty Suit in the White House

Wenn es Ernst wird, ist die Luft raus aus dem Mann, den der englische Spectator kürzlich als “empty suit” auf sein Cover nahm.

Stattdessen macht sich der Präsident, der Billionen für die Verstaatlichung der Banken und der Autoindustrie verwendet, der weitere Billionen für die Reform der Krankenversicherung plant Gedanken um $ 30 Milliarden weitere Kosten für den Krieg in Afghanistan. Nur ein Kopfschütteln blieb, als der fade Applaus verklang.

Und die Rede enthält noch ein paar weitere Leckerbissen:

„Daher habe ich es zu einer zentralen Säule meiner Aussenpolitik gemacht, atomare Waffen vor Terroristen sicherzustellen; die Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen“.

Grotesk. Siehe Iran.

„Ich habe dieses Jahr damit verbracht, unsere Allianzen zu erneuern.“

Fragen wir einmal Gordon Brown oder besser noch Israel, Tschechien und Polen. Vielleicht meint Obama aber auch nur seine seifigen Ergebenheitsadressen [4] an die muslimische Welt oder den Diener vor dem saudischen Könige oder dem japanischen Kaiser ?

„Wir müssen es jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind überall auf der Welt, die unter der dunkeln Wolke der Tyrannei leben, klar machen, dass Amerika im Namen ihrer Menschenrechte die Stimme erheben wird, dem Lichte der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Chancen zugewandt und voller Respekt für die Würde aller Völker“.

Den Dalai Lama ausladen, Präsident Clinton zum Fototermin nach Nordkorea schicken und dem Gemetzel in den Strassen Teherans eine Woche sprachlos zusehen qualifiziert nicht gerade für diese abgedroschenen und aus dem Munde Obamas völlig unglaubwürdigen Phrasen.

Jemand sagte kürzlich, Obama wisse nicht, wie man Präsident sei. Ich denke, er hat dafür spätestens am Dienstag in Westpoint den Beweis angetreten.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

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